snowcrash schrieb:
[...] Das klingt so, als würde Resch die Konkurrenz verklagen wollen und alle Konkurrenzprodukte vom Markt fegen. Wenn das stimmt, sind das für Musiker natürlich schlechte Neuigkeiten. [...]
Was wir hier erleben, ist nichts anderes als eine klassische Lektion zum Thema "History repeating itself": Die Historie "Vom Chamberlin zum Mellotron" ist genauso unglücklich verlaufen wie die Historie zum Thema "Vom Mellotron zum Novatron" bzw. "Vom Memotron zum Resch Mellotron".
Ich denke, das Ganze läuft unter der Rubrik "Zwei Hähne auf einem Misthaufen". Markus Resch und David Kean hängen eng zusammen und haben untereinander etwas ausbaldowert, was die Nutzung der Mellotron- und Chamberlin-Masterbänder sowie die kommerzielle Nutzung des Namens "Mellotron" angeht. In allen Quellen kann man nachlesen, daß David Kean seinerzeit die Namensrechte sowie die Masterbänder aus der Konkursmasse erwarb. Das ist die eine Front. Welche bilateralen Gespräche stattgefunden haben zur Frage der Lizensierung oder Abtretung von Namensrechten oder Masterbändern, ist mir nicht bekannt, ebensowenig die Frage, ob irgendwelche Deals vereinbart werden konnten oder nicht. Wahrscheinlich aber eher nicht, denn sonst würde sich die Gesamtsituation anders darstellen.
Die andere Front ist Klaus Hofmann-Hoock, der seinerseits wieder dicke Patsche mit John Bradley und Martin Smith von Streetly Electronics hat, also denjenigen, die in direkter Blutlinie zu den Mellotronics-Gründern stehen, da John der Sohn von Les Bradley ist. Da schwelt zum einen womöglich noch das unaufgelöste Drama um den Konkurs von Dallas Arbiter und dem damit verbundenen Verlust an den Rechten am Namen des eigenen Produktes -- welches aber unter'm Strich auch wieder nur von Harry Chamberlin geklaut und unter Vortäuschung falscher Tatsachen unter dem Namen "Mellotron" ein kommerzieller Erfolg wurde, der dem ursprünglichen Erfinder nicht vergönnt war. Im Grunde genommen also nichts anderes als die Verkettung einiger unglückseliger Umstände oder schlechten Karmas -- der eine klaut beim anderen und bereichert sich auf dessen Kosten, ohne vorher zu klären, ob es in irgendeiner Weise Patente oder dergleichen gibt. Derjenige, der geklaut hat, wundert sich anschließend, warum der Beklaute ziemlich angepißt ist -- welch eine Überraschung, wer hätte sowas erwartet? Zum anderen ergab sich hier natürlich die ausgezeichnete Gelegnheit, der Konkurrenz -- auch, wenn sie rechtlich im Vorteil ist -- gegenüber einen technischen Entwicklungsvorsprung zu erzielen. Das ist wie der Wettlauf zum Mond -- ein ständiges Schwanzlängenmessen zwischen Russen und Amerikanern. Das Blöde ist, daß der Schwanz nur kurzzeitig länger wird, wenn man daran zieht.
Ich will jetzt keiner Seite etwas unterstellen, aber beide Parteien haben ein mehr oder weniger legitimes Interesse daran, mit ihrem Nischenprodukt Geld zu verdienen -- und da waren Manikin einfach schneller. Ob es weise ist, dieselben Sounds hundertmal über verschiedene Outlets zu verkaufen (erst eine selbstgemachte Sampling-CD, die dann bei Masterbits landet und kommerziell ausgewertet wird, während parallel erst G-Media mit Mellotron-Sounds versorgt werden, die dann unter'm Strich auch wieder im Memotron Verwendung finden) bzw. mit immer kühneren und abstruseren Ideen zu kommen, welche Klänge man noch im Memotron verbraten könnte, sei einmal dahingestellt. Ebenso die Frage, ob ein Sample eines Mellotron-Bandrahmens eine Urheberrechtsverletzung gegenüber dem Inhaber der originalen Masterbänder ist -- man könnte fast den Faden weiterspinnen und fragen, ob es eine Urheberrechtsverletzung ist, die Klänge eines Resch-Mellotrons abzusamplen und die Samples... aber lassen wir das. Bezeichnend ist nur, daß Markus Resch im Handbuch seines Mellotrons darauf hinweist, daß die Klänge mit "digitalem Wasserzeichen" markiert seien, um eine unrechtmäßige Weiterverwendung durch Dritte zu verhindern. Honni soit qui mal y pense.
Wenn Leute meinen, sie müßten sich aus welcher Motivation auch immer tiefer und tiefer in solche unaufgelösten Angelegenheiten aus der Vergangenheit verstricken, um Profit daraus zu schlagen, dann sollte eigentlich klar sein, daß da am Ende nur Ärger bei rumkommen kann. Das läuft auf beiden Seiten eher auf so eine Art postpotenter Pimmelshow hinaus, und da wenigstens einer der involvierten Köpfe absolut gnadenlos ist, wenn es darum geht, den eigenen Vorteil zu nutzen (auch auf Kosten anderer), ist da auch mittel- bis langfristig keine Lösung in Sicht, weil das Einsehen einfach fehlt bzw. womöglich weit über das Ziel hinausgeschossen wird und man sich einen Scheißdreck um die Rechte anderer kümmert. Ich habe da so meine Theorien, aber da ich dafür keine Belege habe, möchte ich die hier nicht näher ausbreiten und mich um Kopf und Kragen reden-- zumal ich Markus Resch selbst nicht persönlich kenne.
Was Berts Erfahrung mit Markus Resch angeht, kann ich nur sagen, daß es mir als Musiker in den 1970ern genauso wie heute scheißegal ist, welche Geschichte und welche rechtlichen Verstrickungen hinter dem Chamberlin und dem Mellotron stecken -- mich interessiert nur die Frage, ob das Instrument in meine Musik das tut, wofür ich es erworben habe. Wenn einer der Hersteller meint, er müsse mir blöd kommen, weil ihm nicht paßt, daß ich das andere Produkt ebenfalls in meinem Set habe, dann kann er mich erstmal am Arsch lecken -- das sieht erst dann anders aus, wenn ich mit dem einen oder dem anderen einen exklusiven Endorser-Vertrag geschlossen habe. Ansonsten bin ich als Kunde König und muß mich nicht von unprofessionellem Handeln anderer beeindrucken und in irgendwelche Wettkämpfe hineinziehen lassen.
Ich als Endverbraucher sollte mir allerdings ernsthaft die Frage stellen, ob ich mit dem Erwerb egal welchen Instrumentes den Lauf dieser Geschichte unterstützen und noch weiter Wasser auf die Mühlen gießen will. Aus diesem Grunde habe ich mich z. B. gegen den Neukauf, sondern zum Erwerb eines Gebrauchtgerätes entschlossen (neben dem nicht unerheblichen Neupreis ein sehr wichtiger Faktor) -- an einem Gebrauchtgerät verdient der Hersteller nicht mehr direkt mit.
Stephen