Virtuose Synthesizerspieler

Ohne Tastatur würde das Instrument womöglich heute ein Nischendasein fristen, und eine Menge großartiger Musik - eingespielt auf einem Tastatur-Synthesizer - wäre nie aufgenommen worden.
Ein Großteil dieser "großartigen Musik - eingespielt auf einem Tastatur-Synthesizer" wäre dennoch eingespielt worden, nur eben auf Orgeln, E-Pianos, Clavinets, Mellotronen und Flügeln.

Als einziger Verlust wäre der Verzicht auf Pitch-Bend-Modulationen zu verzeichnen gewesen, und ob das wirklich ein kulturell bedeutsamer Verlust gewesen wäre, darf bezweifelt werden.

Denn in den geposteten Beispielen von Aydin Esen wie auch von Victor DeRespinis findet vor allem eins statt: Eine Zurschaustellung zugegebenermaßen beeindruckender handwerklicher Fähigkeiten, die entweder auf Emulationen nicht-synthetischer Instrumente (z.B. Flügel, Gitarre, Streicher etc.) dargeboten werden, oder bei denen zwischen musikalischem Inhalt und Synthesizerklang keinerlei zwingender Bezug besteht, außer dass der Klang über Pitchbend-Rad und ggf. noch ModWheel verändert werden kann.

Diese Zusammenhangslosigkeit zwischen musikalischem und klanglichen Material ist ein offensichtliches Zeichen dafür, dass der Synthesizer nur als handlicher Lieferant bestimmter Standardklänge gesehen und genutzt wird, statt als Möglichkeit, den eigenen musikalischen Ausdruck ins klangliche zu erweitern.
 
[...] Ohne Tastatur würde das Instrument womöglich heute ein Nischendasein fristen, und eine Menge großartiger Musik - eingespielt auf einem Tastatur-Synthesizer - wäre nie aufgenommen worden.

Und eine Menge gräßlich-opportunistischen Gedudels wäre ebenfalls nie entstanden -- darunter womöglich auch meins --, und so etwas wie Elektronische Musik (wie auch immer die jetzt definiert wird, ob Däschnöh oder Kosmische Kuriere) wäre, genauso wie die elektronischen Instrumente, immer eine Nischenexistenz geblieben.

Die Medaille hat immer zwei Seiten.

Stephen
 
Die technik vs Emotionen Diskussion ist ja aber auch so alt, wie Musik selber, oder? Gerade in der Gitarrenwelt ist das ja auch das Thema. am Ende ist es ein großer Batzen Geschmack, der da in die Beurteilung einfließt. ich seh das persönlich so, dass mir stumpfes Skalen runterzocken genauso zusagt, wie uninspirierte Melodien. Muss man ja auch alles m Kontext sehen. Es gibt große emotionale Solo Passagen , die vor allem von wenig Tönen und Pausen leben, aber auch genug uninspirierte Ansammlungen von wenigen Tönen und vielen Pausen .)
 
Die wahrzunehmende Kluft zwischen "Playern" und "Soundfetischisten" gibt es ja leider schon lange - vielen Musikern scheint die andere Seite oft nicht wichtig zu sein, was sich teilweise auf beiden Seiten unschön bemerkbar macht (man denke an Rick Wakemans Phase, als er bedenkenlos jedes Keyboard benutzt hat, das ihm umsonst unter die Finger geschoben wurde).
Vielleicht sollten sich öfter mal zwei Angehörige der gegensätzlichen Lager zusammentun, und einer schraubt wunderschöne Sounds, die der andere mit Leben füllt. Wenn ich eins von beiden besonders gut könnte, wäre ich sofort dabei - aber so dilettiere ich in beiden Teichen fröhlich vor mich hin.

Schöne Grüße,
Bert

Da denke ich immer an die Pianisten, die einen Synthesizer für etwas völlig unverständliches halten. Vermutlich, weil sie im Studium auf Hochleistungssport am Reck trainiert wurden und nun nicht wissen, was sie am Barren tun können.
 
