Elektronischer Jazz

Hey ich wollte euch fragen, ob ihr vielleicht ein paar Sachen kennt, was elektronischen Jazz angeht. Mich interessiert vor allem Jazz mit analogen Synthesizern, weil ich aber fast nichts kenne, wollte ich euch mal fragen, ob ihr was empfehlen könnt.
 
Marcus Miller ist (ja) noch ein interessanter Musiker mit nicht allzulangweiliger Musik, aber umwerfend isses bestimmt nicht.

Mal ganz ehrlich, solche Leute wie Miles Davis fehlen einfach im Jazz .... es ist ja längst nicht so, dass mir alles von dem gefällt, allerdings hat er einiges an völlig Neuem geschaffen --- im Prinzip bin da auch völlig zufrieden, wenn nur auf jeder 2. Platte nur 3 von 10 Kompositionen genial oder faszinativ gut und/oder unerreicht neu sind


gruss, desynthese
 
trilok gurtu war ne zeit lang richtig gut. der kam aus der ecke ralph towner und oregon. die späteren sachen die ich kenne von diesen leuten sind aber allesamt lasch.

ich kann nur immerwieder Nils Wogram empfehlen. Einer der wenigen großen jazzer die sich noch nicht in der Leichenstarre befinden. :)

ich glaub der umbruch mit miles davis' "bitches brew" hat grundlegend was geändert im jazz. die ganzen leute die auf der platte zusammengespielt haben sind danach alles Stars geworden und haben Bands im moderneren sinne gemacht. das lief zwar alles noch unter jazz aber die unterstile wurden explosionsartig mehr. wogegen davor sich die stile auf 2-3 hauptströmungen beschränkten.

ich find die platte garnicht so toll. die sachen direkt davor mit hankock am klavier sind dagegen genial. "the sorcerer" is aber keine elektronik dabei :)

elektrojazz fällt mir ehrlich garnichts ein außer uwe schmidt und streckenweise Arto Lindsay.

es gibt halt ne Menge Jazzer die schon lange mit elektronik gearbeitet haben, die nennen das aber Jazz und nicht elektrojazz.

Fred Frith
Miles Davis
Ralph Towner
.... + 100.000

man kann auch davon ausgehen dass schon zu anfangszeiten der synthesizer jazzer dran interessiert waren. die meisten hatten hatten aber wohl nicht genug kohle :)
 
Pat Metheny hat mal den Nagel auf den Kopf getroffen mit der Aussage: "Jazz ist kein Stil, sondern ein Prozess. Kein Nomen sondern ein Verb." Bill Evans (der Pianist) sagte mal in einem Fernsehinterview in den 60ern mit anderen Worten genau dasselbe. Von daher gesehen waren seiner Meinung nach improvisierende "klassische" Musiker (was immer das überhaupt heissen soll) in der Vergangenheit (also z.B. Bach, Mozart, Beethoven uvm.) ebenfalls Jazzmusiker. Die haben dann halt vieles notiert, weil's ja keine Aufnahmetechnologie gab. Heutzutage würden die vielleicht à la Keith-Jarrett-Solo-Piano auf die Bühne gehen und drauflosimprovisieren.

Diese Definition beendet all die müssigen, sinnlosen stilistischen Grabenkämpfe und betont das Wesentliche. Von daher gesehen sind dann auch die Attribute "elektronisch", "akustisch" etc. eigentlich unerheblich, weil sie am Kern der Sache überhaupt nichts ändern. Wenn jemand seine Musik ausdrücklich als "akustischen" oder "elektronischen" Jazz definiert, hat er meiner Meinung nach nicht begriffen um was es geht.

Und NuJazz ist nur was für junge Leute, die keine Ahnung von der Geschichte haben, und daher nicht wissen, dass Miles Davis sowas schon vor 30 Jahren gemacht hat. :lol:

Undergrind schrieb:
Gegenbeispiele:
-Nils Wogram,
-Simon Nabatov

Jazz war ursprünglich sowas wie Wagnis, Verrücktheit, Unberechenbarkeit.

Seitdem es aber als Intellektuell gilt sind all die Adjektive verschwunden gegangen.

ChampagnerJazz nenn ich sowas. Wo alle nur darauf bedacht sind keine falsche Note zu spielen.
Glaub mir, Nils und Simon sind meist durchwegs sehr darauf bedacht, keine falschen Noten zu spielen. :)

Undergrind schrieb:
trilok gurtu war ne zeit lang richtig gut. der kam aus der ecke ralph towner und oregon. die späteren sachen die ich kenne von diesen leuten sind aber allesamt lasch.

