Synthesizer sind etwas Sinnliches - Jarre Interview

A

Anonymous

Guest
Hi,
in der Ausgabe Nr.277 des Kölner Stadt-Anzeigers vom 29.Nov.2007, Seite 32 war ein interessantes Interview mit J.M.Jarre. Hier einige bemerkenswerte Antworten auf einige Interview-Fragen (das Gespräch führte Christian Bos), die ich Euch nicht vorenthalten will und die vielleicht zu einem regen Meinungsaustausch bzgl. "Sinnlichkeit von Synthesizern" anregen sollen ;-)

"Dass man plötzlich Musik nicht mehr nur von Noten und Akkorden ausgehend, sondern auch mit verschiedenen Klängen komponieren konnte, das war für mich die wahre Revolution des 20. Jahrhunderts."

"Damals interessierte ich mich sehr für abstrakte Malerei. Da gabe es für mich eine Verbindung. Bei der abstrakten Malerei arbeitest Du mit Strukturen und Farben - bei der elektronischen Musik mischst Du statt Farben Frequenzen, aber es ist der selbe Prozess"

"Mit dem Bleistift Noten auf Papier zu malen, das ist doch ein viel abstrakterer, entseelter Prozess, als mit den Händen Frequenzen gewissermaßen zu kochen, mit verschiedenen Zutaten und Gewürzen."

"Für mich dagegen haben Synthesizer etwas sehr sinnliches, ist die elektronische Musik viel menschlicher, als zum Beispiel die klalssische Musik."

"Das erste Album, das den Synthesizer populär gemacht hat, war Walter Carlos' "Switched On Bach". Ich glaube, das hat auf lange Sicht eher negative Gefühle elektronischen Instrumenten gegenüber ausgelöst.

Weil jeder dachte, dass die Hauptaufgabe des Synthesizers darin läge, klassische Instrumente zu imitieren, falsche Posaunen, falsche Trompeten. Für mich sind Synthesizer dazu da, neue und ungewöhnliche Klänge zu erzeugen."

"Für mich ist der wichtigste Aspekt des Projekts, den alten analogen Instrumenten die Ehre zu erweisen. Es gibt mythisch überhöhte Instrumente in der Klassik... .....aber in der elektronischen Musik redet man höchstens mal vom Moog-Synthesizer. Ich finde, das schade. Schließlich gibt es fantastische analoge Synthesizer."

Übrigens: "Oxygeène - Live in Your Living Room (CD, DVD und 3-D-Brille ist jetzt bei EMI erschienen - Live-Tour geplant (auch Live in Köln)

interview.jpg
 
der Mann ist mir sehr sympatisch - besonders der Vergleich "mit den Händen Frequenzen gewissermaßen zu kochen, mit verschiedenen Zutaten und Gewürzen finde ich herrlich :D
 
Der hat schon ein paar sehr farbige Sachen gesagt, zum Beispiel sinngemäß, dass er den Geruch von heißgelaufenen Oszillatoren mag (was ich nachvollziehen kann).

Irgendwie sagte er wohl auch, dass der Unterschied zwischen digital und analog der sei, dass die Analogtechnik das Signal schminken würde, und die digitale Technik das Signal zerstückeln würde. Und Musik sei wie eine Frau - die hätte er auch lieber geschminkt als zerstückelt.
Kann sein, dass ich das jetzt nicht mehr ganz genau wiedergebe, aber im Groben war es das.

Falls das JMJ war, der das gesagt hat.
Oder Zappa.
Oder so.
:oops:
 
Das ist schön ausgedrückt von JMJ und da ist auch was Wahres dran. Eigentlich ist die Distanz zum herkömmlichen Instrumentenbau nicht wirklich groß, auch da wurde und wird im Dienst der Kompositionsidee konzipiert und gebaut. Vom einzelnen Instrument dann zum großen Ensemble und der daraus folgenden Wirkung der Frequenzen ist es nicht mehr weit. Dennoch ist das klangliche Potential Synthesizer den meisten akustischen Instrumenten überlegen, in der Dynamik bzw. deren Kontrolle vielleicht nicht so sehr, obwohl das schwer zu vergleichen ist.

