Ein paar Prognosen meinerseits:
Die Elektronik-Revolution, in der sich arhythmische, disharmonische, allen Regeln von Kompositions- und Harmonielehre widersetzende Musik, gespielt von dedizierten Sequencern und auf alternativen Controllern, wird sich nicht durchsetzen. Das wird Musik von Freaks für Freaks bleiben, derweil die großen Acts weiterhin Tanzflächenerfolge mit Four-to-the-Floor und dergleichen bauen. Es wird immer einen neuen House, einen neuen Goa, einen neuen Dubstep geben.
Ebenso unausrottbar: der Live-Covermucker. Fragt sich, was der spielt. Yamaha wird weiterhin rein samplebasierte Workstations an eine konservativere oder die Einfachheit liebende Kundschaft (plus Tausende Endorser) verkaufen. Korg wird weiter auf Multisynthese und Plugins setzen, da wird die Luft dann angsam dünn, siehe weiter unten. Roland wird nach weiteren an den Zielgruppen vorbeigeplanten Fiaskogeräten die große Workstation zu Grabe tragen.
Statt dessen werden sich Geräte durchsetzen, die schlicht und ergreifend Docks sind für iPhone oder iPad (glaubt man nich, daß da jemals was anderes als iOS unterstützt wird), auf denen entsprechende Apps laufen. Damit entfällt in ein, zwei Jahren die Frage, wohin mit dem Laptop auf der Bühne, weil Laptops auf der Bühne aussterben werden, weil sich alle iPads in ihre Keyboards rammen. Auch Hardware-Plugingeschichten (Noah, Plugiator, V-Machine, Receptor) sind damit hinfällig, ohne daß irgendwo ein Klapprechner stehen muß. In ein paar Jahren laufen auf dem iPad auch Sachen wie Komplete oder Live. Workstationtaugliche Docking-Keyboards werden dann, ausgestattet mit Transporttasten und einem aufstellbaren statt eingelassenen Dock, den großen Arrangern bei Alleinunterhaltern den Rang ablaufen. Gefährlich wird's, wenn's Streamingangebote für MIDI-Files gibt.
Stichwort Software: Hier werden vermeintlich oder tatsächlich neue Syntheseformen auftauchen, aber Exoten bleiben. Indie-Schmieden wie Xils werden weiterhin ungeklonte Analogklassiker als Software klonen. Vielleicht werden Analogorgeln der 70er (also ungleich Vox Continental und Farfisa Compact) als neue zu emulierende Kultgeräte entdeckt.
A propos, ich rechne damit, daß Modulhersteller weiterhin fleißig Einzelteile analog-diskret-spannungsgesteuerter Klassiker in 3HE-Format abbauen werden. Irgendwann wird es billiger sein, sich einen VCS3-Klon aus Nachbaumodulen im Euroformat zu bauen, als the real deal zu kaufen. Gut, einen VCS3 nicht gerade, da achtet EMS-Rehberg genau drauf, daß den keiner klont...
Eventuell wird Korg als einziger Japaner weiter an Analogsachen arbeiten. Wie es generell mit Echtanalogen außerhalb von Modularsystemen weitergeht, ist schwer zu sagen, etwa ob es da einen ähnlichen Boom bei speicherbaren Polyphonen geben wird wie seinerzeit bei VAs, und wer alles daran teilnehmen wird.
Den reinen VA gibt's ja kaum noch, jedenfalls nicht in höheren Preisklassen. Da entwickeln sie sich mehr und mehr zur EWS mit Wavetables und Samples und allem. Der Trend wird weitergehen, aber nicht zum Vorteil der klassischen analogen Synthese, also nicht das Bekenntnis zur großen Vintage-Filterauswahl wie bei Alesis, Arturia oder beim Moogfilter im Virus.
MIDI wird weiterhin existieren, weil zum einen niemand ein Nachfolgesystem als freien Standard etablieren wird und zum anderen das ganze Prinzip noch nicht zu Grabe getragen werden kann. Irgendwas gibt's immer, wo CV/Gate/Sync, USB, Firewire und $ProprietäreLösungEinesHerstellers nicht greifen.