DeSynth.ese schrieb:
(Es ist doch echt schade, dass aus dem Jazz echt nix mehr kommt außer Schlafwagen-Musik ...)
Es sind halt nicht alle gleich empfänglich für Subtilitäten. :) Leute wie Ralph Towner und Paul McCandless haben ihre Instrumente klassisch studiert und sind halt ausserordentliche Schöngeister. Bitte Schöngeist aber nicht mit Substanzlosigkeit verwechseln. Das eine ist Geschmackssache, das andere objektivierbar. "Northwest Passage" von Oregon hat z.B. fantastische Kompositionen, halt eben sehr schöngeistig gespielt. Klingt alles so einfach und lieblich. Spätestens wenn man das dann aber mal transkribieren oder gar nachspielen will, kommt das grosse Erwachen.
 
kennt jemand musik, die aus der jazztradition stammt - also blues/jazz harmonien und schwarze rhythmik/groove verinnerlicht hat - und aus elektronisch hergestellten klangimprovisationen bestellt?

also bei around the corner, bitches brew etc. sinds ja einfach ein paar instrumente mit effekten, auch mal ein lead synth, die man halt "keyboardmäßig" spielt. sun ra geht da schon wesentlich weiter.

gibts da was modernes? live? außer bugge?
 
klar, dass die ihre instrumente beherrschen weiss ich. ich kann nicht viel mit dem begrfiff schöngeist anfangen. auch wenn es anspruchsvoll ist kann ich es ja langweilig finden. gerade keith jarret lässt ja viele musikliebhaber im himmel schweben. mich berührt es allerdings garnicht (mehr).

das war mal anders, hab mal einen großen teil des kölnkonzerts nachgespielt. da gabs mal die noten. im nachhinein betrachtet war das ne etwas zwiespältige sache, denn das konzert war zwar notiert, aber die musik passierte eigentlich nur auf dem originalkonzert. andererseits hab ich viel gelernt.

das mit den "falschen Noten" meine ich so: viele champagnerjazzer heute (oft studiomusiker die irgendne soulsängerin begleiten) find ich etwas langweilig auf konzerten. das ist so ne mischung aus routine und floskeln. wogegen nils wogram und nabatov imo nicht damit beschäftigt sind kkeine falschen noten zu spielen sondern eben richtige. und da kommt die intuition wieder rein die mir woanders fehlt. auch wenn die sehr durchkonstruierte arrangements und kompositionen haben. das sind für mich die subtilitäten für die ich empfänglich bin :)

tim schrieb:
Von daher gesehen sind dann auch die Attribute "elektronisch", "akustisch" etc. eigentlich unerheblich, weil sie am Kern der Sache überhaupt nichts ändern. Wenn jemand seine Musik ausdrücklich als "akustischen" oder "elektronischen" Jazz definiert, hat er meiner Meinung nach nicht begriffen um was es geht.

Sehe ich auch so. ich denke im Jazz ist elektronik ein Instrument von vielen.
 
I hear you :). Habe ja schliesslich jahrelang mehrheitlich von Champagnerjazz-Gigs gelebt. :lol: Man wird prinzipiell zur akustischen Wandtapete degradiert und lässt sich das fürstlich bezahlen. :) Kann man gut leben davon. Irgendwann vergeht einem aber dabei die musikalische Abenteuerlust -darum spielen die alle so abgelöscht. Habe mich da früh genug ausgeklinkt, da mir eine Professorenstelle angeboten wurde.

Das mit dem Jarrett ging mir ähnlich. Ich denke, das hat mit dem Alter und der Lebenserfahrung zu tun. Irgendwann wächst man aus diesem überschwenglichen Romantizismus raus. :D

So, jetzt aber fertig OT. Meine Meinung zu dem Thema:

Jazzimprovisation ist hauptsächlich eine melodisch/harmonisch/rhythmische Angelegenheit, wowährend es bei elektronischer Klangerzeugung vorallem um die Auslotung neuer Sounds geht. Die Schwierigkeit besteht hier darin, eine Balance zu finden, die keine der beiden Aspekte einschränkt. Und da muss ich sagen, habe ich noch nichts gehört, wo das wirklich gelingt -und ich glaube auch nicht dass das überhaupt möglich ist. Denn die Organisation von Tönen (also eben das Melodisch/Harmonisch/Rhythmische) kann ganz unabhängig von der Klangfarbe stattfinden. Das Extrembeispiel hierfür ist J.S.Bach, bei dessen genialsten strukturell-musikalischen Errungenschaften (z.B. das "musikalische Opfer") keinerlei Angaben gemacht sind, mit welchen Instrumenten/Klangfarben sie überhaupt gespielt werden sollen. Gibt bei ihm noch viel mehr Beispiele. Klangfarbe war ziemlich unwichtig, d.h. von der Tonmaterial-Ebene dominiert.