Seine Angabe, dass Carlos mit Switched on Bach den Synth als erstes Album populär gemacht hätte, stimmt nicht wirklich. Das Album hat kein Schwanz gekannt, den Film Clockwork Orange genauso wenig, und Popularität ist was anderes. Es tut fast weh, aber populär wurde der Synth mit Popcorn (autsch, ich wage es kaum hinzuschreiben), ist aber so. Aber auch das war es nur partiell. Die Leute wie Emerson, Manfred Mann, Klaus Schulze, Tangerine Dream, Yes (Wakeman) und sowas waren gemeinsam an der Popularisierung beteiligt (das bisschen Beatles und Stones mal nicht mitgerechnet). Und selbst da darf man nicht vergessen, dass das immer nur Minderheiten bekannt war. Die große Masse, ab der man dann getrost von Popularisierung sprechen kann, hat eher ab Anfang der 80er was vom Synth mitbekommen und da hat JMJ mit seinem Oxygene durchaus seinen Anteil geleistet.
 
kpr schrieb:
Seine Angabe, dass Carlos mit Switched on Bach den Synth als erstes Album populär gemacht hätte, stimmt nicht wirklich. Das Album hat kein Schwanz gekannt, den Film Clockwork Orange genauso wenig
Also "Switched-On Bach" ist meines Wissens immer noch das meistverkaufte Klassik-Album aller Zeiten, und "Clockwork Orange" ist ja nun auch kein Underground-Kino, oder? Zahlen weiß ich aber keine...
Aber Popcorn und Lucky Man (was ich noch gruseliger finde, obwohl ich großer Emerson-Fan bin) haben wohl schon mehr weggeschafft, das stimmt schon :D .
 
Es ist die Frage, WANN die Alben gekauft wurden. Zu ihrer Zeit mal nicht, sorry, das ist Fakt. Als Synthesist war man damals ein Alien und ich weiß es aus eigener Erfahrung und war ab 75 einer, der auf den Minderheitenzug aufgesprungen ist. Ich war in meiner Heimatstadt der erste, der so ein Ding hatte, kein Witz. Das war also im Promillebereich anteilig zur Bevölkerung. Ein Riesenpublikum gabs genauso wenig. Sicher haben Clockwork Orange damals ein paar Leute gesehen, aber es war in Programm-Kinos und man musste extra dahinfahren, weil es die nur in größeren Städten gab. Die Geschichte wird da etwas verklärt dargestellt und die 70er werden gerne so hingestellt, als ob da alle lange Haare gehabt hätten, nen Synth im Wohnzimmer und gekifft sowieso. Nichts davon stimmt. Als ich die erste Ashra Temple und Klaus Schulze Irrllicht und später dann Cyborg gekauft habe, da waren die Verkäuferinnen im Plattenladen noch voller Vorurteile, wer denn sowas Merkwürdiges überhaupt kaufen wollte. Allenfalls der Name Pink Floyd war auch beim Sachbearbeiter im Großhandel für Schreibwaren mal schon gehört worden, aus dem Radio oder so. Die meisten haben sich davor aber eher gefürchtet :D

Ja, Lucky Man war sicher auch an der Popularisierung beteiligt. Das originale freigestellte Sample mit dem Portamentolick gibt es auf einer Sample CD von Invision, was besseres gibt´s nicht für Skeptiker. Mal unter uns: Bei wirklich genauer Hinhöre ist das einzig, auch für ausgebuffte Keyboarder nicht so ohne.
 
kpr schrieb:
..., da waren die Verkäuferinnen im Plattenladen noch voller Vorurteile, wer denn sowas Merkwürdiges überhaupt kaufen wollte. Allenfalls der Name Pink Floyd war auch beim Sachbearbeiter im Großhandel für Schreibwaren mal schon gehört worden, aus dem Radio oder so. Die meisten haben sich davor aber eher gefürchtet :D
.

