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GegenKlang
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Gestern probehalber Kompositionsunterricht bei einer Komponistin / Pianistin. Nachdem die erste Euphorie verflogen ist, bin ich mir doch etwas uneins, ob ein Synthetiker generell bei Vertretern organischer Musik gut aufgehoben ist, von ihnen effektiv lernen kann.
Begriffsklärung bzw. Potenziale für spätere Reibereien im Unterricht:
Was meine ich mit organischer Musik?
Musik ist Interpretation, das wird nicht getrennt. Die Noten sind nur eine Art Drehbuch, eine Gedächnishilfe für den Urheber und als Manuskript die spätere Vorlage für verlagseigene Notensetzer und spätere Arrangeure. Der Komponist benötigt ausgebildete Spielfertigkeit für beteiligte Instrumente, zumindest theoretische Kenntnisse über ihre Eigenheiten und idealerweise einen guten Draht zu Instrumentalisten, die sich bereitwillig auch mit Skizzen und irrigen Varianten auseinandersetzen mögen. So atmet das Stück von den frühesten Entwurfsstadien an. Sobald die Aufnahme erfolgt ist und sich die Musiker aus dem Tonstudio verabschiedet haben, sind die Einflussmöglichkeiten des Produzenten eher beschränkt. Das ist der Nachteil.
Was ist demgegenüber synthetische Musik?
Synthetische Musik wird konstruiert. Zunächst werden Teile mit jeweils geeigneten Mitteln erstellt und in einzelnen Computerdateien gespeichert oder zusammengesucht, früher waren es Tonbänder und andere Medien, und diese Teile, möglichweise werden auch ein paar wieder verworfen oder ersetzt, werden arrangiert und durch irgendwelche Effektketten geschleust. Der Komponist benötigt gute Hard- und Software.
Die Musik atmen zu lassen bedeutet mitunter optionalen, oft gar vernachlässigten Zusatzaufwand (z.B. müssen vielleicht irgendwelche MIDI-Controller noch richtig gemappt werden oder im Entwurfsstadium verwendete billige Geräte gegen teurere Gebraucht- oder Mietgeräte getauscht werden), den er oder sie lieber auf später verschiebt, wenn die Substanz steht.
Die Substanz sei ein Komglomerat an beschränkt veränderlichen Klangdateien (Samples) samt grob gesagt allem, was in der Lingua Franca, der westlichen modernen Musiknotation, notierbar, mit MIDI (ohne SysEx) umsetzbar und von geeigneten General-MIDI-Stimmen abspielbar ist.
Verbale Interpretationsanweisungen zähle ich nicht dazu, wenn sie auch so oft vertreten sind auf Notenpapier.
Aber auch später kann die Substanz noch geändert werden. Die Trennung im Workflow in Substanz und Arrangement/Effektierung ist mehr organistorische Hilfe gegen Vezettelung, Hilfe bei der Fokussierung auf unterschiedliche Probleme und heißt nicht, dass man nicht auch mal zurück gehen kann. Wichtig ist halt, dass die Substanz an sich in frühen Entwurfsstadien noch nackt, trocken und statisch klingt und ein Vertreter der organischen Musik an der Arbeit daran nicht allzu viel Spaß haben könnte.
Sie hat die Melodie, die ich gemacht habe, durchaus gut vorgesungen und testweise interpretiert. Die interpretationsbezogenen Vorschläge, die sie mir machte, helfen mir konkret nicht weiter in diesem Stadium, gewiss später, wenn die Substanz steht. Eher erwartet hätte ich sowas wie "Asus4 an der Stelle finde ich unpassend, probier mal besser dies oder jenes" oder "Im Schlussakkord sollte der Grundton in der Oberstimme und im Bass wiederfinden". All das findet sich in der Literatur wieder, ich brauche halt jemanden, mit dem ich offene Fragen klären kann und mit dem ich mich selber kontrollieren kann. Mir einbilden, dies oder jenes verstanden zu haben, kann ich viel. Ob sich eine, wenn auch als Lehrerin, praktizierende Künstlerin dafür eignet, mehr etwa als ein (teurerer) Musikprofessor der reinen Lehre ... werd ich sehen.
Diese ganz unterschiedlichen Welten, vielmehr diese weite und tiefe Schlucht dazwischen ist, schwant mir, ist der eigentliche Grund dafür, dass sich in der synthetischen Musik eine ganz eigene Ästhetik arm an dynamisch-melodischer Varianz, dafür reich an rhythmischer und an Klangformungsvarianz herausgebildet hat. Synthetiker sind nicht faul und begnügen sich mit einfachster musikalischer Substanz, ihr eigentlich fundamental sequenzieller Workflow versperrt ihnen schlichtweg die Möglichkeit der Anknüpfung an die Jahrhunderte alte Musiktradition, die Parallelisierung und Internalisierung dieser Abläufe in Körper und Geist bedingt
Begriffsklärung bzw. Potenziale für spätere Reibereien im Unterricht:
Was meine ich mit organischer Musik?