Einspruch, Euer Ehren: Der Synthesizer wurde als Tasteninstrument erfolgreich, seine Ursprünge liegen aber woanders, wenn man beispielsweise das Trautonium oder Buchlas erste Electronic Music Box für das San Francisco Tape Music Center betrachtet. Dass Moog eine Tastatur nutzte, war schlicht der technischen Einfachheit dieses Eingabemediums geschuldet, oder kurz: Gelegenheit machte in diesem Fall nicht Liebe, sondern Tastatur.


Die Tastatur stand und steht lediglich im Wettbewerb mit jeder anderen Eingabemethode dynamischer Noten. Hat bislang die Nase vorn, weder Saiten noch Schlag- und Druckflächen, auch keine Blaswandlung konnte sich entsprechend durchsetzen. Wir erinnern uns an das geniale Alpha Piano, das ist sogar durchgefallen, obwohl es m.E. ein super interessanter evolutionärer Schritt war.

Und weil Tastenleute nicht über einen Kamm zu scheren sind, sondern hier als Pianist, dort als Organist, und andernorts als multipel talentierter Tastenmann erscheinen, hat sich das einfach ein bisschen diversiviziert. Der Missbrauch der Hammond durch Emerson hat das Ding aus der für sie eigentlich vorgesehenen Location Chapel geholt, das Clavinet musste sich statt mathematischer Kompositionen für Cembalo einen Stevie Wonder mit Superstition sehr funky gefallen lassen, und an dieser Stelle ist der Synthesizer noch dabei, sich mal hier und mal dort ordnungsgemäß zweckentfremden zu lassen. Schubladen scheinen sich diesem Chamäleon schon selber zu sträuben, einen da reinzulassen. Hier pianistische Spielweise mit Frog Quaksound, dort Single Note Solo mit multipler Controller Arie, und ganz woanders zeit- und publikumsvergessene Klangwanderungen, wo etwas anderes als Legato gar nicht vorkommt, 16tel Noten eher unbekannt sind.

Ich finde es übrigens super spannend, ein Zeitgenosse der Entwicklungsgeschichte eines neuen Instrumentes zu sein und das einfach nur zu beobachten. Auf dem Akustiksektor kenne ich das aus jüngster Zeit nur von der Handpan.
 
Ich finde es übrigens super spannend, ein Zeitgenosse der Entwicklungsgeschichte eines neuen Instrumentes zu sein und das einfach nur zu beobachten. Auf dem Akustiksektor kenne ich das aus jüngster Zeit nur von der Handpan.
Das Schlimme an der Handpan ist nicht das Instrument selbst – ich erinnere mich da mit Freuden an ein Konzert von Anoushka Shankar, begleitet unter anderem von Manu Delago an gleich zwei dieser Instrumente –, das Schlimme ist die Unzahl ungepflegter Neu-Hippies, die meinen, mit ihrem uninspirierten Handpan-Gedengel auch noch den letzten lauschigen Ort zu jeder Tages- und Nachtzeit seiner köstlichen Ruhe berauben zu müssen.
 
Das Schlimme an der Handpan ist nicht das Instrument selbst – ich erinnere mich da mit Freuden an ein Konzert von Anoushka Shankar, begleitet unter anderem von Manu Delago an gleich zwei dieser Instrumente –, das Schlimme ist die Unzahl ungepflegter Neu-Hippies, die meinen, mit ihrem uninspirierten Handpan-Gedengel auch noch den letzten lauschigen Ort zu jeder Tages- und Nachtzeit seiner köstlichen Ruhe berauben zu müssen.


Ja, ist zwar Nebenkriegsschauplatz, aber das ist tatsächlich leider so. Obwohl man das schon von Conga- und Bongosessions kannte, es hat bislang nicht zu einem Verbot gereicht :)

Natürlich ist es unser gemeinsamer Wunsch, dass sowas mit elektronischen Musikinstrumenten nicht vorkommt. Aber wie so oft verschwinden Wünsche auch mal unerfüllt sang- und klanglos im Weltall.