Auf dem anderen Extrem des Spektrums gibt es faszinierende Ambient-Tracks, die strukturell nur auf einem liegenden Akkord bestehen, und wo die Komposition einzig und allein auf der klanglichen Ebene (Verläufe etc.) stattfindet. Wechselnde Akkorde oder gar Melodien würden da nur stören. Die klangliche Ebene dominiert die Tonmaterialsmässige.

In der Mitte dieses Spektrums gibt's dann halt diese Hybride, wo halt von beiden Seiten her Kompromisse gemacht werden müssen. Wo man sich da als Hörer einklinken möchte ist dann Geschmackssache. Ich bin da eher der Tonmaterials-Typ und höre sehr gern zu, wenn Joe Zawinul mit einem quäkigen M1-Preset die abgefahrensten Linien improvisiert. Klanglich unter aller Sau :lol:.
 
sehr interessante gedanken, tim!

ich frage mich, ob man es nicht schaffen kann, doch auch klanglich zuimprovisieren. wurde auf akustischen instrumenten ja auch schon viel gemacht, ornette, auch sun ra, selbst bei gary burton gehts ja oft mehr um farben zb.

dafür kann man ja das harmonische bewusst einfach halten, so wie bei den frühen modalen sachen, zb die ersten so what aufnahmen. das ist fast nur diatonisch, melodie und farbe. überhaupt, farben spielen machen pianisten ja auch viel, brad mehldau zb, sogar mit teilweise verfremdetem klang. an sowas dachte ich.

die richtige mischung von vorbereitung und einsatz von sinnvollen controllern zur improvisation im "jazz" groove (backbeat oder nicht, swing oder nicht). verträgt wahrscheinlich auch nicht unbegrenzt viel maschinenrhythmik, die sachen von bugge mit drum machine packen mich nicht so.
 
Ich finde, die Vermählung von Sound und Tonmaterial ist anzustreben. Das findet ja z.B. bei guten akustischen Instrumentalisten schon statt, z.B. wenn ein Saxophonist bestimmte Melodienoten sound-mässig anders gestaltet um ihnen emotional ein anderes Gewicht zu geben.

Bei Elektronik hab' ich das einfach noch zuwenig gehört. Vielleicht liegt's daran, dass das halt einen Haufen Arbeit ist. Man muss einerseits instrumentaltechnisch seine paar Stunden täglich üben, und dann aber nacher noch an die Synths sitzen und schrauben und das Geübte dort implementieren -da reicht die Zeit wohl noch zum Essen und Schlafen und that's it :lol:. Ich kenne kaum Jazz-spielende Keyboarder, die die ganzen zur Verfügung stehenden Spielhilfen (Wheels, Fusspedale, Breath Controller) wirklich expressiv zu nutzen wissen, von sonstiger Klangmanipulation ganz zu schweigen. In Sachen Pitch-Bend-Technik ist seit Jan Hammer und George Duke nichts mehr gegangen. Und wer spielt heuer schon Breath-Controller? Bei der Originalversion von "Chameleon" (auf der "Headhunters"-Platte) dreht Herbie Hancock beim Solo (ARP Odyssey) bei manchen Phrasen die FM rein -total abgefahren und krank, aber macht musikalisch total Sinn. Sowas vermisse ich heutzutage.

Am ehesten fallen mir bei dieser Sache Scott Kinsey und Aydin Esen ein. Die können spielen wie der Teufel und haben in ihren Bands z.T. sehr abgefahrene neuartige Sounds an Bord, die sie auch spielerisch beherrschen.
 
man kann die problematik vielleicht an dem Begriff des "musizierens" festmachen. natürlich hat jeder wieder ein anderes bild vom musizieren, aber für mich bedeutet musizieren unter anderem eine Ausgewogene Mixtur aus Musikalischer aktion und reaktion.

ein weiterer aspekt des (qualitativ hochstehenden) musizierens ist die fähigkeit ALLE aspekte der Klangformung ohne Umweg unter Kontrolle zu haben. bei akustischen instrumenten ist das Vorhandensein eines Interface nicht nötig. Oder der klangerzeugende Körper selber ist das Interface, jenachdem was man unter Interface versteht.

dagegen ist "musizieren" in der elektronischen Musik oftmals ein Fremdwort. (das meine ich auch ohne wertung, daraus ergeben sich andere stärken und möglichkeiten)

interessanter gedanke FAB: klanglich zu improvisieren.
in diese richtung sollte es schon gehen.

bei der elektronischen musik gilt für mich: Kein Interface=perfektes Interface, aber soweit ists noch lange nicht und wie das aussehen soll weiss ich auch nicht. man müsste die elektronik anfassen können. spannend wirds allemal :)
 
Es gab mal ne Zeit da hab ich Jazz mit Innovation gleichgesetzt, dass ist aber falsch wie ich mittlerweile herrausgefunden habe. :)

