Also: auch ich interessiere mich sehr für "Vintage"-Digitalsynths - und habe sogar aus reiner Sammelwut einige rumstehen, z.B von Korg M1EX, 01/W und die Wavestation, aber auch einen SY77, DX7, D50 und einen SQ-1. All das Zeug, das mich mit 12 im Musikladen in Verzückung versetzt hat, monetär aber Lichtjahre entfernt war
Die 01/W mag nicht so gehypt sein wie M1 & WS, unter bestimmten Umständen ist sie aber das interessanteste Instrument aus dem M1-Clan. Nämlich dann, wenn man ein Instrument sucht, das den frühen Korg-Digitalsound auf den Punkt bringt, sich aber nicht mit der grausamen Wavestation-Programmierung rumschlagen möchte.
zum einen kann die 01/W unter dem Strich alles, was eine M1 ausmacht (unterschiede: einige Grundsamples sind leicht abgewandelt, darunter (leider?) auch die absoluten M1-Klassiker Piano, Perc-Organ sowie der vollkommen unterschiedliche Chor. M1-Presets gefallen mir im direkt-Vergleich auf der M1 besser, was aber auch an der Patch-Programmierung liegt.)
Der Grundsound unterscheidet sich erstaunlich wenig - die 01/W hat mehr potential in den Höhen, vor allem aber eine Menge bessere Samples.
zum anderen bringt sie eine Menge frisches digital-röcheliges und korgtypisches Klangmaterial mit, das es in der M1 so nicht gibt. Die Drums sind wesentlich brauchbarer. Wenn man auf Wavesequencing und Vectorstick verzichten kann, bringt sie charakterlich vieles mit, was man sonst eher der Wavestation zuordnen würde - und ist dabei wesentlich übersichtlicher zu bedienen, die Programmierung gleicht dem (übrigens für die Zeit hervorragenden) UI der M1, bloß mit Grafikdisplay.
Das vielgeschmähte Waveshaping (die Einheit ist nicht dem Filter, sondern den Oszillatoren nachgeschaltet) ist m.E. ein genial einfaches Tool, aus der hüllkurvenlamen und resonanzlosen ROMpler interessante Spektren und Verläufe abzugewinnen. Der Shaper verfügt über eine eigene Hüllkurve und kann somit schon auf Oszillatorenebene (und pro Oszillator) Sweeps erzeugen. Es gibt nur wenige, aber recht effiziente Parameter, dementsprechend schnell kann man damit unterschiedlichste Dinge ausprobieren. Klanglich macht das Ding aus allen Samples drahtige Spektren, die alle in Richtung Wavetable, Transwaves, DWGS, FM gehen - und über Envelope und Velocity dynamisch modulierbar sind.
Den Wumms eines DX darf man nicht erwarten: generell ist alles, was mit Hüllkurven zu tun hat, eher träge. Aber immerhin - das Feature ist definitiv eines, das die 01/W deutlich von den Ms und Ts abhebt.
Verglichen mit anderen RomPlern (z.B. dem SY) finde ich die 01/W für die Sounds, die sie gut kann sogar fast geeigneter.
Der SY z.B. klingt neutraler und teilweise sauberer, aber vom Sampleteil her auch austauschbarer. Ich würde seine Stärke eher darin sehen, daß es ein erweiterter DX ist - mit Effekten, Multimode und der Möglichkeit, die FM durch gesampelte Klanganteile zu ergänzen.
Aber nach dem 01/W-Plädoyer wieder auf die Ausgangsfrage zurückzukommen:
Wenn man schon einen Triton und eine Wavestation hat, ist die 01/W klanglich eher unnütz - es sei denn, man
will sie haben (so war es bei mir. reine Emotion. War auch nicht teuer..)
Empfehlen würde ich die 01/W eher jemanden, der:
- noch keinen digitalen Korg hat, aber günstig und umfassend den Charakter von M/T und WS haben möchte
- oder für minimales Budget ein Keyboard mit Workstation-Eigenschaften sowie brauchbarem Live-Sound sucht.
Grüße, Andi