Re: Kommerzielle Verwendung von Presets illegal bzw. verpönt
Bernie schrieb:
serge schrieb:
Aber passt es zum Synthesizer? Möchte man seinen Synthesizer schlicht als Klangbibliothek begreifen und damit in Kauf nehmen, dass sich die eigene klangliche Kreativität im geschmackvollen Bilden von Schichtklängen erschöpft?
Es ist doch alles möglich, warum also nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen?
Selbstverständlich. Ich kann mich auch nicht erinnern, etwas Gegenteiliges behauptet zu haben. Ich wies und weise nur auf zwei Dinge hin: Die Folgen, die eine ausschließliche Verwendung von Presets haben kann, und dass man durch das Nachprogrammieren von Presets etwas lernen kann.
Schneefels schrieb:
So sehe ich es auch mit dem Musikmachen. Das eine - okay, bin gerde in Metapherstimmung - ist der Lehm, Beton, Mörtel, aus dem das Gebäude entsteht. Das ist der Sound. Das andere ist die Architektur vom Kleinen zum Großen hin - der Beat, das Pattern, die Hookline, ggf. Text und Gesang, das Arrangement, Post Produktion, Mixdown. Es ist nicht unbedingt der übliche Vorgang, dass das alles aus einer Hand kommt.
Von diesem Gedanken – dass ein Musikstück von der Idee bis zum Mastering von einer Person geschaffen werden kann – lebt aber ein großer Teil der elektronischen Musikinstrumentenindustrie.
Wer arbeitet denn hier im Forum so arbeitsteilig, dass der Eine komponiert, der Andere produziert, der Dritte textet, der Vierte singt, ein Weiterer mischt und ein Letzter mastert? Und wenn wir davon allein den Prozess der Komposition betrachten, wer hat denn wirklich so viele instrumentale Kenntnisse, dass er neben Harmonien und Melodie auch gleichermaßen fähig ist, beispielsweise ein realistisches Schlagzeug zu programmieren?
Der Musikinstrumentenindustrie sind diese Defizite wohl bewusst, also werden allerlei Loop-Sammlungen, intelligente Sampler-Player und Verwandtes angeboten, mit denen sich derlei Mängel kompensieren lassen – ohne sich entweder mit anderen Musikern auseinandersetzen oder das Spiel dieser Instrumente gar selbst erlernen zu müssen. Das kann man als "Befreiung des musikalischen Individuums durch die Demokratisierung der Produktionsmittel" feiern oder als "gekaufte Kompetenz" ablehnen.
In beiden Sichtweisen aber hat man die Wahl, ob man die eigenen Fähigkeiten durch Nachahmung (so lernt der Mensch nun einmal gerne) verbessern möchte:
Sei es durch den Nachbau von Fremdklängen, die man mag;
durch das Nachspielen von Melodien oder Akkordfolgen der Lieblingsstücke;
durch das Nachprogrammieren eines Loops, der einem gefällt.
Ich behaupte nicht, dass man das stets tun sollte, ebensowenig erhebe ich es zum "Standard" – ich sage nur, dass das eine der möglichen Handlungsoptionen ist.
So man sich für die andere Option entscheidet, also darauf verzichtet, die eigenen musikalischen Fähigkeiten zu verbessern, weil man ja weiss, dass das gerade Fehlende käuflich erworben werden kann (und es dem Hörer ohnehin gleich ist), begibt man sich freiwillig in Abhängigkeit (was nicht da ist, muss man nachkaufen) und Ohnmacht (man muss nehmen, was erhältlich ist) dem Markt gegenüber.
[EDIT: Klarstellung, welche "Industrie" gemeint ist.]