Glaube das mit die hellsten Köpfe in den 40ern/50ern/60ern Jazz gemacht haben war nur Zufall. Jedenfalls hab ich das Gefühl das es sich im heutigen Jazz um andere Sachen dreht, aber nicht um Innovation...
 
daniel.b schrieb:
Es gab mal ne Zeit da hab ich Jazz mit Innovation gleichgesetzt, dass ist aber falsch wie ich mittlerweile herrausgefunden habe. :)

Glaube das mit die hellsten Köpfe in den 40ern/50ern/60ern Jazz gemacht haben war nur Zufall. Jedenfalls hab ich das Gefühl das es sich im heutigen Jazz um andere Sachen dreht, aber nicht um Innovation...

Meines Erachtens dauerte diese innovative Zeit des Jazz bis Anfang/Mitte der 90er; aber die Zahl derer, die innovativen Jazz gemacht haben, wurde jedes Jahrzehnt geringer ...

George Benson (nicht unbedingt "creativ", war aber lebendige Music), Quincy Jones (ein sehr kreatives Jazz-Pop-Album so um die 1990), Carla Bley (sehr innovativ in den 80ern), Chick Corea (war sehr impulsiv schon in den 50ern) leben doch noch ...?

Das einst wirklich innovative und creative Potential der Jazzer ist definitiv in so einige andere Genres abgewandert

gruss, desynthese
 
Es sieht oft ja so aus, dass einige Teufelsplayer nur "einen Sound spielen" und Elektroleute oft mal vergessen zu "musizieren". Der CLou ist Leute zu listen, die beides können. Wenn man das so dual sehen mag? Muss man nicht, in der Praxis ist es jedoch seltenst zu finden, dass die guten Musiker auch gute Klangbastler sind, vielen ist das zu "doof", die üben dann lieber. Viel von Tims Aussagen passen da gut ins Bild.

Worauf kommt es in Musik überhaupt an?

Aufs Interface m.E. nur ein bisschen, Sounds bauen in Realtime wäre natürlich auch etwas, was dem Jazz sehr viel gibt und geben kann. Nicht selten spielen viele heute eher Workstations oder eben mit "wie klingen denn die Sounds"-Ansatz.

Workstations haben inzwischen Funktionen, um nur einen Ton in einem Akkord zu benden mit dem Pitchbender und viel, was wir gern "Spielhilfen" nennen. Komisch, dass sowas in Synthesizern oft fehlt?

Ja, die Hancock/Chameleon Sache sehe ich wie tim, ich vermisse SOLCHEN Jazz, wo das so abgeht und man nicht in Strafjazz verfällt, und der KANN das!

Solche Platten würde ich kaufen wie ein Weltmeister. Am besten durchgängig Elektronik, aber nicht "wegen der Elektronik", sondern wegen der zusätzlichen Dimension aus einem Jazzmasterbrain.

Solang es nicht einfach nur diese Sync-"Wixereien" sind. Das kann man sicher auch cooler machen, es gibt heute ja so viel..
 
tim schrieb:
Am ehesten fallen mir bei dieser Sache Scott Kinsey und Aydin Esen ein. Die können spielen wie der Teufel und haben in ihren Bands z.T. sehr abgefahrene neuartige Sounds an Bord, die sie auch spielerisch beherrschen.

Ich habe Aydin Esen mal live als Keyboarder von Jonas Hellborg erlebt - sagenhaft! Leider habe ich bislang keine Studio- oder Liveaufnahmen von ihm gefunden. Hast Du einen CD-Tipp?
 
Ich finde, man sollte ein wenig vorsichtig sein mit der dauernder Forderung nach Innovation. Diese ist schon einwenig symptomatisch für unsere Gesellschaft. Jazz hat halt mittlerweile ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel, eine Legacy, und das ist auch gut so. Wenn Jazzer dem Innovationswahn verfallen und diese Legacy komplett über Bord werfen, finde ich das genau so unhörenswert wie das Gegenteil, wo sie in den alten Klischees hängenbleiben. Man muss beides machen -die Tradition studieren, und dann weitergehen. Der springende Punkt hier ist halt wirklich, dass es einen Haufen Arbeit bedeutet. Einerseits muss man die ganze Legacy sich einverleiben (und das dauert, bei fleissigster Arbeit, gut 7 bis 10 Jahre), und dann eben noch den noch härteren Schritt weiter gehen und sehen, wie man das heute, mit den heutigen Ausdrucksmitteln und im heutigen Zeitgeist weiterentwickeln kann. Die Innovatoren der 70er und 80er hatten da den Vorteil, einen Grossteil der Jazzentwicklung am eigenen Leibe mitgemacht zu haben -Herbie Hancock, Joe Zawinul etc.. Das hatten die schon im Rucksack. Und interessanterweise (aber eigentlich nicht erstaunlich) waren diese alle irgendwie mit Miles Davis assoziiert. Miles war meiner Meinung nach der unbestreitbare Fackelsträger dieser ganzen Ausrichtung. Der hatte die ganze Tradition drauf (da er sie ja auch wie kein Zweiter geprägt hatte), mischte aber immer vorne mit dabei. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass er, wenn er länger gelebt hätte, auch mit Leuten wie Aphex Twin & Co. Platten gemacht hätte. Und heute würde er seine Trompete vermutlich über einen Laptop mit Lemur spielen, mit abgefahrenen Max/MSP-Patches drauf. Der war so.

