Zeit für eine neue Musiktheorie?

Ist die konventionelle Musiktheorie überholt?

  • ja

    Stimmen: 5 6,8%
  • nein

    Stimmen: 48 65,8%
  • vielleicht

    Stimmen: 2 2,7%
  • wer weiß

    Stimmen: 4 5,5%
  • egal

    Stimmen: 4 5,5%
  • wen int'ressierts

    Stimmen: 10 13,7%

  • Umfrageteilnehmer
    73
Würde eher sagen das es Musiktheoretische Ausführungen schon genug gibt, die muss man halt in Büchern nachlesen und sind halt nicht umbedingt bekannt. Und natürlich ist es so das es eine "gängige" Musiktheorie gibt die sich auf die Errungenschaften und Fortschritt der klassischen Musik/Harmonielehre/Kadenzen bewegt.

Zudem sind diese schon kompliziert genug und jeder Musiker der darüber hinausgehen will, der kann das auch einfach.

Warum ich die Frage trotzdem verstehen kann ist das sich die klassische Anordnung der Abstände (Halbtöne) der einfachheit halber eingebürgert hat Bsp. Gitarre und dann Klavier welches in die DAWs übernommen wurde und man nach einer Zeit das Gefühl hat, dass, das einem nicht reicht und das ist insofern auch doof, weil man bei Synthesizern und Plugins eigentlich die Möglichkeit hätte auch Vierteltonabstände usw. zu realisieren was aber dann wieder nicht so einfach ist, weil man halt keine editierbares Pianoroll hat.

Man hat sich halt bei "unserem" Musiksystem auf einen festgelegten Rahmen geeinigt den man auch erstmal ausschöpfen muss, nur klar, der wird auch langsam langweilig.
 
Woher stammt das Verbot von Quinparalellen im vierstimmigen Satz? Weil es den Leuten damals nicht gefiel.
Und was macht Debussy? Verschiebt einen Septakkord als Klangfarbe.
Das Beispiel ist gar nicht schlecht. Denn es zeigt, dass der Septakkord bei Debussy etwas fundamental anderes ist als der gleiche Septakkord bei Haydn. Es gibt auch keine einheitliche übergreifende Musiktheorie, die beide umfassen könnte. Bei Haydn ist der Dominantseptakkord Teil eines Gewebes, Zwischenstation auf einer Reise mehr oder weniger selbständiger Stimmen. Bei Debussy ist es ein einzelner Klang, vielleicht wie der einer Glocke, der nur melodisch/rhythmisch mit der Umgebung zusammenhängt. Der Begriff "Quintenparallelen", der vielleicht 700 Jahre Sinn machte und 700 Jahre etwas halbwegs Ähnliches bedeutete, macht in einer Musik gar keinen Sinn mehr, die nur noch Klänge parallel verschiebt. Aus der Terminologie der Hochklassik heraus müsste man eigentlich sagen, dass bei Debussy weder Dominantseptakkorde vorkommen noch Quintenparallelen. Wir benutzen diese griffigen Wörter hier nur in Ermangelung passender.

Wichtig ist mir: Debussy hat hier eben nicht "Regeln" der klassischen Satztechnik "gebrochen" oder "erweitert". Nein, er hat eine ganz neue Art von Musik geschaffen, in der diese "Regeln" einfach gar keinen Sinn machen. Auch aus seiner Musik lassen sich Regeln abstrahieren, die aber in anderer Musik nicht anwendbar sind.
 
Ich kann auf diesem Niveau gar nicht mitdiskutieren, aber ne Meinung dazu hab ich schon:

Ich finde schon, Musiktheorie (oder eben westlich Musiktheorie), hat eine Berechtigung

man kann das in verschiedenen kontexten diskutieren.

es ist z.b. sicherlich richtig, dass kinder, denen man irgendwann einmal drei akkorde beigebracht hat, sich tendenziell später eher zu glücklichen oder erfolgreichen komponisten entwickeln werden als andere.

man kann somit hier also zurecht feststellen, dass "die musiktheorie" eine berechtigung hat - im extremfall dient sie einem komponisten dazu, von dem einst gelernten etwas neues abzuleiten oder bewusst das gegenteil davon zu machen.

schwieriger wird es wenn man unreflektiert davon ausgeht, dass es sich bei "die musiktheorie" um das handelt, was im eigenen kopf ist - und sich das, was im eigenen kopf ist - nämlich die von den akademischen wissenschaften, die vom staat finanziert werden, in der regionen und dem kulturkreis in dem du selbst selbst, die "richtige" oder die "wichtigste" "musiktheorie" ist und die anderen minderwertig.

in einer meiner ersten diskussionen über das "white supremacy" video fand sich dann auch sofort ein kollege, der felsenfest davon überzeugt war, dass "musiktheorie" das ist, was in der europäischen kirchenmusik von der kirchen zwichen 900 und 1800 nach christus entwickelt wurde - und alles andere irrelevant oder minderwertig wäre.

seine ausführungen gipfelten dann konkludent in feststellungen wie "der islam hat eigentlich gar keine musik" oder "für monodische musik braucht man ja keine theorie weil eigentlich nur harmonielehre musiktheorie ist" - und bestätigte damit die überschrift des videos in form eines lebenden beispiels.

hier hilft dann (neben einem kräftigem schlag auf den hinterkopf) nur noch einfach mal in einem wörterbuch nachzuschlagen, was das wort "theorie" bedeutet:

1.) eine theorie ist eine durch denken gewonnene erkenntnis.

