Grenzüberschreitung
Im Nachklang der vergangenen Ausgabe erreichte uns eine Nachricht des deutschen Vertriebes eines amerikanischen Herstellers, der uns „Unprofessionalität“ und eine „Grenzüberschreitung“ vorwarf, schließend mit dem Hinweis, dass man mit KEYBOARDS nie wieder etwas zu tun haben wolle.
Was war passiert? Eigentlich nichts, was ungewöhnlich sein sollte, in der heutigen Zeitschriftenlandschaft aber nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint:
Wir haben ein Gerät getestet, ein paar Bugs gefunden, nachgefragt, keine befriedigende Antwort bekommen und dann im Test geschrieben, was uns aufgefallen
ist. Und das Ganze verbunden mit dem Hinweis, dass mit Software-Updates die Probleme Geschichte sein könnten.
Anstatt sich um die Beseitigung des Fehlers zu kümmern, bemüht man sich um die „Beseitigung“ des Mediums, dass es sich erdreistet, darüber zu schreiben. Dies ist übrigens keine Grenzüberschreitung unsererseits, sondern eine Position, die KEYBOARDS seit nunmehr 22 Jahren einnimmt.
Im Sinne aller unserer Leser kann es nicht sein, dass wir Nachteile und offensichtliche Fehlfunktionen verschweigen, nur um dem Vertrieb „keine Probleme“ zu bereiten. Wir haben stets den Leser im Auge, der sein wohl verdientes Geld für ein Instrument ausgibt, an dem er Spaß haben soll. Wir haben aber auch den Leser im Auge, der sein wohlverdientes Geld für unsere Magazine ausgibt und dann das Recht hat, dass wir ihn so umfassend und objektiv wie möglich informieren.
Alle im Testbericht aufgeführten Mängel sind dokumentiert und nachweisbar, seitens des Vertriebes gibt es bis heute keinen sachlichen Hinweis, wo wir falsch liegen.
Wenn jetzt beim Vertrieb das Aha-Erlebnis erfolgt: „Mann, die testen die Dinger ja wirklich!“, dann wird es höchste Zeit.
Ich kann dazu nur sagen: Ja, wir packen die Dinger aus, ja, wir schalten sie ein und zitieren nicht die Bedienungsanleitung ...
Es ist richtig, dass wir auch Vorserienmodelle beschreiben, die durchaus „buggy“ sein dürfen, dann kennzeichnen wir dies als Preview und schreiben nicht „Test“ darüber. Bei den komplexen elektronischen Instrumenten von heute kann es immer passieren, dass die Software nicht ausgereift ist. Wen dem so ist, dann sollte man dazu stehen und schnellstmöglich Abhilfe schaffen und nicht den „hängen“, der es bemerkt und dokumentiert. Dies wäre Service und kundenorientiert. Dem Kunden ein Instrument zu verkaufen, in der Hoffnung, er merkt es nicht, halte ich für völlig verfehlt.
Bei allem Konkurrenz- und Innovationsdruck sollte eines gelten: Der Kunde ist kein Beta-Tester.
Gerald Dellmann
Chefredakteur KEYBOARDS