(Achtung das wird jetzt lang.)
Brauchen ist ja immer relativ. In meinem Fluchtrucksack (ja, ich weiss, der Politkram ist ausgelagert, aber ich sags mal so; die Idee ist zweieinhalb Jahre alt und stammt von der Erkenntnis, einen Rucksack zum rennen zu brauchen, falls die Bude tatsächlich mal abbrennt und nicht wieder einer von gefühlt drei Fehlalarmen pro Monat schlägt, weil wieder jemand in Räumen kocht, die nicht dafür gedacht sind) befindet sich - musiktechnisch - neben Laptop und zwei SSDs (ein aktuelles Carbon Copy und eine mit den wichtigsten Daten einfach so) ein iConnectivity mio plus USB-C-Adapter. Der war auch all die Jahre vorher schon immer dabei in irgendeiner Tasche und zahlt sich aus - wo eine Midi-Buchse ist, ist ein Weg. Der Rest des Studios kann mit der Hütte niederbrennen, ist nicht so wichtig. An den einen oder anderen Dingen mag sentimentaler Wert hängen, aber im Endeffekt ist es Werkzeug. Wenns weg ist (vorausgesetzt der Rechner ist noch da), kauft man für 200 Geld ein Masterkeyboard und voilà, weiter gehts.
Vielleicht sollte man das ganze auch etwas grösser denken: Grundsätzlich ist "viel besitzen" ja erstmal nichts verwerfliches (wenn nicht andere dabei zu Schaden kommen und ja, ich weiss dass das in unserer globalisierten Welt praktisch immer irgendwie der Fall ist).
Der eigentliche Punkt ist die Unterscheidung in "besitzen weil man es möchte" und "besitzen weil man es braucht". Klar, auch das ist fliessend, hab ich grad wieder festgestellt beim Umzug, weil natürlich hab ich die Kallax-Schlacht im Wohnzimmer wegen der Optik angeschafft, man hätte auch einen handelsüblichen Schrank vom Sperrmüll in die Ecke stellen können, hätte nur halt beschissen ausgesehen.
Aber es zeigt ein bisschen den Punkt auf. Geschirr besitze ich, weil vom Tisch essen z.B. bei Suppe recht unpraktisch ist. Den Tisch besitze ich, weil vom Boden essen unpraktisch ist (gerade bei Suppe). Den Klamottenschrank primär, weil die Klamotten irgendwo hin müssen. Klamotten weil man bei fünf Grad unter null auch dann nicht ohne auf die Strasse will wenn man mit seinem Aussehen zufrieden wäre. Und so weiter. Die Dinge hingegen, die ich besitze um des Besitzens willen (und nicht des damit was tuns), passen vermutlich in zwei Umzugskartons.
Ähnlich siehts im "Studio" aus. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich mich die letzten paar Jahre sehr rechnerzentriert habe. Wenn ich sehe, was in den Jahren so ab meiner Volljährigkeit in meinem damaligen Zimmer rumstand (und das meiste davon auch noch 61er-Tastaturen), frage ich mich einerseits, wie ich mich darin umgedreht habe, und weiss andererseits auch genau, warum in dem Kabuff nie irgendwer flach gelegt wurde.
Witzigerweise ist es dann gerade DANK eigenem Zimmer ab Ende 2015 sehr kompakt geworden. Vielleicht auch weil ich "freie Fläche" angefangen hab wertzuschätzen, um was darauf aufzubauen, dass da nicht ewig rumstehen muss. Wenn ich mir dann die zugestellten Tische auf Reddit angucke und mich frage, wo zur Hölle die ihren Papierkram machen...
Gerade weil man sich klanglich fast vollständig in den Rechner ausgelagert hat, sind "Inputs" immer wichtiger geworden. Was sich heute ansammelt, ist in erster Linie mal ein Eingabekonzept, sprich, hier eine Hammermechanik, hier ein wohlüberlegtes Midicontroller-Konzept, hier ne Kompakttastatur, hier ein Launchpad fürs isometrische, da eine modulare Idee fürs wechseln können. Und ja, auch hier kann man anhäufen. Hätte ich mir "du kannst nicht jeden Midicontroller der Welt probieren" nicht zum Lebensmotto gemacht, ich wäre bankrott bis hochverschuldet (auch dank schlechten Rückgabebedingungen in der Schweiz).
Und klar, ich bin auch neidisch auf diejenigen, die sich in jedem ihrer Videos einen komplett anderen Hardware-Berg zusammenschustern können. Wer denn nicht. Die Unfähigkeit, es bedienen zu können, bzw. das Wissen dass die programmierbare Abletonrack-8er-Reihe mir mehr liegt, hält die Neidwut in Grenzen und das Budget im Rahmen. Ab und zu bricht dann doch was durch und die Kohle wird wieder gen Thomann geworfen. Aber dann liegt hier ne Novation Circuit Tracks in der Ecke rum, deren letzter Job es war, im Jugendzentrum Alarm zu machen und den Kiddies Stepsequencing zu zeigen, und die noch nicht auf Ebay steht, weil man so halb einem idiotischen Sommerpicknickstrand-Werbetraum damit nachhängt (und deshalb auf die beiden neuen 1010-nanos schielt, von denen einer mehr kostet als die Circuit).
