Feinstrom
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Ich würde mal vorsichtig vorschlagen, den Grund für die Kammerton-Kontroverse und ihre Unlösbarkeit genau hier zu suchen:Eben, man hat sich auf einen Standard geeinigt. Eine - mehr oder wenige - willkürliche Zahl, irgendwo in der Mitte.
Ich habe da jetzt nicht das ganze Forum durchwühlt, aber auf einem Klavierforum meinte ein Klavierstimmer, das oft alte Instrumente (vor 1930) erst so richtig farbig, voll und obertonreich klingen, wenn sie etwas tiefer 432 bis 435Hz) gestimmt werden. Die sind halt dafür konstruiert. Bei modernen Instrumenten geht da oft erst bei 442 oder 443 Hz die Sonne auf.
Meine Saxophone sind AFAIK auf 440 ausgelegt. Die 443 gingen locker, bei Klarientten müsste man u.U. eine 1mm kürzere Birne erwerben. Aber auf 432Hz runterstimmen ist schon arg daneben, dann stimmt das Instrument in sich nicht mehr.
Die Orgel in Dornum (von 1711) ist auf 479 Hz gestimmt. Der Orgenist meinte, am besten passt die Stimmung zu den Leuten aus der Barockszene, die bei 415Hz spielen. Da muss man nur leicht(!) die Tonhöhe anpassen und der Organist transponiert einen Ton tiefer.
Jedes Musikinstrument, das auf einen bestimmten Kammerton festgelegt oder auch nur darauf abgestimmt ist, klingt auch am besten bei exakt diesem Kammerton ("Brillanz" oder "Mumpfigkeit" gehören in den Bereich der persönlichen Präferenz). Allein gespielt ist diese Feinjustierung wurscht (falls man nicht die Esoteriker fragt), aber im Zusammenspiel entsteht bei unterschiedlichen Kammertönen Katzenmusik.
Wenn sich daraufhin nun plötzlich alle Beteiligten auf eine Frequenz, z. B. 440 Hz, einigen, dann werden natürlich fortan alle Instrumente, die dadurch erzwungen anders gestimmt werden, nicht mehr perfekt klingen, nicht mehr oktavrein sein oder andere instrumentenspezifische Imperfektionen zeigen. Ergebnis: drei Fraktionen: "Zu tief!", "Genau richtig!" und "Zu hoch!".
Und die Synthesizerspieler so: "Mir doch egal!".
Erst, wenn alle Instrumentenbauer der Welt ihre Instrumente auf den neuen Standard eingestellt haben und nur noch für diesen Standard produzieren, und wenn alle anderen Instrumente im Museum, bei strikten Solomusikern oder im Müll gelandet sind (also nie), kann ein solcher Standard seinen Sinn entfalten. Und dann wird es folgerichtig immer noch drei Fraktionen geben: "Na endlich passt alles zusammen!" und "Jetzt klingt aber alles steril!" und "Jetzt ist das kosmische Gleichgewicht aus dem Takt!".
Und natürlich die Synthesizerspieler so: Mir immer noch egal!".
Schöne Grüße
Bert