2.) theorie ist umgangssprachlich nur ein anderes wort für these oder hypothese (ist im englischen ähnlich wie im deutschen)

3.) abweichend davon ist in der wissenschaft eine theorie auch ein ganzes system oder eine sammlung von erkenntnissen.


wer jetzt immer noch meint, "musiktheorie" sei gleichbedeutend mit dreivierteltakt, F-Dur und fugaltechniken - und etwas man man auf der uni aus büchern auswendig lernt - der hat´s halt nicht vertanden.

musiktheorie ist auch, wenn die apachen im altertum im wald saßen und bestimmte flötentöne mit bestimmten göttern assoziierten und musiktheorie ist auch, wenn irgendein elektronica noob sagt "ich nix noten lesen ich einfach knöpfe drehen bis knallt".

und nein, die wiener schule ist nicht fortschrittlicher oder besser als die pariser schule, sie ist nur anders.

völliger dillentantismus oder völlig überkandittelte wissenschaft sind auch erlaubt! tut einfach, was euch gefällt und was funktioniert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil ich Musik mag, interessiert mich alles, was damit zu tun hat. Instrumente, wie sie gebaut werden, wie sie funktionieren. Aus was für Klängen die Musik besteht, die ich mag und gern höre. Was andere dazu denken und schreiben und sagen. Musikgeschichte und Genres und wie sie miteinander verschränkt sind. Es gibt so viele Geschichten, Verweise, Zitate und Bezüge. Und eben auch, wie sie aufgeschrieben wird und was für Strukturen man darin finden kann. Und die Leute, die sich das ausgedacht haben und warum. Insofern finde ich Musiktheorie großartig, weil es mir hilft, Dinge zu bezeichnen und damit in anderen Zusammenhängen wiederzufinden – oder es zu benutzen, weil ich es gerade passend finde. Und auch um mit anderen über Musik zu sprechen und gemeinsam zu musizieren. Alles, was darüberhinaus Sinn macht erforscht zu werden ist willkommen. Ich wüßte aber nicht, warum man jetzt 'Musiktheorie' mit irgendwas anderem ersetzen sollte. Vor allem, weil man dann wieder eine Musiktheorie hat. Prinzipiell ist aber Theorie nur der Versuch einer Beschreibung des Phänomens Musik. Aber eben kulturell immens reich. Die Fragestellung ist: 'Was kann alles über Musik gesagt werden?'. Es ist immer nur eine Annäherung.

Adam Neelys YT Kanal ist top, wenn man auf gutes Entertainment steht und sich für Musiktheorie interessiert.
 
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Man hat sich halt bei "unserem" Musiksystem auf einen festgelegten Rahmen geeinigt den man auch erstmal ausschöpfen muss, nur klar, der wird auch langsam langweilig.

Musiktheorie und Innovation - spannend.
Es gab ja durchaus viele Ideen und Konzepte, die von dem Muster Dur/Moll, von Halbtonschritten, Tonarten u.a. teilweise -bis völlig- weggingen.

Auch ohne Musikwissenschaftler zu sein schätze ich, dass all das auch umfassend erforscht und dokumentiert worden ist. Und dass es zumindest Versuche gab, all das in einer umfassenden Musiktheorie zu erfassen.

Die Frage ist nur: Wayne interesiert es in der Praxis?

Wer möchte, kann sich heute noch Zwölftonmusik, Free Jazz oder die Cluster von Christoph Penderecki anhören. Es gibt auch Orchester und Musiker, die so etwas live aufführen. Avantgarde und Experimentelles wird weiterhin gespielt und neu erfunden.

Aber das sind (und bleiben wohl auch) Minderheitenphänomene. Auch mir ist diese Musik auf Dauer zu anstrengend, auch wenn ich Alban Bergs Oper "Lulu" gesehen habe und großartig fand. Oder Phil Mintons "Gesang", der stellenweise klang wie: Der stirbt gerade!

Fazit: Es wurde schon enorm viel ausprobiert und vieles davon wurde musiktheoretisch erfasst - aber für die Musik, die 90% der Leute im westlichen Kuturkreis hören und machen, funktioniert die traditionelle Musiktheorie prima.

Das soll nicht abschätzig klingen - auch in diesem Rahmen entsteht immer wieder Neues.
 
wenn der notenschlüssen nicht ordentlich gemalt wird. dass e
In der Tat ist der vertikale Versatz eines Notenschlüssels von großer Bedeutung. Gerade beim Altschlüssel (C-Schlüssel) ist das oft zu sehen. Aber auch beim normalen Violinschlüssel. Liegt der zentrale dicke Punkt auf der unteren Linie der Notenzeile, dann ist dort das g' und die Noten werden exakt 2 Oktaven höher gespielt wie wenn ein Standard-Bassschlüssel dort stünde.
 
das unsere Hoergewohnheiten in Bezug auf Harmonie eine rein konditionierte Angelegenheit ist.
Volle Unterstützung. Mal wieder bei meinem "geliebten" Bach: Wer heute die Matthäuspassion hört, wird beim 'Judaskuss' kaum zusammenzucken. 1727 war das ein Skandal. Sollte Johann Sebastian sich "verkomponiert" haben? Mitnichten, da ist nicht eine Note am falschen Ort. Vielmehr sollte Judas' Verratsakt dermaßen widerwärtig klingen, indem er dort mit voller Absicht die Regeln brach.
 


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