Radio Eriwan würde antworten: "Im Prinzip ja, aber...".
Welches Synclavier meinst Du? Es gab im Laufe der Jahre einige verschiedene Modelle, die auch nicht zu unterschätzende Upgrades mit sich brachten, welche allerdings auch gleichzeitig den Charakter der Vorgängermodelle hinter sich ließen.
Das Synclavier 2 war das erste wirklich "kommerziell" gefertigte Gerät, das Modell davor war eigentlich mehr ein in der Garage zusammengezimmerter Prototyp á la Ur-Apple. Das S2 klingt fantastisch! Ich habe selten so einen fetten und lebendig klingenden FM-Synthesizer gehört, bei dem auch noch die Eingriffsmöglichkeiten in den Klang selbst so direkt am Gerät nachzuvollziehen sind. Ähnlich wie beim JD800 hast Du vier Timbre Windows, die Du anwählen und modifizieren kannst (z. T. mit Bildschirmunterstützung). Der Charakter hängt irgendwo zwischen PPG Wave 2 und DX-1, RMI KC-2 Keyboard Computer und Synergy/GDS. Knallt endlos. Der Nachteil ist: Vor lauter geiler Sounds kommst Du nicht mehr zum Musikmachen
. Wo sollen die auch alle rein?
Das S2 gab´s dann später mal mit einer simplen, aber teuren Sampling-Option von ein paar Sekunden mono bei für 8-Bit-Teile normaler Bandbreite. Das Upgrade war sündhaft teuer, erlaubte aber u. a. auch Resynthese ("Musqiue Non Stop"). Es gab auch einige Soundtracks Anfang der 80er, die dieses Feature für recht rudimentäre Orchester- und noch interessantere Hybridklänge á la PPG Waveterm nutzten, z. B. Craig Safans "The Warning Sign". Michael Hoenig hat dann später mal das Synclavier in diversen Tutorials vorgeführt und sein Album "The Blob" zum gleichnamigen Horror-Schinken beigesteuert.
Irgendwann Ende der 80er erfolgte dann der große Bruch zur Synclavier 3200/6400/9600 Audioworkstation. Das Ding ist noch immer von Audioqualität und Bedienung her grandios, aber seinerzeit gab es das Gerücht, Servicetechniker würden per Lear-Jet eingeflogen, und das ist noch heute so -- und hat auch seinen Preis
. Ob Du das Ding als Workstation brauchst, ist eine Frage der Praktikabilität: Heute kannst Du all das, was 1988 absolutes Neuland war, mit ein paar anständigen Wandlerboards und einem ausreichend bestückten MAC/PC hinbekommen; der Renommierwert ist allerdings immer noch -- ähnlich wie bei Fairlight IIX und III -- ungeschlagen
. Ähnliches gilt übrigens auch für den WaveFrame, der etwa zeitgleich erschien. Die Dinger knallen einfach ganz anders als heutige Hard- und Software.
So, kommen wir zu den Nachteilen: Ein Freund von mir hatte zwei Synclavier 2, die grandios klangen. So lange sie funktionierten. Leider stellten sie schon ziemlich bald nach Erwerb den Betrieb ohne nähere Angabe von Gründen ein. Daraufhin wurden mangels Autodiagnoseroutine auf gut Glück ein paar Ersatzkarten für sehr viel Geld beim letzten Synclavier-Servicecentre in England bestellt. Leider funktionierten die Synclaviers danach immer noch nicht richtig, weil die Karten zwar okay, aber eben nicht die fehlerhaften waren. Um sich nicht völlig zu ruinieren, wurden dann beide Geräte abgestoßen. Leider existieren keine Aufnahmen von unseren Arbeiten mit den Dingern
.
Kraftwerk hatten sich zur Produktion von "Electric Café" ein, wie mir gesagt wurde, 800.000 US$ teures 9600 hingestellt, welches allerdings so bugbehaftet war, daß sie es kaum einsetzen konnten und die Maschine am Ende nur als edles Masterkeyboard bei der 1991er Tour verwendet wurde. Für *den* Kaufpreis soll es wohl recht unausgereift gewesen sein (dafür dann also der Techniker im Lear-Jet). Von Konzept und Bedienung her ein Musterbeispiel für ergonomisches Arbeiten und Studioökonomie, aber von der Aufwand-/Nutzenrechnung her eindeutig was für Leute mir gaanz viel Geld, einem durch nichts zu erschütternden Servicetechniker (und einem großen Abschreibungskonto).
Als letzte Anekdote: Ich kann ein komplettes 9600 geschenkt bekommen. Kein Witz. Ich muß es nur auf der anderen Seite des Erdballs abholen kommen... es wurde vor über zehn Jahren eingemottet, und laut dem ehemaligen Toningenieur des Studios lief es zu diesem Zeitpunkt einwandfrei. Aber man stelle sich zwei mannshohe 19"-Flightcase-Racks vor, die etwa jeweils 150kg wiegen, plus diverse Trolleys, Keyboard, CPU... der Versand dürfte - selbst per Schiff -- einige tausend Euro kosten; und dann muß das Ding noch durch den Zoll und abgeholt werden. Und dann muß es noch funktionieren, soll es nicht den örtlichen Wertstoffhof schmücken. Von meinen Altbau-Holzböden mal ganz zu schweigen...
Ende vom Lied: Wenn Du ein Synclavier 2 komplett in gutem Zustand für 1.000 Dollar zzgl. Fracht bekommen kannst, schlage zu und bete inständig, daß es niemals seinen Geist aufgibt. Ansonsten bist Du hoffentlich ein Spezialist auf dem Sektor "frühe Digitaltechnik" und kannst Dir zur Not auch ein neues Betriebssystem schreiben. Außerdem gehst Du öfter gerne mal ins Dominastudio, weil Du mal wieder so richtig leiden willst...
Ich würde mir das gut überlegen. Die Teile klingen toll, sind aber -- wenn Du Pech hast -- echte Kummerkästen. Muß nicht, kann aber.
Stephen