krasse Sache. Passiert zwar sehr selten bei mir, aber gerade letztens wieder mal. Horror. Dabei ist ein Hardwareschalter für die Monitorboxen Gold wert. Man mag im Mischpult die Regler stummschalten, oder das Audiointerface runterregeln, doch über Aux- oder sonstartige Wege kann ein ungewünschtes, lautes Signal nicht gebändigt werden, ausser mit dem Hardwareschalter für die Monitore.
Wenn man den Monitoren den Saft abschneidet, kann einfach nichts mehr übertragen werden. Die Boxen sind ohne Strom, sie werden auch bei roten Lichtern am Mixer nichts mehr übertragen können; die integrierte Endstufe ist ohne Saft. Wer einen Verstärker benutzt und passive Boxen, einfach den Verstärker mit einem gut zugänglichen Hardwareschalter belegen.
So hat man absolute Kontrolle über das Klanggeschehen. Sachen können schiefgehen, man muss logischerweise einen Nothebel haben. Bei mir ist es ein gut erreichbarer Kippschalter, der die BM5 MKII vom Saft abschneidet. Wenn dieser Schalter umgelegt wird, kann simpel und einfach kein Ton mehr rüberkommen. Gerade gestern wieder einmal notwendig, als ich so ein Scheissvideo von YouTube startete, und vergass, dass der Masterfader wegen einer vorherigen Session voll offen war, und der Control Room Poti ziemlich hoch oben vom gestrigen Abend, wo ich stockbesoffen zu alten Weisen tanzte wie ein Jüngling. So Sachen können einfach passieren, da braucht es einen Plan B, idealerweise einen frontal zugänglichen Hardwareschalter. Knipps und weg, und man kann sich in aller Ruhe mit der Sache beschäftigen, z.B. warum der Masterfader auf Maximum war, die Erinnerung an die letzte whyskygetränkte Nacht, oder was weiss ich was noch alles passieren kann im Studioalltag. Gehörschäden, oder noch schlimmer, Boxenschäden (Ironie hier, in Realität natürlich komplett umgekehrt), können so effizient und relativ leicht vermieden werden.
Als Controlfreak ist der Lautstärkeregler bzw. der Hardwareschalter oberstes Gebot in jeder Umgebung. Ohne solche Voraussetzungen fange ich gar nicht an zu arbeiten. Und das schon seit ich mit Engineering angefangen habe, also schon mit 22-23. Irgendwie logisch, oder nicht? Ein Toningenieur, der die Lautstärke nicht im Griff hat? Lächerlich.
Als Musiker sieht die Sache anders aus. Die haben vielleicht ähnliche Erfahrungen, aber sie sitzen womöglich nicht direkt vor den Monitorboxen. Gitarristen, ungeübte, machen ja auch oft den Fehler, dass sie ihr Kabel in den voll aufgedrehten Gitarrenverstärker stecken, was zu nicht weiter beschreibbaren akustischen Sensationen führen kann - und natürlich auch zu bleibenden Gehörschäden. Praktisch alle meine Musikerkollegen haben Gehörschäden - ich nicht! Weil ich mir nie diese Tortur/Verstümmelung antun wollte, bzw. mich vor solchen Gefahren stets bewahrte. Ich will hier nicht etwas persönliches hochspielen, sondern auf die unverzeihlich nachlässige Dummheit der Musiker hinweisen. Sie ruinieren ihr bestes Potential wenn sie nicht auf die Regler ihrer Geräte achten. Ich als Techniker weise sie immer wieder darauf hin, aber ich glaube sie sind schon derart taub, dass sie diese gut gemeinten Anweisungen schlicht nicht wahrnehmen, ob jetzt akustisch oder intellektuell.
Bah, letztendlich ist es ihr Gehör, das zerstört wird, nicht meines. Aber am Schluss betrifft es mich eben auch. Das merke ich, wenn ein Musiker viel zu laut, viel zu schräg, mit viel zu krassen Verzerrungen stundenlang probt. In solchen Fällen wird mir klar, dass er zweifellos einen ernsthaften Gehörschaden hat, da er das Schellen, Pfeifen, Schrillen gar nicht mehr hört, das er mit dem überdrehten und total falsch eingestellten Gitarrenverstärkter produziert. Ich verabschiede mich in solchen Momenten sofort, was bei den(m) Musiker(n) jeweils Erstaunen auslöst. Ich behalte mein gesundes Gehör, das ist mein Arbeitswerkzeug, das lasse ich mich von durchgeknallten und unheilbar geschädigten Musikern nicht massakrieren.