Aber bevor mein vorheriger Eintrag missverstanden wurde: Ich schrieb von der Entwicklungsgeschichte des Instrumentes, nicht von denen, die sich musikalisch daran versuchen. Es ist durchaus interessant, zumindest für mich, den Bearbeitungsmethoden der Materialien, den Experimenten mit Skalen und Stimmungen sowie der Anzahl der Tonfelder usw. beizuwohnen und deren jeweilige Praxistauglichkeit aus Sicht der Musiker mitzuerleben. Auch ob das mal "elektronisiert" wird, ob es kleinere Varianten gibt usw. usf. Tolle Sache!
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Hat bislang die Nase vorn, weder Saiten noch Schlag- und Druckflächen, auch keine Blaswandlung konnte sich entsprechend durchsetzen. [...]

Weil dank Wendy Carlos und in ihrem Kielwasser zahllose andere den Synthesiser mit Tastatur spielten und die naive Öffentlichkeit glaubte, daß man mit diesem Gerät entweder ganze Orchester arbeitslos machen könne oder auf Tastendruck das Universum implodiert.

Der Synthesiser als solcher kann nichts dafür, daß die Rezipienten in der Regel doof sind -- oder ihrer Zeit um 300 Jahre hinterher hinken: Daß Synthesiser mit alternativen Steuerungsmitteln durchaus ihren Platz und ihren Nutzen haben, beweisen diverse Konzepte von Buchla über Serge und EMS bis hin zu Ondes-Martenot-artigen Controllern. Nur findet sich das eben nicht im Mainstream eine jazzenden, fiedelnden oder tutenden Clique von Unterhaltungsmusikern.

Stephen
 
  • Daumen hoch
M.i.a.u.: DSP
Zu Aydin Esen:

Hochvirtuos mit Null Inhalt...

Leider das klassische Problem großer Virtuosen; er spielt auch nicht wirklich Synthesizer sondern im Prinzip Klavier mit bißchen Aftertouch.

War auch bei Chick Corea schon immer das Problem, wenn er auf einen Synthesizer gewechselt ist.
Diese Jungs kommen so dermaßen vom Klavier her, dass sie von ihrer Spielweise und Denkart den Synthesizer nur als ein erweitertes Klavier gesehen haben.
Da findet keine wirkliche Soundgestaltung statt oder ein tieferes befassen mit den expressiven Möglichkeiten des Instruments.

Da war Joseph Zawinul (neben George Duke) einer der wenigen, der es hingekriegt hat, trotz höchster Virtuosität Synthesizer wirklich auszureizen und etwas anderes mit ihnen zu machen (vor allem in den 70ern).
"Hochvirtuos mit Null Inhalt"... Aussagen dieser Art führen zu keiner geistreichen Diskussion und könnten ausgeprägte Ignoranz unterstellen. Esen ist sicherlich ein absolutes Ausnahmetalent an den Tasten (unabhängig von der zugrundeliegenden Klangerzeugung!)... nach Möglickeit mal durch sein Werk arbeiten - auch als Sideman immer interessant, was der Gute da abliefert. Wenn es einem rein musikalisch nicht gefällt, ist das in Ordnung... mit Inhaltslosigkeit zu argumentieren eher nicht.

Hab ihn vor einer halben Ewigkeit mit Jonas Hellborg live erlebt... abgefahrener Jazz-Fusion-WasAuchImmer Shit der Oberklasse.
 
Ich gebs zu. Ich habe das 1. Video nur 26 Sekunden ausgehalten.
Das geht mir genauso auf den Sack wie Gitarren Solos.
Bin eher der Typ der Mut zur Lücke gut findet, anstatt, da passen noch ein Haufen Noten rein.
Ob das Gezigte virtuos ist, lass ich mal dahingestellt.
Mir kommt sowas oft nur wie Sebstdarstellung vor, a la, seht her was ICH alles kann.
 
