Neben meinen Gehversuchen in synthetischer Musik bin ich auch Klavierschüler. Musiknoten faszinieren mich zudem auch als Ding an sich, als Musik, die nicht klingt, ohne dass sich andere Menschen mit ihr beschäftigen und sie schließlich live vor anderen zum Klingen bringen. Für mich ist das der Inbegriff klassischer Musik, der nichts wirklich zu tun hat mit dem mehrheitlich geprägten elitären Habitus des Bildungsbürgertums, den es - so mein Verdacht - nur aus reiner Tradition aufrecht erhält, weil es ihm eben anerzogen wurde. Wie vielen hängt es zu Hals raus, vom musikinteressierten Partner mitgeschleift zu werden zum Konzert, aber man will ja schließlich auch gesehen werden? Aber die Musiker könnten sich leider gar nicht leisten, auf dieses Publikum zu verzichten.
Manche Literatur ist so komplex, dass sie nur von Leuten gespielt werden kann, die sich lange Ausbildungsjahre ans Klavier gepflanzt haben. Gut und schön.
Und das kann man nicht auf dem Synthesizer adäquat umsetzen, ohne dass das in eine ziemlich spaßlose Angelegenheit ausartet. Balken in eine Pianoroll zeichnen und jeweils mit Velocities und anderen Attributen versehen, dabei stets wissend, wie es klingen muss. Ein Synthetiker mit Kenntnissen in der klassischen Musik könnte das sicher, aber es ist halt aufwendig und eben spaßlos, an der Mechanik würd sie nur so aus den Fingern fließen und dies Tun im Takt garantiert erst Endorphinfluten. Und wenn er zufällig auch gut Klavier spielen kann, dann kommt halt eine Interpretation auf dem Synthesizer heraus, die die klangvariablen Fähigkeiten des Geräts nicht im Ansatz nutzt.
Mit Balken würde ich mich auch nicht beschäftigen. Das hab ich vor 50% meines Lebens mal gemacht und nie wieder. Ich setze heute klassische Literatur und den nebenbei manuell trainierten Etüdenkram nur mit dem Synthesizer um, weil der mein Kind ist, statt gekauft selbst geschaffen, programmiert allein mit Mitteln, die nicht für Musikern als Zielgruppe entwickelt wurden. Die Beschäftigung damit macht mir also unbedingt Spaß, und ich nehme zum Testen lieber fertige Literatur als selbst zu komponieren. Nicht, dass ich das nicht auch können wollte, allein würd ich beides gleichzeitig üben, käme weder bei dem einen noch beim anderen viel raus, meinetwegen noch weniger als jetzt.
In dem Sinne sind Synthetik und Klassik für mich unvereinbar (möglich schon, aber ohne nennenswert Publikum). Es sei denn vielleicht, so mein Gedanke, die Synthetik hielte sich zwar streng an die Literatur, nähme sich aber sonst alle Freiheiten, die nicht auf dem Papier steht. Klavierliteratur etwa wird am Klavier umgesetzt. Da steht nirgendwo "für Klavier" üblicherweise. Man könnte also einzelne Motive, Phrasen und Themen (anstelle der BATS-Stimmen, die man musiktheoretisch auseinanderzuhalten pflegt) als eigene Einheiten synthetisieren, mit ihrem individuellen Klang, vielleicht zunächst unabhängig von anderen, um die Schnipsel dann wieder zusammenzusetzen.
Naja, wieder mal viel geschrieben, ich kann es nicht lassen. Vielleicht kennt ja wer Beispiele im Sinne von "Gibts doch alles schon", ich kenn keine und würde meiner Ahnungslosigkeit geschuldet vermeintlich(?) neue Felder besetzen.
Beispiel: In Burgmüllers Schwalbe könnten man zum Beispiel den Tierlaut der Schwalbe näherungsweise synthetisieren und einflechten, damit es originell wird. Als so originell wird es nicht sein, als Übung eben.
Eine von vielen Interpretationen:
https://youtu.be/sbRD6Dxmwyc
Schwalbengesang:
https://youtu.be/lr4bmbloJs0