Oft drehe ich deren Gitarrenverstärker einfach in eine andere Richtung, mit einfachen Worten erläuternd, dass die Box direkt in meine Richtung zeigt, und nicht in die Richtung des Musikers. Das erzeugt wiederum komplettes Unverständnis. Da muss ich intern nur noch kichern, es ist sowas von offensichtlich und auch Laien verständlich, aber viele, ja fast alle Musiker, die keine professionelle Schulung erhielten, haben da extreme Mühe; woher das kommt, bin ich immer noch am ergründen; muss was mit Stolz und Besserwissen zu tun haben, aber ich weiss es nach wie vor nicht. Ich weiss nur, dass sehr viele Musiker enorm resistent, beinahe begriffsstutzig sind bezüglich akustisch-musikalisch sinnvollen Ratschlägen eines kundigen Tontechnikers. Hat sicher auch mit fehlender Autorität zu tun. Ich befehle nie, gebe nur Anweisungen und Empfehlungen. Dass manche Musiker einfach unprofessionell sind ist einfach eine Tatsache, und wenn man sie darauf anspricht, sind sie monatelang gekränkt in ihrem Ego.
Ich schweife aber ab, das ist tiefe Psychologie und Verhaltensforschung. Aber ich habe mir mein exquisites Gehör im Alter von 44 erhalten. Kenne die Messzahlen natürlich nicht, aber ich vermute dass ich bis etwa 17 kHz hören kann, sogar mehr als in meiner Jugend. Man sagt ja, dass das Gehör stets abnimmt, vor allem in den höheren Frequenzen. Das trifft zweifellos zu, aber ist keine Grundregel. Vor allem nicht bei einem Tontechniker oder Musiker/Musikliebhaber. Das Gehör, wie auch die Sehkraft, kann vernachlässigt oder über Jahrzehnte trainiert werden. Im Yoga gibt es sogar ausdrückliche Übungen, um die Sehkraft zu stärken. Ich kenne einen Brillenträger, der dies angewandt hat, und auf seine Brille verzichten konnte. Allerdings vernachlässigte er seine Übungen nach einer Weile, und musste wieder die Brille hervornehmen; ist halt bequemer, als sich täglich anzustrengen. Dazu kann ich nichts mehr beifügen. Wer zu bequem lebt, verliert automatisch einen beträchtlichen Teil seiner Lebensqualität. Trägheit, Ignoranz, Desinteresse, Besserwissertum, Angeberei, Fettleibigkeit, you name it. Und eben mit Feedback, je mehr Unzufriedenheit, desto stärker die Besserwisserei und Lasterhaftigkeit, was die Unzufriedenheit fördert, und zu mehr Nachlässigkeit führt, usw. Aber ich schweife wieder ab.
Also, Vorsicht mit den Kopfhörern. Ist mir auch schon mehrmals passiert, und da hilft nur noch das sofortige Wegreissen des Kopfhörers. Zuviel Dezibel kann wirklich schaden, ich muss nur an meine Musiker denken, die kaum etwas merken von der Pein, die ein gesundes Gehör empfindet. Sie tun mir leid, obwohl mir Mitleid aus Prinzip widerstrebt. Sie haben wirklich und endgültig einen wichtigen Teil ihrer Lebensqualität verloren, und können nicht mal im Traum erahnen, welche musikalische Genüsse ein gesundes Gehör wahrnehmen kann. Darum auch das Mitleid, sie sind wirklich nicht zu beneiden. Ja, es ist bestürzend und unglaublich. Arme Kerle, wirklich.
Jugend, lasst euch diese Worte als Warnung gelten. Wie den Augapfel, schützt und erhaltet euer Gehör. Ich sehe an Parties kaum der Mutterbrust Entwöhnte, die voll besoffen an der riesigen Monitorbox angeleht einpennen. Bei voller Lautstärke. Hallo? Ist da jemand? Das kann nicht gut gehen! Diese armen Trottel werden nie mehr richtig hören können. Das ist, wie eben beim Verlust eines Auges, nicht mehr gutzumachen. Normalerweise empfindet der gesunde Mensch einen Schmerz, ein Unbehagen, wenn es klingelt im Ohr und zu laut ist. Man entfernt sich, macht einen Spaziergang im Wald, und es entsteht kein bleibender Schaden. Ein Ohrensingen am nächsten Tag, doch das legt sich. Und beim nächsten Mal nicht mehr so deftig. So funktioniert eine natürliche Reaktion oder Handlungsweise. Wenn Drogen oder extreme Ignoranz oder was weiss ich für Störfaktoren mitspielen, wird die natürliche Schutzfunktion ausgehebelt - und dann ist man den Gesetzen der Physik schutzlos ausgeliefert. Gewebe wird permanent havariert, wie es in antiken Zeiten nur bei einem Blitzeinschlag (Donner) im Umkreis von 10 Metern geschehen konnte. Und heute merken es einige Leute gar nicht mehr, was sie aufs Spiel setzen bzw. schon verloren haben. Hier kommt dann nicht das Mitleid, sondern das Mitgefühl zum Tragen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.