Ja, so habe ich das auch noch in Erinnerung. Elektronische Musik war noch sehr exotisch und fremd. Von daher bin ich sogar ein wenig stolz, dass ich die Anfänge von Synhesizern und deren Musik so ziemlich von Anfang an miterleben durfte (als an Elektronik interessierter junger Mensch war das echt eine geile Zeit :D ). Und ich war auch ein wenig stolz, den unerfahrenen und ängstlichen Verkäufern im Plattenladen und im Musikladen zu erklären, was denn ein Synthesizer ist ;-)


Sinnlichkeit beim Analogsynthesizer fängt für mich schon beim Anfassen der Regler an, wenn der Synthie dann so langsam anfängt zu leben und zu atmen :)

... Geruch von heissgelaufenen Oszillatoren ... dass die Analogtechnik das Signal schminken würde
- fein, sehr schön, mehr davon :D
 
kpr schrieb:
Es ist die Frage, WANN die Alben gekauft wurden. Zu ihrer Zeit mal nicht, sorry, das ist Fakt. Als Synthesist war man damals ein Alien und ich weiß es aus eigener Erfahrung und war ab 75 einer, der auf den Minderheitenzug aufgesprungen ist. Ich war in meiner Heimatstadt der erste, der so ein Ding hatte, kein Witz. Das war also im Promillebereich anteilig zur Bevölkerung. Ein Riesenpublikum gabs genauso wenig. Sicher haben Clockwork Orange damals ein paar Leute gesehen, aber es war in Programm-Kinos und man musste extra dahinfahren, weil es die nur in größeren Städten gab. Die Geschichte wird da etwas verklärt dargestellt und die 70er werden gerne so hingestellt, als ob da alle lange Haare gehabt hätten, nen Synth im Wohnzimmer und gekifft sowieso. Nichts davon stimmt. Als ich die erste Ashra Temple und Klaus Schulze Irrllicht und später dann Cyborg gekauft habe, da waren die Verkäuferinnen im Plattenladen noch voller Vorurteile, wer denn sowas Merkwürdiges überhaupt kaufen wollte. Allenfalls der Name Pink Floyd war auch beim Sachbearbeiter im Großhandel für Schreibwaren mal schon gehört worden, aus dem Radio oder so. Die meisten haben sich davor aber eher gefürchtet :D

Ja, Lucky Man war sicher auch an der Popularisierung beteiligt. Das originale freigestellte Sample mit dem Portamentolick gibt es auf einer Sample CD von Invision, was besseres gibt´s nicht für Skeptiker. Mal unter uns: Bei wirklich genauer Hinhöre ist das einzig, auch für ausgebuffte Keyboarder nicht so ohne.

Vieleicht in Deutschland war Clockwork Orange oder Switched on Bach kein erfolg und unbekannt, aber es stimmt uberhaupt nicht was du sagst wenn mann es weltweit siest. Sorry!
CO war kein commercial erfolg weil es hatte so viel negative slagzeilen bekommen uber die gewalt (und in England copycat aktionen) das Kubrick selbst hat es ausser circulation gesetzt. Es war in dieser zeit SUPERBEKANNT wegen dieser slagzeilen.
SOB hat fast jeder synth spieler der 70er beeinflusst. Es stimmt uberhaupt nicht das es unbekannt war wenn es neu war.

Entering Billboard's pop Top 40 charts on March 1, 1969, it climbed quickly to the Top 10; it stayed in the Top 40 for 17 weeks [1], and in the Top 200 for more than a year. In the 1970 Grammy awards, the album took three prizes: Best Classical Album, Best Classical Music Performance, Instrumental Soloist(s) (With or Without Orchestra) and Best Engineered Classical Recording.

Im jedem fall, ich finde es uninteressant als LP aber:

vor SOB kein "popular" synth musik
Nach SOB (1969) 100er von LP's mit synth
 
So steht´s auch in der englischen Wikipedia.
Interessant: In der deutschen Wikipedia gibt es nicht mal einen Eintrag für "Switched on Bach".
Könnte was zu bedeuten haben. ;-)
 
Ich stimme dem meisten zu, was Jarre sagt.

Nur nicht der Sache mit Carlos. Bei Switched on Bach und den Nachfolgealben von Carlos geht es gar nicht um das Imitieren bestehender Instrumente. Das können eigentlich nur Leute sagen, die sich die Platten nicht mal wirklich angehört haben bzw. sie nur vom Hörensagen kennen.

Gruß,
Markus
 
dlmorley schrieb:
Vieleicht in Deutschland war Clockwork Orange oder Switched on Bach kein erfolg und unbekannt, aber es stimmt uberhaupt nicht was du sagst wenn mann es weltweit siest. Sorry!

