[...] in 2-6 Jahren wird es generell kaum noch Tonträger geben, CDs jedenfalls sind bald tot. [.
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Dies ist ein Pauschalurteil, das vor Ewigkeiten auch über die LP als Medium gefällt wurde -- heute feiert sie fröhliche Urständ. Soviel also zum Thema "Madame Medusahs Kristallkugel".
Was definitiv passieren wird -- und davon schließe ich mich als Kleinlabelbetreiber nicht aus --, ist, daß es in Zukunft immer schwieriger werden wird, CDs ins Ausland zu vertreiben, dank der globalen Porto- und Logistikmafia, die in erschreckendem Maße an der Preisschraube gedreht hat. Da werden es sich viele Kunden im Ausland zweimal überlegen, ob sie u. U. bei einer Bestellung mehr für das Porto ausgeben müssen als für die Ware, die sie bestellen wollen. Da sehe ich in der Tat eine große Bedrohung, gerade für den kleinen Kreativmarkt.
Bei einem Label, das einen Katalog und einen Kundenstamm wie Ant-Zen hat (auch, wenn es sich um einen Nischenmarkt handelt), werden die Auswirkung nicht so dramatisch spürbar sein -- die werden locker auf mehr als fünf Bestellungen ins Ausland pro Quartal kommen (unterstelle ich einfach mal) und somit ihren Status als Geschäftskunde bei der Post aufrechterhalten können. Natürlich wird die Menge an CDs, die sich in Zukunft verkaufen wird, merkbar abnehmen (also noch weiter, als sie es ohnehin schon getan hat), aber auch hier ist es der Kreativität der Anbieter überlassen, das Marktsegment zu retten und den Kunden etwas zu bieten, das ein gutes Argument *für* den Kauf der CD an erster Stelle darstellt. Daß der Bereich an Streaming und digitalen Downloads in anständiger Qualität nicht zu vernachlässigen ist, habe ich selbst durch Bandcamp lernen müssen -- und warum sollte es mir da anders gehen als den Kollegen?
Daß dank der digitalen Medien von heute mittlerweile jeder jeden Pups ins Internet stellen und für sich Aufmerksamkeit generieren kann, ist ebenfalls ein Faktor, der den Kreativmarkt unter Druck setzt -- wer einen Tonträger veröffentlicht, investiert in der Regel mehr Zeit, Geld und Energie in das Endprodukt als jemand, der sich selbst mit wackelnder Selfiekamera beim einarmigen Dudeln im schlecht ausgeleuchteten Schlafzimmer filmt. Gegen diese Art Störrauschen müssen Label auch ankämpfen -- das kostet Zeit und vor allem Geld. Wenn kein Geld mehr für Werbung verdient werden kann, weil die Absätze einbrechen und das Budget beschnitten werden muß -- das macht das Leben nicht leichter und ist sicherlich die Kehrseite der Medaille "Jeder ist ein Künstler".
Natürlich kann man von den zu erwartenden Absätzen kein Unternehmen mit mehreren Mitarbeitern mehr führen, das ist klar -- unter solchen Vorzeichen steht ein größeres Label wie Ant-Zen sicherlich schlechter da als ein Ein-Mann-Betrieb, weil mehr Leute daran mitwirken (obwohl ich keine Vorstellung davon habe, wie viele Beschäftigte bei Ant-Zen mitarbeiten).
Sich seine eigene Kreativität und seinen eigenen Output von solchen äußeren Widrigkeiten diktieren zu lassen, halte ich für falsch. Machen, scheitern, lernen, weitermachen.
Am Ende sterben wir alle, was haben wir also zu verlieren?
Stephen