Meiner Meinung nach genügt das Gehabe auf der Sonntags-Pressekonferenz - und die nachfolgende Weigerung, der Öffentlichkeit Informationien zukommen zu lassen, bereits vollauf für eine begründete Rücktrittsforderung. Sicherlich gab es "unglückliche Umstände", Unverhersehbarkeiten und auch das Zusammenwirken sehr unterschiedlicher Personen mit sehr unterschiedlichen Motivlagen. Sicher ist nicht nur Herr Sauerland am Zustandekommen des Unglücks beteiligt - aber er ist beteiligt! Er war es, der missliebige Amtsleiter auswechseln ließ, weil diese Bedenken gegenüber der Loveparade in Duisburg hatten. Und er war es auch, der für den immensen Druck innerhalb der Verwaltungen gesorgt hat, der so groß war, dass sich kaum jemand getraut hat, Sicherheitseinwände in den Sitzungen der entscheidenden Arbeitsgruppen zu formulieren - beteiligt sind hier aber auch Vorgesetzte innerhalb der Behörden, die offenbar glaubten, es wäre ihre Aufgabe hier Druck auszuüben und auch glaubten, dass die Vorschriften (z.B. maximal 3-4 Personen pro Quadratmeter Veranstaltungsfläche, ausreichend und ausreichend breite Fluchtwege, Videoüberwachung von Engpassstellen, Sicherstellung der Koordination zwischen den verschiedenen Kräften auf der Veranstaltung usw. usf.) die sehr eindeutig sind und waren - im Fall der Loveparade einfach gebrochen werden können. Während Menschen im Engpass zu Schaden kamen, machte Sauerland zusammen mit dem Veranstalter und Oliver Pocher den Grinsemann - wobei in diesem Moment schon klar war, dass sich erhebliche Probleme anbahnen. Und, bitte nicht vergessen: Bereits zu Beginn der Veranstaltung (also: 10:00 Uhr) brach das verabredete Sicherheitskonzept (z.B. die Regelung des Einlasses) zusammen. Vom ersten Moment an bis zur Katastrophe gab es keine Koordination der verschiedenen Einsatzkräfte - jedenfalls nicht die im "Sicherheits"konzept vorgesehene Koordination - und die Ausweichstrategien waren, eindeutig, mangelhaft. Es gab zudem äußerst ernste Warnungen seitens der Polizei und seitens der Feuerwehr im Vorfeld, Sauerland lehnte die Beratschlagung mit den erfahrenen Verwaltungskräften aus Dortmund ab und er ist in letzter Konsequenz auch dafür verantwortlich, dass die wichtige Koordinierungsgruppe der Verwaltungen, welche die nur vier Loveparade-Dusiburg-AGs koordinieren sollte, niemals tagte. Die Genehmigung der Veranstaltung kam dann - völlig unüblich für Großveranstaltungen - erst wenige Stunden vor Beginn.
Er hat es durchgepeitscht. Das ist schon ein wichtiger Teil der Verantwortung.
Man muss sicherlich abwarten, was die Ermittlungen ergeben und was im Detail vorgefallen ist. Versagt haben viele Personen, teils ist das auch menschlich zu erklären. Versagt hat die Struktur und der Ablauf der Vorbereitungen - und man muss ganz sicher daraus lernen, ähnlich wie in Mekka, wo es ebenfalls einmal riesige Probleme gab.
Entscheidend ist, dass daraus gelernt wird - aber auch, dass diejenigen, welche ein schweres Fehlverhalten zu verantworten haben (bei Sauerland ist das eindeutig der Fall), dass diese Personen auch zu ihrer Verantwortung stehen. Wie ist es denn jetzt? Sauerland markiert das Unschuldslamm und verweigert jegliche Auskunft im Detail, während er sich vorrangig um die Maximierung seiner Pensionsansprüche kümmert (nein: er wäre kein HartzIV-Opfer - sondern hätte auch im Rücktrittsfall Pensionsansprüche in Höhe von weit über 3000 Euro im Monat - dazu kommen seine diversen Mandate und Pöstchen, ach, und arbeiten könnte er nach einem Rücktritt eigentlich auch, schlimmstenfalls in seinem angestammten, sehr gut vergüteten Beruf). Seine renitente Weigerung, seine Anteile am Geschehen überhaupt zuzugeben, oder auch nur darüber zu sprechen: Spricht das für Verantwortungsbewusstsein?
Ich finde das ganz schön feist von Herrn Sauerland. Ich muss nicht mögen, wie irgendwelche ab- und aufgetakelten Event-Berichterstatter der Privatmedien die Katastrophe und die Verantwortung dafür darstellen, ich muss die "wirhabensimmergewusst"-Mentalität vieler Journalisten nicht mögen, aber darum muss ich längst noch nicht zur Auffassung gelangen, dass man Herrn Sauerland keine Vorwürfe machen dürfe.
Gemessen an dem, was bereits bekannt ist, ist in meinen Augen völlig klar, dass Herr Sauerland im Vorfeld der Duisburger Loveparade einige schwere Fehler gemacht hat. Und im Gefolge der Katastrophe hat sich Herr Sauerland auch nicht korrekt verhalten. Ich kann auch nicht so sehr finden, dass Herr Sauerland eine unbeholfene arme Sau ist, mit der übel mitgespielt wurde. Er war Akteur. Die Loveparade gehörte - bis zur Katastrophe - zu seinen wichtigsten Projekten, um die er sich gekümmert hat.
Bevor ich bei der Katastrophe von Duisburg ins "bloß-niemanden-kritisieren" einstimme, gründe ich eher schon einen Wahlverein für Guido Westerwelle...
(und mal ganz nebenbei: ich persönlich würde mich für völlig ungeeignet halten, wenn es darum ginge, für eine derartige Großveranstaltung Verantwortung zu tragen - trotzdem darf ich Herrn Sauerland kritisieren)