Ich habe aber nicht über weltweit geschrieben, sondern über Deutschland. Steht im Posting. Nichts reininterpretieren, was nicht drinsteht. Dass es weltweit mega Unterschiede gibt, was den Erfolg von Musik betrifft, ist ja wohl sehr bekannt. Und ist heute noch so.

"Switched-On Bach is a musical album by Wendy Carlos (then Walter Carlos) on CBS Records, released in 1968. It played a key role in popularising music performed on electronic synthesizers, and resulted in a huge increase in interest in them, and particularly in Moog synthesizers. The album was the first classical album to sell 500,000 copies, and go platinum. Entering Billboard's pop Top 40 charts on March 1, 1969, it climbed quickly to the Top 10; it stayed in the Top 40 for 17 weeks [1], and in the Top 200 for more than a year. In the 1970 Grammy awards, the album took three prizes: Best Classical Album, Best Classical Music Performance, Instrumental Soloist(s) (With or Without Orchestra) and Best Engineered Classical Recording."

http://en.wikipedia.org/wiki/Switched-On_Bach

Die Sache mit SOB ist eher ein sehr gutes Beispiel dafür, dass in Deutschland sowas kaum bekannt sein kann, im Ausland dagegen total populär. Und btw bin ich selber davon seit vielen Jahren betroffen.
 
kpr schrieb:
Es tut fast weh, aber populär wurde der Synth mit Popcorn (autsch, ich wage es kaum hinzuschreiben)

Ich weiss gar nicht, was alle dagegen haben.
Nur weil die Sounds ein bißchen einfach sind und das Arrangement ebenso?

Muss denn alles kompliziert sein?
 
kpr schrieb:
Ich habe aber nicht über weltweit geschrieben, sondern über Deutschland. Steht im Posting. Nichts reininterpretieren, was nicht drinsteht.
JMJ hat vermutl. nicht von D. gesprochen, auf den hast Du das doch bezogen:
kpr schrieb:
Seine Angabe, dass Carlos mit Switched on Bach den Synth als erstes Album populär gemacht hätte, stimmt nicht wirklich. Das Album hat kein Schwanz gekannt [...].
 
Ich drücke ein paar Tasten und erfreue mich an faszinierenden Klangwelten.

Ne mal ehrlich, ein Synthesizer ist sowas von "GEIL" da kann mir einer sonst was erzählen. Letztens war ein Freund bei mir und hat sich spasshalber an das Gerät gehockt und so paar Tasten gedrückt. Nach einer Stunde musste ich ihn vom Synthesizer wegziehen weil er nicht mehr weg wollte.

Ich denke man muss nicht unbedingt spielen können, es kann ein sehr schöner kreativer Zeitvertreib für jeden sein. Andere gehen weiter und erforschen sowas richtig oder entwickeln produktive Sachen.

mfg sinot
 
Once more switched on Bach. Moog sah einen engen Zusammenhang zwischer der Veröff. von SOB Ende 1968 und der plötzlichen Verdreifachung seiner Verkaufszahlen: Zwischen 1969 und 1970 hatte er Schwierigkeiten die Nachfrage zu befriedigen. Ab dann war der Markt gesättigt und die Konkurrenz trat aus dem "woodwork". R.A. Moog, "Historical & Prophetic Writing" in Incredibly Strange Music Vol. 2 (Re/Search).
 
Ilanode schrieb:
kpr schrieb:
Ich habe aber nicht über weltweit geschrieben, sondern über Deutschland. Steht im Posting. Nichts reininterpretieren, was nicht drinsteht.
JMJ hat vermutl. nicht von D. gesprochen, auf den hast Du das doch bezogen:
kpr schrieb:
Seine Angabe, dass Carlos mit Switched on Bach den Synth als erstes Album populär gemacht hätte, stimmt nicht wirklich. Das Album hat kein Schwanz gekannt [...].