Weil dank Wendy Carlos und in ihrem Kielwasser zahllose andere den Synthesiser mit Tastatur spielten und die naive Öffentlichkeit glaubte, daß man mit diesem Gerät entweder ganze Orchester arbeitslos machen könne oder auf Tastendruck das Universum implodiert.
"There were dollar signs in the electrified air. With commercial music producers believing 'it couldn't be the artist – it had to be the machine,' the switched-on copycat industry was born. It resulted in literally hundreds of albums being rushed out that all used the Moog in some way, shape or form. Musicians and recording industry hopefuls wanted part of the Moog action in order to replicate Carlos's success."
(Trevor Pinch, Fank Trocco: Analog Days. The invention and impact of the Moog Synthesizer. Harvard University Press, Cambridge MA 2002. Seite 149-150)

"Walter Sear hatte sich die Madison Avenue hoch und runter geschuftet und kommerziellen Musikproduzenten, die für Werbeagenturen arbeiteten, Modulsysteme verkauft. 1968 hatte er ungefähr 40 Kunden, aber dann kam Switched-On Bach raus, und die Kacke war am Dampfen. Jeder Plattenproduzent mußte 1969 unbedingt eine Moog-Platte haben. Wir bekamen Aufträge von CBS, NBC, Elektra und einer Menge anderer Typen. Und die Jungs wollten nicht einfach "eins von diesen und zwei von jenen Modulen". Sie sagten: "Ich brauch' Dein größtes System" und erwarteten, daß sie Geld machen würden wie die Carlos. Ich könnte Ihnen einige dieser Platten vorspielen. Ein paar kann man sich noch anhören, aber meistens war es zynischer, alberner, opportunistischer Mist: Würfel eine Gruppe zusammen, nimm ein paar Streicher, Bläser und Vocals auf und laß ein bißchen Platz für neuartige Melodie-Linien vom Synthi. Das in etwa war die Szene '69. Moog-Platten."
(Connor Freff Cochran, Bob Moog: The Rise and Fall of Moog Music. Shuffle off to Buffalo. Zuerst erschienen in Mark Vail: Vintage Synthesizers. Miller-Freeman, San Francisco 1993. Zitiert wurde die deutsche Übersetzung von Wieland Samolak, siehe http://www.elektropolis.de/ssb_moogstory.htm)
 
  • Daumen hoch
M.i.a.u.: DSP
Diese versierten Techniker (Rudess, Paich, Porcaro, Norlander, Wakeman, Emerson, Boddicker, Philinganes, Sancious, Payne und wie sie alle heißen) haben mich immer irgendwie kalt gelassen, wahrscheinlich, weil sie so perfekt sind und in einer Liga spielen, in die ich auch mit viel Üben niemals gehören werde.

Sie zeigen keine Schwäche(n), das macht sie in meinen Augen nicht sehr sympathisch -- da kann mich die Versiertheit, mit der sie ihr Handwerk beherrschen, nicht drüber hinwegtäuschen. Wenn ich sowas wollte, könnte ich auch Anne Sophie Mutter anhimmeln, oder irgendeinen Opernschreihals.

Es kommt also noch hinzu, daß sie Musik machen müssen, die mich anspricht -- bloß einen Synthesiser rumstehen zu haben, reicht für mich nicht aus. Das ist aber streng subjektiv und prima dazu geeignet, mich für ein ebenso ignorantes wie arrogantes Arschloch zu halten.

Bitte sehr.

Stephen
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Schlimme an der Handpan ist nicht das Instrument selbst – ich erinnere mich da mit Freuden an ein Konzert von Anoushka Shankar, begleitet unter anderem von Manu Delago an gleich zwei dieser Instrumente –, das Schlimme ist die Unzahl ungepflegter Neu-Hippies, die meinen, mit ihrem uninspirierten Handpan-Gedengel auch noch den letzten lauschigen Ort zu jeder Tages- und Nachtzeit seiner köstlichen Ruhe berauben zu müssen.
"Das Schlimme an dem $Synthesizer ist nicht das Instrument selbst – ich erinnere mich da mit Freuden an ein Konzert von $XYZ, begleitet unter anderem von $123 an gleich zwei dieser Instrumente –, das Schlimme ist die Unzahl ungepflegter Neu-$Hippies, die meinen, mit ihrem uninspirierten $Synthesizer-Gedengel auch noch den letzten lauschigen Ort zu jeder Tages- und Nachtzeit seiner köstlichen Ruhe berauben zu müssen."

