Jaguar schrieb:Aber natürlich gab es auch ein paar Freaks, die tatsächlich den DX-7 aufgrund der neuen Synthesemöglichkeiten geliebt haben. Das war aber eine Minderheit. Wäre Yamaha auf diese paar Leute angewiesen gewesen, wäre der DX-7 sicherlich kein Erfolg geworden. Nein - erfolgreich wurde der DX-7 wegen zahlreichen Top40 Bands die Chicago, Toto und ähnliche Westküsten Musi nachspielen wollten.
Ein wenig lese ich zwischen deinen Zeilen eine gewisse Geringschätzung der damaligen Musik und Bands.
Ist halt wie immer eine Geschmacksfrage aber für eine "historische" Betrachtung vielleicht nicht ganz geeignet.
Gruss, Jag
Nein - so war das nicht gemeint. Da war gar keine Wertung drin. Ich finde aber, dass ein Musiker, der ein E-Piano auf einem DX-7 spielt und dazu ein paar Akkorde mit irgendeinem Streicher Multisample abfeuert, kein Synthesizerspieler nach meinem Begriffssverständnis ist, sondern ein Keyboarder. Damit sage ich nicht, dass ein Keyboarder etwas besseres oder schlechteres ist als ein Synthesizerspieler. Allerdings interessierte ich mich eben mehr für neuartige Klänge und ungehörtes und begeisterte mich aus genau diesem Grund für Synthesizer.
Ein Synthesizerspieler ist auf der Suche nach neuen und ungehörten Klängen und Geräuschen. Ein Keyboarder ist auf der Suche nach möglichst authentischen Klangkopien wirklicher Instrumente. Das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze - auch wenn es natürlich Kreuzungen beider Wesenstypen gibt. Die Keyboarder aber sind in der übermächtigen Überzahl - was man jederzeit an der Anzahl nicht veränderter Presetklangfarben ablesen kann.
Das ist auch der eigentlich Grund dafür, dass in der Zeit des DX-7 Regler von den Kisten verschwanden. Es war nicht nur billiger so, sondern Keyboarder konnten die vorgefertigten Klangimitate selbst angetrunken sicher erreichen, wenn auf der Oberfläche viel Platz für die Klangselektion zur Verfügung stand. Um Synthesizerparameter auch angetrunken sicher zu erreichen brauchte der Synthesizerspieler grosse Regler mit weitem Abstand und angenehm griffiger Haptik. Presets brauchte er nicht. Der Synthesizerspieler wollte den Zugriff auf alle Parameter zu jeder Zeit und möglichst viele davon. Der Keyboarder wurde von vielen Reglern eher abgeschreckt. Roland bot damals für fast alle Synthesizer kleine Programmiergeräte an, um den Synthesizerspielern den direkten Zugriff zu ermöglichen. Bei manchen Synthesizern waren diese Programmer so erfolglos, dass wir sie als Händler am Schluss kostenlos dazugelegt bekamen oder sie für 10 Euro einkaufen konnten. Das ist einfach die traurige Wahrheit.
Der Weg zum neuen Klang ist für den Synthesizerspieler das Ziel - beim Keyboarder liegt das Ziel irgendwo zwischen Preset 15 und 16 - und weil beides nicht hundertprozentig stimmt, kauft er eine neue Soundlibrary mit der Hoffnung auf Klang 15 1/2. Bis zum Finden der optimalen Library spielt er trotzdem mit Preset 15 oder 16 und überlegt ständig, welche Variante die bessere ist. Nach einiger Zeit sucht er dieses Ziel dann auf einem neuen Synthesizer.
Auch das sollte nicht abwertend sein - um ein Auto zu fahren muss man es nicht bauen können. Um Spass an der Musik zu haben, muss man nicht spielen können. Um Spass an einem Synthesizer zu haben, muss man ihn nicht programmieren können.
Ich selbst - und auch das kann man auf KPRs DX-7 Seite nachlesen - war völlig begeistert von den neuen Klangmöglichkeiten, die ein DX-7 zusätzlich zu einem subtraktiven Synthesizer bot. Nur - und das wollte ich oben darstellen - hat das nicht wirklich viele Leute interessiert - Ausnahmen bestätigen da wie so oft die Regel.
Wertend ist das alles nicht gemeint. Meine Interessenlage war aber eben nicht immer kompatibel zu den Interessen meiner Kunden. Synthesizermusik hat mich in den Bann gezogen weil es etwas neues zu hören gab. Wenn dann ein Kunde reinkommt der den Flohwalzer auf einem Kesselpauken Preset zum Besten gibt, wünsche ich mir eben, dass Gott die Presetspeicher aus allen Geräten wieder rausnimmt. Nein - das Ende der wirklichen Synthesizerkultur war die Einführung von Presetspeichern. Die haben den Synthesizer für Keyboarder interessant gemacht. Ganze Musikrichtungen wurden mit Hilfe von Presetspeichern zerstört. In einer interessanten BBC Sendung zum 80er jahre Synthpop aus England wurde ganz genau diese Erkenntnis hervorgehoben. Die Künstler kopierten ihren Stil und jeder nutzte die gleichen Presets. Aus dem neuen und zuvor nicht gekannten Klangpotential wurde ein Einheitsbrei. Der Aha Effekt war dahin und die Musikrichtung stand vor dem Aus.