Du hast vollkommen recht. Wahrscheinlich irre ich mich und Synthis waren damals rund um den Globus eine populäre Angelegenheit und selbst Opa hat seine Seemannslieder schon drauf gespielt. Hach, gute alte Zeit :D
 
kpr schrieb:
Du hast vollkommen recht. Wahrscheinlich irre ich mich und Synthis waren damals rund um den Globus eine populäre Angelegenheit und selbst Opa hat seine Seemannslieder schon drauf gespielt. Hach, gute alte Zeit :D
Hat das jetzt irgendwas mit dem zu tun, was ich geschrieben habe?
 
kpr schrieb:
Seine Angabe, dass Carlos mit Switched on Bach den Synth als erstes Album populär gemacht hätte, stimmt nicht wirklich. Das Album hat kein Schwanz gekannt, den Film Clockwork Orange genauso wenig, und Popularität ist was anderes. Es tut fast weh, aber populär wurde der Synth mit Popcorn (autsch, ich wage es kaum hinzuschreiben), ist aber so.
Keine Ahnung, wie du darauf kommst.
Switched on Bach war damals extrem populär, das lief den ganzen Tag im Radio. Dieses Album hat nicht nur mich angefixt!
Ich hab vorher NIE klassische Musik gehört, erst Switched on Bach 1+2, Brandeburgischen Konzerte, die vier Jahreszeiten, by Request usw., haben mich dazu gebracht.
In Clockwork Orange bin ich wirklich nur deßhalb reingegangen, weil Carlos die Musik dazu gemacht hat.
 
kpr schrieb:
Es ist die Frage, WANN die Alben gekauft wurden. Zu ihrer Zeit mal nicht, sorry, das ist Fakt.
Ich hatte durchweg alle Alben von Walter Carlos und auch immer sofort nach dem Erscheinen gekauft.

kpr schrieb:
Als Synthesist war man damals ein Alien und ich weiß es aus eigener Erfahrung und war ab 75 einer, der auf den Minderheitenzug aufgesprungen ist.
Ich bin immer noch ein Alien -ehrlich.

kpr schrieb:
Ich war in meiner Heimatstadt der erste, der so ein Ding hatte, kein Witz. Das war also im Promillebereich anteilig zur Bevölkerung.
Jo, ich auch.

kpr schrieb:
Sicher haben Clockwork Orange damals ein paar Leute gesehen, aber es war in Programm-Kinos und man musste extra dahinfahren, weil es die nur in größeren Städten gab .
Bin damals extra von Frankfurt in den tiefen Schwarzwald nach Freudenstadt gefahren, nur um diesen Film zu sehen. Nein, nur um die Musik aus diesem Film zu hören.

kpr schrieb:
Die Geschichte wird da etwas verklärt dargestellt und die 70er werden gerne so hingestellt, als ob da alle lange Haare gehabt hätten, nen Synth im Wohnzimmer und gekifft sowieso. Nichts davon stimmt .
Stimmt. Ich hatte auch lange Haare, nen Synth im Wohnzimmer auf dem Teppich und die Blubber stand daneben.

kpr schrieb:
Als ich die erste Ashra Temple und Klaus Schulze Irrllicht und später dann Cyborg gekauft habe, da waren die Verkäuferinnen im Plattenladen noch voller Vorurteile, wer denn sowas Merkwürdiges überhaupt kaufen wollte.
Als ich die das erste mal hörte, hatte ich schon meine erste Phase mit elektronischer Musik hinter mir. Das ging bei mir schon früher mit Tonbandgeräten und Theremin los. Für mich waren das damals alles Nachäffer, machten diese Leute doch ziemlich genau das, was ich zwei Jahre zuvor selbst auch schon gemacht habe.
Lang ists her....
 
Liebe Kinder, zankt euch nicht!
Jeder nimmt bestimmte Dinge eben ganz subjektiv wahr und hat ganz persönliche Erinnerungen, und das ist auch gut so.

Für mich sind SOB und andere Synthesizerplatten Kindheitserinnerungen; Platten, die mein Onkel öfter gespielt hat, der ansonsten mit Synthesizern gar nichts am Hut hatte und hat. Bewusst wahrgenommen als Synthesizer-Musik hab ich die erst viel später.
Mein Onkel hat mir damals auch die Demoplatte des Millionisers vorgespielt und mich damit vielleicht schon für leicht obskure Instrumente sensibilisiert.
"Lily The Pink", "Death of a Clown", Nazareths "Loud'N'Proud" und manches von Otto Reutter hab ich auch bei ihm zuerst gehört.

Hach, Erinnerungen...

Und das ist übrigens alles nicht OT, sondern hängt mit der sinnlichen Wahrnehmung von Synthesizern und Musik überhaupt zusammen.

