Re: Chester Bennington von Linkin Park gestorben
Ein Teil der Kommentare hier verdeutlicht eindringlich, wie notwendig öffentliche Aufklärung über Depressionen im speziellen und psychische Erkrankungen im allgemeinen immer noch ist.
Zugleich zeigt sich hier ein Teufelskreis: Denn die eindringlichste & überzeugendste Form der Aufklärung ist immer noch die durch Betroffene selbst – nur wie sollen diese Vertrauen schöpfen, sich zu öffnen und ihr Innerstes preiszugeben, wenn gleichzeitig ein Teil der Öffentlichkeit die Folgen schwerster Depressionen als "feige" u. ä. brandmarkt?
Daher an dieser Stelle ein paar Anmerkungen:
1) Es gehört zum Wesen der Depression, dass der Betroffene davon überzeugt ist, keine Wahl zu haben.
2) Es dauert Wochen, bis ein Medikament gegen Depressionen wirkt. In dieser Zeit verstärkt sich die Depression.
3) Das Herausfinden eines Medikaments ist in letzter Konsequenz ein Trial-and-Error-Versuch. Selbst wenn ein Medikament nach Wochen den höchstmöglichen Dosispegel erreicht hat, ist nicht gesagt, dass die Depression weg ist: Das Medikament kann zu schwach sein, die Dosis kann aber nicht weiter erhöht werden, oder nur ein Teil der Symptome ist verschwunden, oder schlimmstenfalls fühlt der Betroffene nur die zahlreichen Nebenwirkungen, nicht aber Wirkung.
4) Die medikamentöse Behandlung von Depressionen geht mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen einher, von denen einige den Betroffenen als eine Wahl zwischen Pest und Cholera erscheinen, als Beispiel: Du bist zwar Deine Depression los, aber auch Deine Kreativität und nimmst die Welt nur noch matt, wie durch einen Schleier wahr.
5) Ein Medikament gegen Depressionen – selbst eines Medikaments, das sich als nicht hinreichend wirksam bei einem Patienten heraus gestellt hat! – wird im Regelfall nur allmählich über Wochen abgesetzt, anderenfalls findet eine Art "Entzug" statt, dessen Nebenwirkungen wieder mit anderen Medikamenten bekämpft werden müssen, deren Nebenwirkungen wiederum so stark sind, dass dies nur in der Klinik geschehen kann.
6) Selbst wenn Arzt und Betroffener in einem jahrelangen Vertrauensverhältnis stehen, die medikamentöse Behandlung durch eine ausführliche Psychotherapie begleitet wurde, und beide sich einig sind, dass der Betroffene stabil genug ist, dass man versuchen kann, das Medikament abzusetzen, kann es vorkommen, dass die Depressionen wiederkehren. Das Entsetzliche ist, dass das abgesetzte Medikament bei einer Wiedereinnahme und gleicher Dosis oder gar Höchstdosis plötzlich eine deutlich schwächere oder gar keine Wirkung mehr zeigt.
Dann geht alles wieder von los. In so einer Situation hat sich zum Beispiel
David Foster Wallace das Leben genommen.
EDIT: Tippfehlerkorrektur.