Ich glaube, dieser Satz beinhaltet eine allgemeine kosmische Wahrheit und somit auch Schönheit jenseits von Zeit und Raum.
Vielen Dank @serge

:peace: :verliebt:
 
Hier mal ein (sehr posiges) Beispiel für virtuoses eigenständiges Synthesizer Spiel (und George Duke ist ein Wahnsinns-Pianist, der es aber geschafft hat, über das Klavierspiel hinauszugehen)

http://youtu.be/CFgHr3EX0Ls


Oder hier mal Joe Zawinul, der Meister des „play electric, sound akustik“

ARP 2600 Solo ab 3:01


http://youtu.be/fbQOVUvmnfk


Zawinul war übrigens einer der virtuosesten Pianisten, die ich je gehört habe; er hat halt nur fast nie Klavier gespielt...

Gruselig hochvirtuos ab 4:01



http://youtu.be/xBBaMyRSDdc
 
Ich gebs zu. Ich habe das 1. Video nur 26 Sekunden ausgehalten.
Das geht mir genauso auf den Sack wie Gitarren Solos.
Bin eher der Typ der Mut zur Lücke gut findet, anstatt, da passen noch ein Haufen Noten rein.
Ob das Gezigte virtuos ist, lass ich mal dahingestellt.
Mir kommt sowas oft nur wie Sebstdarstellung vor, a la, seht her was ICH alles kann.


Bei manchen Leuten kommt das genau so an.

Selten beim normalen Publikum, eher bei den Gigpolizisten und Musikern, die einfach lausige Spieltechnik haben. Wer ehrlich ist, gibt das auch irgendwann mal zu. Vielleicht nicht in einem öffentlichen Forum, wo jemand meint, das Gesicht zu verlieren, wenn er das mal einräumt.

Wer virtuose Musiker kennt oder selber einer ist, lächelt da. Denn diese Projektion einer angeblichen Absicht hat mit der individuellen Person ja nichts zu tun, sondern behauptet das aus dem luftleeren Raum heraus. Es gab hier schon Leute mit Schnappatmung, die beim Theme Musiktheorie derart am Rad gedreht haben, dass sie sich erst in eine Reihe sinnloser Diskussionen verstiegen und dann sich hier abgemeldet haben. So tief geht das für manche Leute in die Abteilung Selbstbewusstsein. Anstatt einfach nur sein eigenes Ding zu machen. Das kennt nämlich weder Fremdansprüche noch Leistungszwang, der normale Wille und Eigenanspruch genügt. Erfahrungsgemäß hat da auch jeder selber genug zu tun, anstatt sich noch damit beschäftigen zu wollen, was jemand anderes kann oder nicht oder wie dessen Fähigkeiten von oben herab betrachtet denn einzustufen sind. Das geht nach hinten los, wenn man mit einer coolen und sehr groovigen Bassline antwortet, denn das spricht für sich, nicht das, was einer in einem Forum so daherfaselt.
 
@Klaus P Rausch
Hm, nun könnte man aber darüber diskutieren, ob mit virtuos nur der technische Aspekt, die perfekte Beherrschung eines Instruments, bezeichnet wird oder ob da auch was Gefühlvolles bei rumkommen soll, das den Hörer anspricht. Ich persönlich kenne jemanden, der sein Klavier sehr gut beherrscht, besonders musikalisch finde ich den aber nicht, da kommt bei mir nix an.Und so geht mir das bei vielen Solis, Technik gut aber hat mich nicht berührt, eher genervt.
 
@Klaus P Rausch
Hm, nun könnte man aber darüber diskutieren, ob mit virtuos nur der technische Aspekt, die perfekte Beherrschung eines Instruments, bezeichnet wird oder ob da auch was Gefühlvolles bei rumkommen soll, das den Hörer anspricht. Ich persönlich kenne jemanden, der sein Klavier sehr gut beherrscht, besonders musikalisch finde ich den aber nicht, da kommt bei mir nix an.Und so geht mir das bei vielen Solis, Technik gut aber hat mich nicht berührt, eher genervt.