In diesen "wie wir die Welt neu thinktanken" - Büchern, beispielweise vom Weltwirtschaftsforum, wird ja oft diese Idee von Besitz mit der Idee von der Verfügbarkeit ersetzt. Auch wenn die Aussichten der neu gedachten Welt je nach Buch eher maximal problematisch sind, im Bezug aufs Studio finde ich den Grundgedanken nicht mal so blöd. Die Vorstellung, meinen Circuit-Sommerpicknickstrand-Werbetraum mit Tracks und nanoboxes eben NICHT 360 Tage im Schrank stehen zu haben, sondern ihn in einer Art Zentrallager für sagen wir mal einen 20er abholen und bei Bedarf nutzen zu können, würde mich entlasten, ich sags wies ist. Dasselbe gilt für all den anderen Kram. Was dann hier rumstehen würde, wäre im effektiven Gebrauch. Aber vielleicht ist es gerade auch die Verfügbarkeit von drei Stativen im Schrank, die mich dazu inspiriert, sie zu nutzen und was damit zu bauen (und Setups bauen ist ja immer spannender als dann effektiv drauf zu spielen, zumindest für mich, weil wenn ich spielen will, kann ich mich an ein Klavier setzen (hier leider nur digital vorhanden, aber besser als keines))
Ist das alles zu durcheinander? Stream of Consciousness? Weiss nicht. Ich formuliere hier Gedankenschnipsel, vielleicht hilft dem einen oder anderen, vielleicht auch nur mir.
Ein letzter Gedanke vielleicht noch:
Ich ziehe ja um aktuell, es zieht sich ein bisschen. Seit gut einem Monat liegen 90% des Studios verpackt im Raum. Draussen stehen noch Digitalpiano plus ein Bastelsetup aus MPD218 und APC40MK2, um ggf. noch das eine oder andere am Rechner erledigen zu können, weiter Songwriting zu machen ect.
Und während ich mich wirklich freue, den Tisch rüber zu bringen, da wieder Monitore, Interface und zum ersten Mal auch Masterkeyboard und externen Bildschirm hinzubauen, das Tastenstack wieder zu doppeln (Masterkeyboard über Digitalpiano)... auf die andere Hälfte hab ich irgendwie echt keinen Bock. Könnte alles auf ebay (wenns nicht eh schon im Ebay-Fach des Einbauschranks war), ist alles grösstenteils ein Traum von hättekönnte wollte. Den MicroKorg S hätte ich eben nicht 2020 aus Langeweile im Lockdown gebraucht, den hätte ich 2017 in diesem einen Lager gebraucht, wo er mir am Lagerfeuer gute Dienste geleistet hätte und aus derer beknackten Nostalgie ich mir einen in den Lockdown bestellt habe. Und nach dem Lager hätte ich ihn zurück ans Zentrallager gesendet. You'll own nothing and you'll be happy. Und der Cobalt hatte echt seine Berechtigung, aber irgendwie gibt er mir auch nur so Moment-Inspiration, dafür war sein Platz aufm Schreibtisch samt extra gekauftem farbpassender Joué-Tastatur irgendwie verschwendeter Platz (da hätte Papierkram liegen können). Kann eigentlich auch weg (vorher noch zwei drei Sachen samplen wenns geht. Und einen mit Moneyback bestellen, falls man die Patches nochmal verwerten will...).
Und g l e i c h z e i t i g bastle ich mir auf Thomann eine Merkliste mit dem Titel "dare to dream". Denn im neuen Studio ist ein umgedrehtes 2er-Kallax, wo Papierkram und Ordner drin stehen, und darauf ist Stellfläche für noch genau EIN Gerät. Ein Stereoinput am Interface ist noch frei (wenn der Cobalt weg ist). Und das provoziert. Was machen damit? Jetzt liegen da 19 Geräte auf einer Merkliste und es kann - im nächsten Affekt von "das wird mich inspirieren und kreativ machen" - genau e i n e s davon werden. Aber das leere kapitalistische Versprechen hält wach. Novation Peak? Der Summit war im Laden wirklich nie so meines und ich hasse es, weil ich will das Teil mögen, also vielleicht kopflos in die Modulversion springen? MicroFreak? Der würde passen und alle haben einen Microfreak. Oder den Platz der Circuit geben (die hab ich immerhin schon) und doch noch die beiden 1010-nanoboxes mit dazu? Oder doch gleich einen Analog Four mal für was ganz anderes, den Nord-Vorsatz nie einen spielen zu wollen hab ich schliesslich auch erfolgreich gebrochen...)? Oder den Analog Rythm? Es vielleicht doch mit einer dezidierten Drum Machine versuchen? Gut, das ginge auch billiger... Drumbrute Impact? TR8s, obwohl ich das alles schon in besser als Samples vorliegen habe und eigentlich in Ableton machen könnte. Vielleicht doch den ollen Push drauflegen? Oder den 2er kaufen, vielleicht inspiriert der mich ja doch noch zum Push-Workflow, was der 1er nie konnte und weshalb der Staub fängt seit Jahren. Aber dann wäre ja noch ein Anschluss am Interface frei... also doch noch den Pro3 SE greifen? Aber das wäre wieder eine vierte Fullsize-Tastatur im Studio, die müsste man separat wo hinstellen und ab vier geht der innere Monk Affenscheisse... Doch noch das Masterkeyboard gegen einen Summit... NEIN... Hm. Die Waldorf-Synths sehen auch prädestiniert aus für den Platz. Aber welcher davon? Kyra? Iridium? M? Wer bezahlt das wovon? Haben die langfristig mehr Grund sie zu nutzen als der Cobalt hatte? Doch einfach die APC auf den Platz legen? Aber brauch ich die im neuen Workflow überhaupt regelmässig? Mehr als wenn ich da ne Nord Drum drauflegen würde? Oder einen Blofeld/Pulse? Oder zwei Boutiques (und ne Fakepflanze). Aber sehen die nicht kacke aus da drauf? Und und und. Wo ist mein Zentrallager wo ich genau immer das ordern kann, was ich gerade haben will, und es dann mit minimalem Verlust wieder zurückschicken kann?