Musik ist Interpretation, das wird nicht getrennt. Die Noten sind nur eine Art Drehbuch, eine Gedächnishilfe für den Urheber und als Manuskript die spätere Vorlage für verlagseigene Notensetzer und spätere Arrangeure. Der Komponist benötigt ausgebildete Spielfertigkeit für beteiligte Instrumente, zumindest theoretische Kenntnisse über ihre Eigenheiten und idealerweise einen guten Draht zu Instrumentalisten, die sich bereitwillig auch mit Skizzen und irrigen Varianten auseinandersetzen mögen. So atmet das Stück von den frühesten Entwurfsstadien an. Sobald die Aufnahme erfolgt ist und sich die Musiker aus dem Tonstudio verabschiedet haben, sind die Einflussmöglichkeiten des Produzenten eher beschränkt. Das ist der Nachteil.
Was ist demgegenüber synthetische Musik?
Synthetische Musik wird konstruiert. Zunächst werden Teile mit jeweils geeigneten Mitteln erstellt und in einzelnen Computerdateien gespeichert oder zusammengesucht, früher waren es Tonbänder und andere Medien, und diese Teile, möglichweise werden auch ein paar wieder verworfen oder ersetzt, werden arrangiert und durch irgendwelche Effektketten geschleust. Der Komponist benötigt gute Hard- und Software.
Die Musik atmen zu lassen bedeutet mitunter optionalen, oft gar vernachlässigten Zusatzaufwand (z.B. müssen vielleicht irgendwelche MIDI-Controller noch richtig gemappt werden oder im Entwurfsstadium verwendete billige Geräte gegen teurere Gebraucht- oder Mietgeräte getauscht werden), den er oder sie lieber auf später verschiebt, wenn die Substanz steht.
Die Substanz sei ein Komglomerat an beschränkt veränderlichen Klangdateien (Samples) samt grob gesagt allem, was in der Lingua Franca, der westlichen modernen Musiknotation, notierbar, mit MIDI (ohne SysEx) umsetzbar und von geeigneten General-MIDI-Stimmen abspielbar ist.
Verbale Interpretationsanweisungen zähle ich nicht dazu, wenn sie auch so oft vertreten sind auf Notenpapier.
Aber auch später kann die Substanz noch geändert werden. Die Trennung im Workflow in Substanz und Arrangement/Effektierung ist mehr organistorische Hilfe gegen Vezettelung, Hilfe bei der Fokussierung auf unterschiedliche Probleme und heißt nicht, dass man nicht auch mal zurück gehen kann. Wichtig ist halt, dass die Substanz an sich in frühen Entwurfsstadien noch nackt, trocken und statisch klingt und ein Vertreter der organischen Musik an der Arbeit daran nicht allzu viel Spaß haben könnte.
Sie hat die Melodie, die ich gemacht habe, durchaus gut vorgesungen und testweise interpretiert. Die interpretationsbezogenen Vorschläge, die sie mir machte, helfen mir konkret nicht weiter in diesem Stadium, gewiss später, wenn die Substanz steht. Eher erwartet hätte ich sowas wie "Asus4 an der Stelle finde ich unpassend, probier mal besser dies oder jenes" oder "Im Schlussakkord sollte der Grundton in der Oberstimme und im Bass wiederfinden". All das findet sich in der Literatur wieder, ich brauche halt jemanden, mit dem ich offene Fragen klären kann und mit dem ich mich selber kontrollieren kann. Mir einbilden, dies oder jenes verstanden zu haben, kann ich viel. Ob sich eine, wenn auch als Lehrerin, praktizierende Künstlerin dafür eignet, mehr etwa als ein (teurerer) Musikprofessor der reinen Lehre ... werd ich sehen.
Diese ganz unterschiedlichen Welten, vielmehr diese weite und tiefe Schlucht dazwischen ist, schwant mir, ist der eigentliche Grund dafür, dass sich in der synthetischen Musik eine ganz eigene Ästhetik arm an dynamisch-melodischer Varianz, dafür reich an rhythmischer und an Klangformungsvarianz herausgebildet hat. Synthetiker sind nicht faul und begnügen sich mit einfachster musikalischer Substanz, ihr eigentlich fundamental sequenzieller Workflow versperrt ihnen schlichtweg die Möglichkeit der Anknüpfung an die Jahrhunderte alte Musiktradition, die Parallelisierung und Internalisierung dieser Abläufe in Körper und Geist bedingt
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