Das ist im Grunde alles Sache des Musikers.

Die Erwartung Gefühlvolles usw. ist Zuhörerposition und klar Geschmacksache. Manche Leute mögen ultraflinke Fingerchen, das kann man sich bei jedem Gig von Stochelo Rosenberg oder Bireli Lagrene ansehen. Da gibts regelmäßig Szenenapplaus für abgelieferte 32tel Skalen.

Anderen Leuten ist sowas einfach zuviel, das wird dann als eine Art Grundrauschen empfunden, deren Gehirn verarbeitet sowas nicht.

Hab vor ein paar Tagen zufällig wieder mal einen Frank Zappa Titel gehört, das war mir für den Moment auch eine Idee zuviel orchestrierte Partitur.

Aber ich bin selber Musiker, ich habe Zappa nichts zu sagen, der macht sein Ding und ich meins. Mit dem Unterschied, dass er tot ist und ich nicht. Bei mir diktiert der Song, was zu spielen ist. Wenn der Song perlende Arpeggien verlangt und synkopierte Basslines, dazu auf Kommando ein tierisches und etwas breitbeiniges Synthsolo, danach ein ultra groovendes Clavinet, gefolgt von einer 1 Minute andauernden Fläche ohne jegliche Akkordprogression, dann mache ich das so. Und wenn trotz passabler Spieltechnik etwas nicht auf Anhieb klappt, dann wird solange geübt, bis es klappt. Aber auch hier: Das ist mein Ding. Jemand anderes kann sich mit langgezogenene Drones befassen, im Steve Reich Modus wo es subtile Veränderungen im Verlauf von gefühlten 400 Takten gibt usw.. Dann ist das dessen Ding und geht mich einen feuchten Kehrricht an.
 
hmmmmm - ist doch eigentlich nur Geschmackssache? Persönlich sind mir "Lebendige" Musiker auch lieber, als "schnelle Perfektionisten". Andererseits kann auch kalte brilliante Technik ihren Reiz haben.

Imho ist Wakeman ein Kristallisationspunkt für beide Welten. Er kann die "leblosen" perfekten Läufe, aber er kann auch anders - auch solche an sich drögen "Chopin-fällt-die-Treppe-rauf-und-runter" - Leitern lebendig rüberbringen.

Wir können das Ganze sogar noch weiter eindampfen: soll z.B. ein beliebiges Brandenburgisches Konzert überhaupt leben/atmen/swingen … , oder soll es eher gezirkelt-abgemessen streng korrekt aufgeführt werden? Ich grübele seit ewigen Zeiten über Switched on Bach: Revolution, da "Klassik" mit Synths gebracht wird. Ich schätze Wendy Carlos. Trotzdem ist mir Switched on Bach zu "steril". Frage aller Fragen: muss das so, ist das schon im "Geist" der Stücke begründet, und wäre eine "swingendere" Aufführung Häresie, oder ist Bach im Geiste ein Jazzer gewesen, und muss da mehr "Leben" rein?

Um an @Klaus P Rausch anzuknüpfen: schön, hier mal wieder Namen wie Rosenberg oder Lagrene zu hören, ich könnte auch gern noch Joscho Stephan hinzufügen. Klasse Techniker, und natürlich gibt's auch von mir fetten Applaus für 32tel Skalen. Wenn es denn aber fast nur noch 32tel Skalen gibt, wird das irgendwann öde. Ich brauche den Wechsel, damit es nicht langweilig wird. Und mich langweilen die schnellen Virtuosen leider sehr schnell.

Ich mag übrigens den hier ganz gern; Virtuosität muss nicht notwendig 240 BPM bedeuten:

 
Könnte das Bild zur Musik manchmal/oft deren Handicap sein? Wie der (schlechte) Film zum Buch?
Ich höre die Musik: Wow, die berührt mich!
Dann sehe ich den Musiker und wie er spielt - den mag ich auf Anhieb nicht und seine Musik hat plötzlich einen unangenehmen Beigeschmack.
 
hmmmmm - ist doch eigentlich nur Geschmackssache? Persönlich sind mir "Lebendige" Musiker auch lieber, als "schnelle Perfektionisten". Andererseits kann auch kalte brilliante Technik ihren Reiz haben.

