Re: ehrliche (frustrierte) nachricht von swayzak bei faceboo
Cyborg schrieb:
Zotterl schrieb:
Weitere Frage: wenn das sogenannte "alte Hasen" sind a la Schulze, Jarre, TD:
wer von denen hätte heute noch eine Chance, mit ihrer Musik so groß rauszukommen wie "damals"?
Du kannst die Uhr nicht zurückdrehen. Damals war die Musik mit Synthesizern noch neu und faszinierte schon wegen der unbekannten Klänge. [...]
Das Problem sind weder die Klänge, noch die Musik als solche. Das Problem ist die Aufmerksamkeitsspanne, die Heranwachsende -- und das ist ja wohl die Klientel, die in der Zukunft Musik hören wird -- und immer mehr Erwachsene mittlerweile haben. Die laufen im Kopf heiß, ohne es zu merken, weil sich die elektronische Welt immer schneller um sie herum dreht, weil immer mehr Reize in immer kürzerer Zeit befriedigt werden wollen -- und die elektronischen Medien diese Tendenz in jeder Hinsicht unterstützen. Ein Buch lesen? Wozu denn, wenn die kommentierte Zusammenfassung auf wikipedia zu finden ist? Vokabeln lernen? Quatsch, dafür kann ich doch jederzeit Leo.de unterwegs per mobilem Internet erreichen. Referate recherchieren und in die Bücherei gehen? Blödsinn, das klaue ich mir irgendwo aus dem Internet zusammen. Hat der Politiker mit der Castrolfrisur doch auch gemacht... wenn der das darf, dann darf ich das auch. Blöd, wenn er sich beim Mogeln erwischen läßt.
Mit dieser Geisteshaltung, mit der die Kinder aufwachsen, ist jedes Schallereignis, das länger als 30 Sekunden dauert, schon zuviel, weil es selbständige intellektuelle Beschäftigung damit erfordern würde -- hä? Was? Gibt´s das auch als App für mein Ei-Pätt? Selbst, wenn das Interesse vorhanden ist -- die Schnelllebigkeit da draußen läßt es gar nicht zu, sich eingehender mit Dingen zu beschäftigen, die einen interessieren, weil einem ständig weisgemacht wird, man dürfe den Anschluß nicht verpassen -- schlecht für die Akzeptanz innerhalb der Gruppe. Man will doch schließlich dazugehören. Dieser Gruppenzwang hat schon etwas Faschistisches an sich -- "fascere" heißt ja nichts anderes als "fesseln" oder "binden".
Zurück zur Musik: Wenn es nicht vom Rudel als "cool" akzeptiert wurde, taugt es sowieso nicht zur sozialen Selbstbehauptung innerhalb der Gruppe. Ich glaube nicht, daß die meisten diese Rap-Kacke eines Bushido freiwillig hören; das hören die meisten nur, weil sie als Mitläufer Angst haben, vom Alphatierchen -- dem "opinion leader" des Rudels -- eins auf´s Maul zu bekommen und ausgegrenzt zu werden -- zu schwach zur Selbstbehauptung, oder zu ängstlich. Das ist dieser soziale Konformismus, den Jörg oben schon ansprach. Das Ding hat sich mittlerweile verselbständigt und treibt grausige Blüten.
Heute sind Kinder dann gearscht, wenn sie das Pech haben, erwischt und als "aufmerksamkeitsgestört" diagnostiziert zu werden -- während der Großteil gleich gestrickter Altersgenossen unbemerkt davonkommt -- bis irgendwann das böse Erwachen folgt.
Wie sagte Hagen Rether mal so schön: "Was können die ahnungslosen Kinder dafür, wenn die Erwachsenen ihnen diese Scheiße auch noch als toll verkaufen? Nicht die Kinder, die diese Scheiße auch noch benutzen, sind schlecht, sondern die Erwachsenen, die sich alle möglichen Tricks ausdenken, damit die Kinder das kaufen."
Man kann dieses Thema bis in alle Ewigkeiten diskutieren, ohne je zu einer Lösung zu kommen. Für mich gibt es unter diesen Rahmenbedingungen keine Hoffnung mehr für das evolutionäre Auslaufmodell Mensch. Lehne ich mich also zurück und weide mich am Unvermeidlichen.
Stephen.
Stephen