Als Miles 1991 starb, übernahmen die Neokonservativen unter der Führerschaft von Wynton Marsalis das Zepter des amerikanischen Jazz, und von da an ging's im Grossen und Ganzen bergab.

Innovation ohne Pflege des Vergangenen ist auch im Instrumentenbau schädlich. Welcher Performer hat schon Lust, ein neues Instrument/Performance-Interface beherrschen zu lernen, wenn dieses a)ein zwei Jahre später vom Nachfolgermodell abgelöst wird, und kein Support mehr geboten wird, und/oder b)nach ein paar Monaten des Traktiert-werdens (wie das ja beim Üben der Fall ist) ohnehin schon auseinander fällt? Ich persönlich würde z.B. live gerne langsam auf Software überwechseln, und muss aber feststellen, dass es so gut wie keine wirklich qualitativ guten MIDI-Controller-Tastaturen gibt! Das finde ich äusserst bedenklich. Man kann froh sein, wenn die überhaupt einen Continuous-Pedal-Anschluss haben. Breathcontroller-Port ist eh Fehlanzeige (ausser bei CMEs, aber die sind -mit Verlaub- Schrott). Poly-Aftertouch gibt's schon lang nimmer, Ribbon-Controller auch nicht (oder wenn, dann so schlecht dass sie innerthalb ein paar Monaten Performance-Gebrauchs durchgenudelt sind -siehe Andromeda). Und dann wundert man sich, dass es kaum Player gibt, die diese innovativen Ausdrucksmöglichkeiten nutzen wollen.

Mit anderen Worten -auch von Seiten der Industrie wird dem Performer dadurch sehr oft auch der Anreiz genommen, sich ernsthaft mit diesen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Wenn ich die Performance-Controller zB. des CS80 betrachte (auch die Regler), hat seither auf der Keyboard-Seite (also nicht Lemur & Co.) eigentlich nur noch Rückschritt stattgefunden.

Egal was ich anfasse -Novation Remote, diese fürchterlichen M-Audio Keyboards, dieser CME-Müll (...sorry an deren User, will niemanden anpissen, aber muss jetzt einfach mal Dampf ablassen :lol:...) -das ist alles einfach nur billiger Plastikschrott, wo es mich total abtörnt, damit zu üben und musizieren. Da sitze lieber wieder an den Flügel.
 
ja, miles davis würde heute noch ganz vorne mitspielen.

jazz ist wohl heute nicht mehr was es mal war. und das ist auch gut so, denn er hat sich immer gewandelt.

wichtig finde ich den gedanken: Steht die Innovation im dienste der Musik oder die Musik im Dienste der Innovation? Steht der Musiker im Dienste der Musik oder die Musik im Dienste des Musikers? Bei der Anwort auf diese Fragen trennt sich für mich die Spreu vom Weizen :) Denn die Musik wird immer ihren Weg finden, egal ob Midicontroller schlecht oder gut sind.

Der Begriff "Jazz" hat sich von einer Kunstform oder einer Lebenseinstellung zur bloßen Schublade entwickelt. Ich bin eigentlich dafür die Dinge auch mal sterben zu lassen. Das 1000. Bebop-revival muss imo nicht unbedingt sein. Was tod ist soll man auch tod sein lassen :) Ein lustiger Prof von mir hat mal 95% aller Jazzkonzerte als "Exhumierung" bezeichnet.

Im Jazzpuplikum kann man oft so ein Streben nach Sicherheit entdecken. Was dem Jazz ursprünglich fremd war. Da wird geklatscht, wenn alle klatschen und gelacht wenn der lustige Neger mit den weissen Zähnen mal ne komische Fresse zieht. Schon Louis Armstrong hat soweit ich weiss dadrunter zu leiden gehabt. Auch hier ist Miles Davis wieder ein Beispiel von Charakterstärke und Mut. Der hat sowas nicht mit sich machen lassen und wurde prompt von anderen dann als Rassist bezeichnet.