Imho ist Wakeman ein Kristallisationspunkt für beide Welten. Er kann die "leblosen" perfekten Läufe, aber er kann auch anders - auch solche an sich drögen "Chopin-fällt-die-Treppe-rauf-und-runter" - Leitern lebendig rüberbringen.

Wir können das Ganze sogar noch weiter eindampfen: soll z.B. ein beliebiges Brandenburgisches Konzert überhaupt leben/atmen/swingen … , oder soll es eher gezirkelt-abgemessen streng korrekt aufgeführt werden? Ich grübele seit ewigen Zeiten über Switched on Bach: Revolution, da "Klassik" mit Synths gebracht wird. Ich schätze Wendy Carlos. Trotzdem ist mir Switched on Bach zu "steril". Frage aller Fragen: muss das so, ist das schon im "Geist" der Stücke begründet, und wäre eine "swingendere" Aufführung Häresie, oder ist Bach im Geiste ein Jazzer gewesen, und muss da mehr "Leben" rein?
Ich kann Dir den folgenden Text empfehlen:
HISTORISCHE AUFFÜHRUNGSPRAXIS – EINST UND HEUTE

Ein Auszug aus Wikipedia:
"Viele der noch heute gebräuchlichen Instrumente wurden in der Barockzeit entwickelt. Die barocken Formen dieser Instrumente unterscheiden sich jedoch im Klang beträchtlich von ihren Nachfahren, da ein anderes Klangideal vorlag, bei dem Instrumente an die menschliche Stimme erinnern sollten. Streichinstrumente (Barockvioline), aber auch Holzblasinstrumente klangen allgemein leiser, weniger strahlend und tragfähig, dafür aber weicher und modulationsfähiger in der Klangfarbe."
https://de.wikipedia.org/wiki/Barockmusik

Beim bekannten "Das Wohltemperierte Klavier" von J.S. Bach fehlen die Vortragsbezeichnungen, also wie die einzelnen Sätze vorzutragen (leise-laut, traurig-lustig, etc.) sind.
Ebenso fehlt die Angabe, für welches Instrument das Werk geschrieben wurde. Das Klavier, so wie wir es heute kennen, gab es damals noch nicht.
Doch genau dies gibt Raum für Interpretation, besonders schön beim Präludium BWV 847 zu hören:
Chiara Massini - Cembalo
Glenn Gould - Klavier
Wim Winters - Clavichord
Willem van Twillert - Pfeifenorgel (Summit-Besitzer achten bitte auf die Tastatur :P
 
Danke @hugo.46.im_toaster ; die Problematik der Aufführungspraxis ist mir durchaus bekannt :). Aber Deine vier Beispiele sind interessant, genau das, was ich meine. Sicher bleibt immer die Frage nach dem "was ist richtig", "wie würde es der Komponist aufgeführt haben wollen", aber die Frage wird wohl unbeantwortet bleiben. So bleibt eigentlich nur, sich z.B. an den obigen vier Varianten zu erfreuen und die Vielfalt zu genießen :)

\Edit: ich habe mir die vier Tracks nochmal in Ruhe angehört; klasse Beispiele, jeder Track für sich einfach gut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß, daß die meisten hier das genauso kacke finden werden wie ich einige der hier gezeigten Beispiele, aber ich wäre froh, wenn ich a) annähernd so spielen könnte, b) so einen Spielplatz zum Arbeiten hätte und c) auch noch ein paar weitere Instrumente beherrschen würde:



Das kommt meiner Vorstellung von Virtuosität und Musikalität am nächsten.

Ist aber nur meine Meinung und kein Progrock. Oder Klassik.

Stephen
 
Ist aber nur meine Meinung und kein Progrock. Oder Klassik.
Ich finde es sinnlos, solche stilistischen Grenzen aufzubauen. Habe mich dagegen immer gewehrt. Es gibt nur gute oder schlechte Musik. Punkt. Nicht Rock oder Klassik oder Elektronik oder so etwas. Virtuosität ist dabei nur ein Teilaspekt der Frage, ob etwas gute Musik ist.

