Hier mein Eintrag in das Gästebuch der DX-Seite von Klaus-Peter Rausch.
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2002-05-30 16:27:40
Lieber Klaus,
herzlichen Glückwunsch von ganzem Herzen zu Deiner DX-7 Website.
Hervorragende Recherche, ausführliches Text- und Bildmaterial und interessante Links informieren den Besucher über den erfolgreichsten Synthesizer aller Zeiten.
Du hast mich gefragt, ob ich ein Statement zum Yamaha DX-7 abgeben würde. Diese Anfrage macht mich stolz, nach Jahren immer noch als Synthesizer-Autorität von Freunden und Kunden gesehen zu werden. Danke.
Nun muss ich sagen, dass ich zum Yamaha DX-7 von Anfang an ein eindeutiges kritisches Verhältnis gehabt habe. Damit der Leser das auch nachvollziehen kann, hier nun ein kleiner Abriss meiner Geschichte, die auch die Geschichte meiner Firma Synthesizerstudio Bonn ist.
Leser meiner Homepage
http://www.elektropolis.de lesen unter der Rubrik "The Early Years" meinen Werdegang: Interesse für elektronische Musik mit kleinem und großen E, und wie ich quasi als Elektronik-Avantgardist in die Funktion eines Ladenbesitzers geraten bin.
Geld hat mich nie so richtig interessiert, wichtiger war der musikalische Gedankenansatz und die technische Realisation, das Verkaufen war darüber hinaus auch noch eine zusätzliche künstlerische Performance.
Und so traf man sich in den 70er Jahren als Eingeweihter der Elektronischen Musik im Synthesizerstudio Bonn, um hier Seinesgleichen zu suchen und zu finden.
Die Entwicklung des Punk und des New Wave habe ich genossen - die Suche nach neuen Ausdrucksformen, weg vom Mainstream - oder nennen wir es ruhig "Mittelmaß" - einhergehend mit einem Kunstverständnis: völlig neuartig in der populären Musik.
Ich lese gerade das Buch "Verschwende Deine Jugend" von Jürgen Teipel, und plötzlich ist sie wieder da, die Zeit, die Gedanken, alles ...
Aus einer avantgardistischen Grundhaltung des "Nicht können wollens" entstand eine neue Popkultur, und "normale" Musiker war einfach nur doof.
Vielleicht kann man nachvollziehen, dass der Grundgedanke des Ur-Synthesizers" (Was ist ein Synthesizer, Heinz Funk - nachzulesen unter:http://www.elektropolis.de/ssb_story_heinz_funk.htm) mit dem Selbstverständnis des Antimusikers, des kreativen "Technikus" und "Macher" so zu einer neuen Qualität im Synthesizerstudio Bonn führte. Hier war man richtig, starke Polarisierung!
Mit dem Erfolg des Rock-Jazz und der Fusion-Musik besuchten mich immer mehr Leute, die, von ihrer Ausbildung und ihrem Verständnis her, richtig spielen konnten, den Synthesizer als exotische Klangmaschine sahen, um ihrer Musik einen modischen Anstrich zu geben.
Das tat weh, und gegenseitiges Verständnis war ausgeschlossen. Man musste einen OberNheim haben, sonst lief nichts. Mich hat das immer an Helmut Kohl erinnert, der sich vor Jahren mal die abstehenden Ohren hat korrigieren lassen und sich eine schnelle Brille gekauft hat. Total hip sah er aus. Transferleistung?
Na ja, auf jeden Fall hatte ich noch mit Synthesizern zu tun, obwohl diese in ihren Funktionen stark reduziert und tatsächlich auf eine musikalische Stilrichtung hin schon konzipiert waren. Abstieg? Na ja, wir konnten uns immer noch über Filtersteilheiten und Modulationen unterhalten.
Und dann der Yamaha DX-7.
Ich war eingeladen. Nach Rellingen, das ist ein Vorort von Hamburg. Yamaha hatte die 50 umsatzstärksten Synthi-Dealer eingeladen - zur "Vormesse", Hotel, Essen, Trinken, alles umsonst, und man konnte vordisponieren, vor allen anderen Yamaha-Händlern und sich so seine Kontingente sichern. Das Synthesizerstudio Bonn gehörte mit Sicherheit nicht zu den Yamaha Topdealern, doch ich hatte eine Einladung, wollte man doch auch die technische Pole-Position besetzten.
Zwischen all' den konservativen Professional Dealern fühlte ich mich doch sehr fehl am Platz - eigentlich habe ich die ganze Musikhändlerszene immer gehasst - aber ein paar flotte Sprüche und Matten's typisches arrogantes Auftreten verfehlten ihre Wirkung nicht.
Dann kam die Vorstellung des Gerätes, und ich habe mich gefragt, warum zum Teufel da nun "Synthesizer" drauf stand. Eigentlich war es von der Anwendung her ein ganz gewöhnliches Musikinstrument, 16-stimmig, programmierbar, unkaputtbar, von der Größe her gut auf was anderes draufzustellen; und bei einem Ladenpreis von DM 3.660,00 für jeden Musiker finanziell erreichbar.
Faszination? Affektive Bindung? Nein. Pragmatismus! Und kein Filter ... Das tat weh.
Und dann die ganzen vorprogrammierten Klänge, die genau das waren, das die Käufer wollten, die ich nicht wollte.
Musikalisches Mittelmaß durchweg und kleinbürgerliche Spießer, das waren die DX-7 Käufer. Ich habe mitgemacht, habe disponiert und verkauft, viel, sehr viel Geld verdient, das ich zum Trösten meiner angeschossenen Seele gleich wieder mit unsinnigen Investitionen verprasst habe.
Ich glaube, mit Erscheinen des Yamaha DX-7 ist das Synthesizerstudio Bonn zum ersten Mal gestorben - na sagen wir mindestens mal ernsthaft „mental angeschossen" worden.
Ich habe mich geweigert, auf meine Rechnungen "Synthesizer" zu schreiben. Dort hieß es dann : 1 Stück Yamaha Keyboard, Typ DX-7.
Das war meine Rache im Kleinen. Im Großen kam meine Abrechnung dann in den Kundengesprächen, und wer mich kennt weiß auch, dass Demagogie nicht unbedingt meine Schwäche ist.
Das wusste bald auch Yamaha. Eines Morgens stieg ich aus meinem Auto und wollte den Laden aufschließen. Dieter Weiske, Yamaha Außendienstarbeiter und mein Ansprechpartner, wartete schon auf der Straße auf mich. Mit hochrotem Kopf schrie er mich an, warum ich „so ’ne Scheiße erzählen würde“ und wollte mich fast noch verhauen.
Da habe ich gemerkt, dass ich eigentlich ganz richtig lag, habe zwar weiterhin Yamaha Sachen verkauft, aber mit meinem Mitarbeiter Wieland Samolak die Idee entwickelt, eine Persiflage auf die Milestones-Anzeige zu machen: Derselbe dunkle Hintergrund, dann als Objekte "Die Keule", den "Reißverschluß" abbilden - und den DX-7 Titanic-mäßig mit Rumpf nach oben im Morast verschwinden lassen.
Wir haben's nie gemacht, tun hätten wir es sollen.
So ist das, wenn man nicht dazugehören will.
Viele Grüße
Dirk Matten