Markus Berzborn schrieb:
Das ich ja auch genau der Grund, warum ich so kritisch gegenüber "Emotionen in der Musik" eingestellt bin. Bei dem einen kommt ein Musikstück so an und bei dem anderen so - und die Emotionen des Musikers oder seine Intentionen stehen dann wieder auf einem anderen Blatt.
Gruß,
Markus
Ich glaube, die Wahrnehmung eines Stückes Musik ist generell individuell verschieden. Von daher ist es auch nicht sinnstiftend, beim Musikmachen auf bestimmte Assoziationen beim Hörer abzuzielen, denn der Schuß geht unter Umständen auch ganz übel nach hinten los.
Ich muß immer daran denken, wie ich mich eine Weile mal oberflächlich für Metal in allen seinen Spielarten interessiert habe und mir alle erzählten, wie unheimlich, böse und finster doch Slayer wären... ich habe mir beim Hören von Slayer-Platten regelmäßig vor Lachen in die Hosen gepißt und empörte meine Mitmenschen mit der Äußerung, das wäre wohl "Hammerdollenpolka"... ich fand das so lächerlich, so überzogen, wie ein Film, der zu schnell abläuft und irgendwelche Häschen noch schneller hoppeln. Und *dünn* klingt das stellenweise, die "South of Heaven" oder "Reign in Blood" klingen ja völlig anämisch. Hätte Rick Rubin mal machen sollen, vielleicht hätte der noch was gerettet...
Ich glaube, es ist eher so, daß die Frage entscheidend ist, in welchem Zusammenhang die Musik kommuniziert wird. Zu meinem persönlichen Leidwesen muß ich feststellen, daß sich die Erwartungshaltung der Hörer dahingehend verselbständigt hat, daß sie jetzt -- egal, was ich mache -- schon von Anfang an mit der Schere im Kopf an die Musik herangehen und irgendwas Finsteres auf Gedeih und Verderb hineininterpretieren wollen, bloß, weil ich mal in einer postpubertären Anwandlung meine Musik in den Kontext von "doombient" gestellt habe. Diese aufprojizierte Erwartungshaltung macht es einem verdammt schwer, die Leute zum Umdenken und Loslassen ihrer Erwartungshaltungen zu bewegen. Soviel zum Thema "Absichten beim Musikmachen", das kann auch ganz übel zum Eigentor werden.
Eine Platte, die ich noch immer unheimlich finde, ist die "Heresy" von Lustmord, weil ich nicht genau weiß und nachvollziehen kann, *wie* er sie gemacht hat. Ich weiß nur, daß sie Field Recordings von Konzerten und Arbeiten in Höhlen, Bunkern, Kirchen und Bergwerken enthält, aber die Art und Weise, wie der jeweilige Raum seine eigene Charakteristik der Musik aufprägt, ist z. T. sehr verstörend.
Ich glaube, das ist auch einer der Gründe, weshalb die Art von Musik, wie ich sie mache, von vielen weitestgehend unvorbelasteten Hörern als "unheimlich" oder "depressiv" beschrieben wird... da steckt nur sehr wenig drin, was sich z. B. mit traditionellen, vertrauten Klangfarben oder musikalischen Mustern assoziieren läßt. Ich denke, das ist vielleicht auch ein Grund, weshalb in Horrorfilmen meist ein ziemlich bieder-traditioneller Orchester-Soundtrack läuft, damit den Leuten nicht völlig angst und bange wird. Ein letzter Strohhalm aus Vertrautem, an den sie sich klammern können. Eine Ausnahme, an die ich mich da erinnern kann, war, glaube ich, der erste Teil von "Saw". Aber ich schweife ab.
Stephen