Aber nicht mit JMJ...

Schöne Grüße,
Bert
 
Ich kann dazu nicht viel sagen. CO habe ich erst in den 80ern gesehen und Popcorn allerdings schon damals im Radio gehört.
Auf gar keinen Fall SOB. Und da hinkt der ganze Kram auch, bzw die Aussage von JMJ, wenn man es denn wirklich auf den Seziertisch legen will. Es ist wirklich völlig subjektiv und zudem noch stark verzerrt durch die verschiedene Jahrgänge, die sich jetzt dazu geäußert haben.
 
Bernie schrieb:
Stimmt. Ich hatte auch lange Haare, nen Synth im Wohnzimmer auf dem Teppich und die Blubber stand daneben.

Jawoll. Ich auch.

Heute habe ich immer noch lange Haare, 'nen Synth im Wohnzimmer - nun ja, das Blubbern habe ich mittlererweile abgelegt.

Aber ich habe bis heute noch nicht Switched On Bach gehört. :oops:

Dafür hat mir der gephase-te Stringsound von Clockwork Orange seit der ersten Sekunde in den 70'ern die Nackenhaare hochgestellt und ist bis heute ein Monument und Maßstab.
 
Ja Bernie, jeder hat eine andere Wahrnehmung und bewegt sich in einem anderen Umfeld. So ist es mit unser beider und die sind weder repräsentativ für die Ende 60er oder Anfang 70er, noch für den ganzen Globus. Während 1974 ein Minimoog 5.600 Mark gekostet hat, und ein normaler Monatsverdienst vielleicht 900 Mark waren, kann man sich selbst als Außenstehender ein Bild davon machen, wie oft das Ding in Deutschlands Musikerhänden landete. Dirk weiß das noch genauer.

In USA war Switched on Bach die meistverkaufte Klassikplatte bis dato, das ist aber verglichen mit Beach Boys der Zeit gar nichts. Während Hanns Verres die Deutsche Hitparade moderierte, einmal die Woche, und Day Time Night Time mit Joy and the Hitkids lief, gab es vereinzelte Verrückte, die sich für Synths interessierten. Wahrscheinlich warst du einer und sogar noch etwas früher dran, ich auch und etwas später. In Musikerkreisen waren die Dinger schnell ein Begriff, nur hatte kaum jemand einen. Wegen der Preise. Und der schwierigen Bezugsquellen. Plattenfirmen wollten dringend nen Synth in den Songs ihrer Artists, aber die Hits blieben aus. Also verscheuerten sie ihre wieder.

Leute wie Tangerine Dram profitierten von dieser mangelnden Interessenslage und zogen sich so ihre ersten Kisten an Land. Das kleine Publikum war froh und bekam was Exklusives zu hören. Ein Gig von Tangerine Dream in der Sporthalle Uni Saarbrücken lockte so etwa 300-400 Besucher, ich war einer davon. Es war ein Gig, wo das Publikum nahezu ausnahmslos in der Horizontalen auf dem Boden lag und jeder Atemzug stoned machte. Das war aber nicht der spießbürgerliche Alltag dieser Zeit, denn den Ton hatten Bill Ramsey, Roy Black oder Manuela angegeben. Was genau populär ist, ist sicher Ermessenssache. Ich sehe mindestens ein Millionenpublikum, wenn man von populär spricht.

Das wäre in Sachen Synths so ab vielleicht Ende der 70er der Fall gewesen. Und zwar in dem Augenblick, wo ein Synth mehr oder weniger in jeder Produktion zu finden war, nicht nur in Nischenprodukten. Wikipedia ordnet Switch on Bach 500.000 zu, Freff in seiner Moog Story 1 Million, soviel zur Genauigkeit der Recherchemöglichkeit. Den Sound selber findet das Publikum teils als sehr plastikhaft, siehe Kritik auf den babyblauen Seiten. So gesehen sind es Dutzende von Musikern gewesen, die das Ding populär gemacht haben, jeder auf seine Weise.

Carlos ist, m.E. unverdient, noch immer nicht wirklich ein Superstar, vielleicht wollte sie das ja auch nie. Breitbeinige Emersons, langhaarige Wakemans und bebrillte Manfred Manns haben sich deutlich aggressiver davorgestellt und letzlich, zumindest was die Popularisierung betrifft, den Ton angegeben und zwar lautstark.