Tim, die legacy die Du ansprichst ist zweifelsohne gegeben. Allerdings halte ich es für künstlerisch sinnvoll diese auch über Bort werfen zu können. Denn ein geistiges Erbe kann auch hemmend sein, bzw. kann die Originalität des Momentes zerstören. Allerdings kann man etrst etwas über Bort werfen, wenn man weiss was es ist. :)

Midicontroller: Ich hatte gerade in letzter Zeit wieder akustische Konzerte und manche Leute verstehen einfach nicht, dass ich mich weigere auf irgendwelchen Klavinovas zu spielen, auch wenn diese 10.000€ kosteten. (a propos kann man ein brauchbares Klavier mit Glück für ein Fünftel erwerben) nach den Konzerten hats dann jeder verstanden, weil ich auch direkt auf den Saiten spiele :) (ist seit 30 Jahren ja wirklich nichts besonderes mehr). Was ich damit meine, ist, dass dass das instrument als Ganzes eine zentrale Rolle im Jazz einnimmt. Dies mit elektronik zu erreichen ist schwer. Und die Einfachheit, Unmittelbarkeit des Zusammenwirkens erzeugt In Jazz eben wichtige Momente, während der elektroniker noch den Midikanal per Dipschalter einstellt :)

Der kreative Fluss muss ungehindert sein.

Ich sehe inzwischen die Sache so: Jazz ist ne tolle Sache, ein unendlicher Fundus von dem die Musikalische Entwicklung noch Lange Zeit zehren kann. Aber Jazzklubs gibt es nicht mehr, Traditionelle Jazzkonzerte sind "Wanderausstellungen". Die Musik findet immer einen Weg. Man muss sie ja nicht Jazz nennen.
 
tim schrieb:
Mit anderen Worten -auch von Seiten der Industrie wird dem Performer dadurch sehr oft auch der Anreiz genommen, sich ernsthaft mit diesen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Wenn ich die Performance-Controller zB. des CS80 betrachte (auch die Regler), hat seither auf der Keyboard-Seite (also nicht Lemur & Co.) eigentlich nur noch Rückschritt stattgefunden.

Egal was ich anfasse -Novation Remote, diese fürchterlichen M-Audio Keyboards, dieser CME-Müll (...sorry an deren User, will niemanden anpissen, aber muss jetzt einfach mal Dampf ablassen :lol:...) -das ist alles einfach nur billiger Plastikschrott, wo es mich total abtörnt, damit zu üben und musizieren. Da sitze lieber wieder an den Flügel.
Verstehe ich nicht.
Neue Instrumente wie z.B. der Moog Voyager sind doch für Performance wie gemacht. Es braucht keinen Aftertouch oder Breathcontroller. Man kann die Parameter wie Cutoff, Reso, LFO Rate, Vibrato etc. direkt am vorgesehenen Knopf einstellen.

Denncoh gibt es nur ganz wenige Jazzer, die elektronische Musikinstrumente in ihre Performances einbauen. Meist beschränkt es sich auf ein Fender Rhodes oder eine Hammond . Synthesizer spielen die wenigsten.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass man, wenn man so viel Skalen, Akkorde, Takte und Akzente geübt hat, es sich nicht mit den Hörern verderben will, denn die sind in der Regel 50 und aufwärts und konservativ. :sad:
 
Zitat Tim:
"Ich finde, man sollte ein wenig vorsichtig sein mit der dauernder Forderung nach Innovation. Diese ist schon einwenig symptomatisch für unsere Gesellschaft."

Ja, zustimm.

Man muss natürlich ausserdem sehen, das neue Musik so einfach nicht mehr gefunden werden kann, weil das Gros an populärer Musik wurde schon vor 30 Jahren gedeckelt (durch solche Musik-Fabrikatoren wie Beatles, Stones, B. Dylan, Coltrane u. einige andere Jazzer) wurde.

Der Spielraum, den man wahrscheinlich braucht, eine neue Innovation in Music-Composing zu schaffen, ist viel enger geworden.



Zitat Tim:
"Als Miles 1991 starb, übernahmen die Neokonservativen unter der Führerschaft von Wynton Marsalis das Zepter des amerikanischen Jazz, und von da an ging's im Grossen und Ganzen bergab."

Der wurde wirklich auch von Magazinen als Nachfolger von Miles gehandelt, was für ein krasser Wechsel. -- Ist dies aber wirklich der entscheidende ausschlag für das Verschwinden von innovativen Jazz? -- Möglicherweise das Ausbleiben der Förderung des modernen Jazz?

Meines Erachtens spielt auch die Tatsache möglicherweise die Rolle, dass der Mainstream-Pop auch eine ganze Menge Jazz-Elemente einfach übernommen hat.