Um Herrn "Falco" zu zitieren: "Die Frage bei der neuen Musik muss lauten. A. Ist es neu? B. Ist es wirklich ´neue´ Musik?"

Das beinhaltet im Grunde alles. Musik ist Kunst dann, wenn sie virtuos ist UND neu! Wenn sie Musik ist UND "neue" Musik.
 
Ich finde es sinnlos, solche stilistischen Grenzen aufzubauen. Habe mich dagegen immer gewehrt. Es gibt nur gute oder schlechte Musik. Punkt. Nicht Rock oder Klassik oder Elektronik oder so etwas. Virtuosität ist dabei nur ein Teilaspekt der Frage, ob etwas gute Musik ist.

Um Herrn "Falco" zu zitieren: "Die Frage bei der neuen Musik muss lauten. A. Ist es neu? B. Ist es wirklich ´neue´ Musik?"

Das beinhaltet im Grunde alles. Musik ist Kunst dann, wenn sie virtuos ist UND neu! Wenn sie Musik ist UND "neue" Musik.
Warum kann Musik, die nicht virtuos ist, keine Musik Kunst sein? Verstehe ich gerade nicht....
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde es sinnlos, solche stilistischen Grenzen aufzubauen. Habe mich dagegen immer gewehrt. Es gibt nur gute oder schlechte Musik. Punkt. Nicht Rock oder Klassik oder Elektronik oder so etwas. Virtuosität ist dabei nur ein Teilaspekt der Frage, ob etwas gute Musik ist.

Um Herrn "Falco" zu zitieren: "Die Frage bei der neuen Musik muss lauten. A. Ist es neu? B. Ist es wirklich ´neue´ Musik?"

Das beinhaltet im Grunde alles. Musik ist Kunst dann, wenn sie virtuos ist UND neu! Wenn sie Musik ist UND "neue" Musik.

Was ist neu?

Ein lesenswerter Artikel aus "der Freitag" zu Carlo Gesualdo, einem Komponisten der Renaissance, der erst in der neueren Zeit eine Renaissance erlebte :)

Vorab das Resümee:
"Im Hinblick auf die Frage nach der Modernität Gesualdos ergibt sich eine dreifache Antwort. Er ist modern nach den ästhetischen Kriterien des Extremismus und der Grenzüberschreitung des 20. Jahrhunderts, er ist unmodern nach einem Selbsterneuerungsbegriff wie ihn auch Gesualdos Zeitgenossen verstanden und er ist vormodern in seiner rückwärts gewandten Sehnsucht nach einer aus dem Mittelalter noch herüber klingenden Welt des Aufgehobenseins in einer religiösen Vertikalspannung."

Ausserdem:
Gesualdo und die „chromatische Bewegung“
Für heutige Ohren hören sich manche Passagen in Gesualdos Musik erstaunlich modern an. Ein Grund dafür liegt in der Begeisterung des Fürsten für die „chromatische Bewegung“, die besonders in Ferrara blühte. Ihre Anhänger wollten aber nicht mit der Tradition brechen, sondern versuchten – ganz im Geist des Renaissance –, die antiken griechischen Tongeschlechter mit allen ihren ursprünglichen Zwischentönen bzw. Farben (chroma = griech.: Farbe) neu zu beleben. Ein Mittel dazu war die Aufteilung der Tonleiter in mindestens 19 statt der üblichen 12 Tonschritte. Es wurden sogar chromatische Cembali mit zusätzlichen Tasten gebaut, von denen Gesualdo eines besaß.
Quelle: https://www.rondomagazin.de/artikel.php?artikel_id=60

Ein Werk von Gesualdo für Steichinstrumente transkribiert:



Es gibt noch andere erwähnenswerte Zeitgenossen, die sich mit der Chromatik befassten wie z.B. Orlando di Lasso, Nicola Vicentino, Emilio de’ Cavalieri oder Cipriano de Rore.
 


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