JMJ hat mit seinem Oxygene bestimmt einen dicken Kommerzanteil draufgesetzt, das Album war seinerzeit unter Puristen teils verpönt, weil es halt radiotauglich war und in die Charts kam. Aber gerade diese Songs waren es doch, die eben den Synth auch bis in die Provinzen getragen haben. Irgendwann Anfang der 80er haben das dann die Tanzmusiker auch verstanden gehabt und sich nen Jupiter besorgt. Insofern müsste man sich eher fragen, ob das nicht der Anfang vom Ende war, aber sowas wäre Thema für Markus Berzborn. Dass es Synthiläden in Deutschland erst ab Ende der 70er gab, spricht für sich. Dass du zum Filmegucken nach Schwabanien bist, und ich für´s Synthi antesten nach Heidelberg gurken musste, waren noch die geringsten Erschwernisse. Aber reflektieren diese weißen Flecken, die es gab und da kann man zumindest in meinen Augen nicht von populär sprechen.

Und noch schlimmer: Populär ist gar kein künstlerisches Kriterium.

Der Synthi war auch in seiner Pionierzeit nichts anderes als ein Instrument, das sich seinen Platz beweisen musste. Und es dürfte hitzig werden, wenn man zur Diskussion darüber bitten würde, ob das denn mittlerweile der Fall ist. Einige Leute aus der Klassikabteilung zusätzlich in die Runde gesetzt, und man kann sich was anhören ...

Als Abbinder eine kleine Story von Freff, in der deutschen Übersetzung auf elektropolis, gibt einen kleinen Einblick, wie das in USA gesehen wurde, aus einem kleinen Blickwinkel einer Randgruppe. Ob es Europa aus deren Sicht überhaupt gegeben hat? Das ist ja heute noch nicht immer der Fall :D

Hier: http://www.elektropolis.de/ssb_moogstory.htm
 
kpr schrieb:
Aber gerade diese Songs waren es doch, die eben den Synth auch bis in die Provinzen getragen haben. Irgendwann Anfang der 80er haben das dann die Tanzmusiker auch verstanden gehabt und sich nen Jupiter besorgt. Insofern müsste man sich eher fragen, ob das nicht der Anfang vom Ende war, aber sowas wäre Thema für Markus Berzborn.

MB präsentiert :)

Es läuft doch immer so. Jemand ist vorne, hat was neues, dann spricht sichs rum - dann wird irgendwann gnadenlos kopiert. Ende.
Neues Kapitel.

Und ganz genau. Was stört es mich, wenn Puristen etwas verpöhnen ?
Ich wäre vielleicht gar nicht so schnell zu Synth gekommen, wenn es nicht auch die Kommerzschiene gäbe, durch die das überhaupt bei mir angekommen ist - nämlich Radio.
Ob das nun gut war.... weiß ich auch manchmal nicht :)
 
Wenn JMJ halbwegs bei Verstand ist, wird er mit popularisieren nicht gemeint haben, dass die Synths selber ab der Veröffentlichung SOB (1968) zu Massenware wurden. Dazu waren sie bis Ende der 70er/Anfang der 80er viel zu teuer. Er wird höchstwahrscheinlich der Überzeugung sein, dass mit SOB elektronische Musik - und damit der Synth - aus der akademischen Nische herausgekommen ist und in der Populären Musik zunehmend Fuß fassen konnte.
Vielleicht überschätzt er den Einfluss von SOB, doch, wenn nicht die absoluten Verkaufszahlen von Synths, sondern das Interesse an elektron. Musik im Mittelpunkt seiner Aussage steht, klingt sie doch deutl. plausibler.
 
"Das erste Album, das den Synthesizer populär gemacht hat, war Walter Carlos' "Switched On Bach". Ich glaube, das hat auf lange Sicht eher negative Gefühle elektronischen Instrumenten gegenüber ausgelöst.

Darum geht es doch. Und genau da muss ich auch sagen - NÖ :)

Wichtig ist doch, dass der Hebel überhaupt wirkt.
Ob Pocorn SOB oder sonstwas....
Was dann der nächste damit machen kann, ist doch eine ganz andere Sache.
 


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