Außerdem die Erfindung von Acid Jazz (London), auch ca. 1990, (ist nicht Mainstream), hat aber bestimmt einen deutlichen Einfluss auch auf die amerikanische Jazz-Szene .... Versuche zu einem CrossOver zwischen Acid Jazz und eher üblichen modernen Jazz von Seite der Acid-Jazz-Szene hat es gegeben, sind aber in der Praxis gescheitert - siehe den Artikel zu Acid Jazz in der deutschsprachigen Wikipedia.

Ich bin übrigens auch begeisterter Acid Jazz-Fan ... ich hab die ersten zwei Acid Jazz-Platten des gleichnamigen Labels - und die finde ich klasse- eine erfreuliche Bereicherung

gruss, desynthese
 
Taschenmusikant schrieb:
tim schrieb:
Mit anderen Worten -auch von Seiten der Industrie wird dem Performer dadurch sehr oft auch der Anreiz genommen, sich ernsthaft mit diesen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Wenn ich die Performance-Controller zB. des CS80 betrachte (auch die Regler), hat seither auf der Keyboard-Seite (also nicht Lemur & Co.) eigentlich nur noch Rückschritt stattgefunden.

Egal was ich anfasse -Novation Remote, diese fürchterlichen M-Audio Keyboards, dieser CME-Müll (...sorry an deren User, will niemanden anpissen, aber muss jetzt einfach mal Dampf ablassen :lol:...) -das ist alles einfach nur billiger Plastikschrott, wo es mich total abtörnt, damit zu üben und musizieren. Da sitze lieber wieder an den Flügel.
Verstehe ich nicht.
Neue Instrumente wie z.B. der Moog Voyager sind doch für Performance wie gemacht. Es braucht keinen Aftertouch oder Breathcontroller. Man kann die Parameter wie Cutoff, Reso, LFO Rate, Vibrato etc. direkt am vorgesehenen Knopf einstellen.

Kommt draufan was man mit "Performance" meint. Für mich ist Performance nicht gleichzustellen mit "Parameter einstellen". Sowas geht für mich Programming, und da ist z.B. ein Moog Voyager wirklich was Tolles.

Beim Keyboardspielen ist die differenzierte Anschlagskultur das unmittelbarste und direkteste Ausdrucksmedium. Performancetauglichkeit hat für mich daher damit zu tun, wie weitreichend Velocity (aber auch andere Expressionscontroller wie Wheels, Footcontroller -und ja, auch Aftertouch und Breathcontroller) in die Klangarchitektur eingebunden werden können. Und da ist ein Voyager mit seinen zwei Modbussen recht unterbestückt (obwohl mit Pot-Mapping noch etwas mehr geht).

Genau dieser Aspekt war für mich ja ausschlaggebend, vorrangig mit Clavia-Synthies (NL3, G2) zu arbeiten, obwohl ich klanglich garkein Clavia-Fan bin. Deren Morphgruppen-Konzept ist für die Einbindung von den klassischen Performancecontrollern wie geschaffen, und lässt sich dazu noch konkurrenzlos einfach bedienen. Bei Softsynths find' ich Massive in dieser Hinsicht erwähnenswert. In den habe ich mich gerade ziemlich verguckt. :lol:
 
tim schrieb:
Ich finde, man sollte ein wenig vorsichtig sein mit der dauernder Forderung nach Innovation. Diese ist schon einwenig symptomatisch für unsere Gesellschaft.
Es geht mir um die Intoleranz im Jazz neuen Ideen gegenüber, oder bilde ich mir das ein? Kommt es mir nur so vor das sich an der klassischen Aufteilung in ner Jazz Combo nicht viel verändert hat? Möchte (wieder) ne Jazz Platte hören wo sich die Musiker den anderen unterordnen, wo das Gesamtergebniss zählt und nicht das Solo des einzelnen...

Weather Report fällt mir positiv dazu ein.
 
Taschenmusikant schrieb:
Verstehe ich nicht.
Neue Instrumente wie z.B. der Moog Voyager sind doch für Performance wie gemacht. Es braucht keinen Aftertouch oder Breathcontroller. Man kann die Parameter wie Cutoff, Reso, LFO Rate, Vibrato etc. direkt am vorgesehenen Knopf einstellen.

genau da liegt ja das Problem! dass man einen knopf braucht um den parameter einzustellen.

es ist eben was anderes einen knopf zu drehen, als zB mit dem Handballen die Gitarrensaiten abzudämpfen. Oder als Drummer mit den Sticks auf die seite der Snare zu hauen. Das ist intuition. Und das meine ich auch mit der Problematik des Vorhanden-sein-müssens eines Interfaces.

Da bleibt nur Midi (Lange Programmierung und Erwägung musikalischer Eventualitäten um heruszufinden welche Parameter irgendwann musikalisch sinnvoll sein könnten)
oder CV in verbindung mit controllern (Lichtschranken, Bewegungssensoren, ribbons usw.) + einer dynamisch spielbaren patchbay a la steckbox

was dazu kommt: nicht nur Intuition, sondern auch Impulsivität sind im Jazz wichtig. Also ein musikalischer "Wille" der sich in einer physikalische Aktion entläd. Der drummer schreit seine Hihat an, so daß die Becken zum Schwingen gebracht werden :) der saxophonist atmet nur in sein sax usw.usf.
 
Undergrind schrieb:
genau da liegt ja das Problem! dass man einen knopf braucht um den parameter einzustellen.

es ist eben was anderes einen knopf zu drehen, als zB mit dem Handballen die Gitarrensaiten abzudämpfen. Oder als Drummer mit den Sticks auf die seite der Snare zu hauen. Das ist intuition. Und das meine ich auch mit der Problematik des Vorhanden-sein-müssens eines Interfaces..

Nun, Manfred Mann lässt seinen Moog singen, schreien oder seufzen und benutzt dazu seinen linken Arm, indem er blitzschnell die Parameter morpht. Er braucht weder Breath-Controller dazu noch Touchpad oder Aftertouch.

Die Earthband kam übrigens ursprünglich aus der Jazz-Ecke und hat dann wegen mangelnden Erfolges auf Mainstream umgesattelt.

Das jemand so mit seinem Instrument verwächst wie der Mann mit dem Moog, ist heutzutage eher die Ausnahme.
Man kennt es leider nur zu gut von sich selbst. Immer wieder gibt es neues Gear, dass die Aufmerksamkeit fordert, so dass man die Möglichkeiten des Vorhandenen nie völlig ausreizt bzw. beherrscht.
 
Taschenmusikant schrieb:
Das jemand so mit seinem Instrument verwächst wie der Mann mit dem Moog, ist heutzutage eher die Ausnahme.
Man kennt es leider nur zu gut von sich selbst. Immer wieder gibt es neues Gear, dass die Aufmerksamkeit fordert, so dass man die Möglichkeiten des Vorhandenen nie völlig ausreizt bzw. beherrscht.
100% Zustimmung. Das ist auch der Grund, dass auf meiner DAW, welche ich mir vergangenen Sommer zugelegt habe, ausser Komplete5 noch nichts anderes drauf ist. Meine Kollegen knallen zig Plugs auf ihre Rechner, und benutzen am Ende nur noch Presets, da sie sich nie die Zeit genommen haben, die Plugs mal richtig selber zu programmieren. Dem einen ist dann ziemlich der Kinnladen runter, als ich ihm gezeigt habe, wie man mit Massive gezupfte Saiten baut -der wusste garnicht dass das geht. Mit Massive alleine mach ich im Moment soooviel, weil der einfach soviel kann und dabei immer hochwertig klingt. Das soll hier jetzt nicht ein Massive-Threadhijack werden :lol:, sondern nur als Beispiel dafür dienen, was alles herausschaut wenn man das Vorhandene ausreizen und beherrschen lernt, so wie Du sagst. Absynth -den habe ich erst noch vor mir. Wenn man dann noch Reaktor mit einkalkuliert, kann man sich locker ein paar Jahre lang nur mit Komplete5 beschäftigen (soll jetzt nicht nach NI-Werbung klingen :lol:.)
 
ja preset-checken ist oft echt zeitverschwendung...höchstens eins. und das dann gut analysieren. muss man sich nur für eins entscheiden und erstmal checken welches.... :lol:


nachdem ich mich jetzt eine zeitlang damit beschäftigt habe, mit vielen knöpfen sounds spontant "hindrehen" zu wollen, denke ich, es wär besser, einen sound vorher zu programmieren. ein paar gute controller, belegen, die man gleichzeitig bedienen kann (deshalb aftertouch, joystick, pedale oder mehrere fader, die eng nebeneinander liegen) und das dann üben. das braucht nur immer so viel disziplin, fast wie sonstiges üben, schrecklich... ;-)
 
Mich interessiert in dem Bereich das, was ohne den etwas abgestandenen Brötz-Verklärung auskommt, RADIKAL elektronisch ist und mit klassischen Sounds auch mal bricht, denn sonst ist das irgendwie Ragtime Knoff-Hoff-Band Dings mit anderen Mitteln, wäre schon mal interessiert, was für radikale und bahnbrechende echte Elektroniker es da heute gibt.
 
In unserer Ecke gibts noch den Pianist Wolfgang Dauner, der früher viel mit dem großen
Oberheim, dem großen EMS Synth und Ringmodulatoren arbeitete.

Beispiel CD "Changes"; aber schon ne Weile her.
 


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