Hans-Joachim Roedelius zum 90. Geburtstag

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Anscheinend hat keiner an den 90. Geburtstag vn H.-J. Roedelius gedacht -- hoffen wir, daß es kein Dinner for One war, mit volltrunkenem Butler und trostlosem Essen.

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Ohne Roedelius und sein Zutun säßen die meisten von uns heute wahrscheinlich nicht hier, denn er war der Kristallisationspunkt der neuen Berliner Wilden in den späten 1960ern, Mitbetreiber des Zodiak, wo sich die spätere Garde mehr oder weniger elektronischer Musiker die Klinke in die Hand gab, und mit Kluster/Cluster und Harmonia sowie unter eigenem Namen erschuf er Klassiker, mit denen er sogar David Bowie und Brian Eno inspirierte. Hier mal der Wikipedia-Eintrag, bevor ich mir einen Wolf tippe:

Hans-Joachim Roedelius (* 26. Oktober 1934 in Berlin) ist ein deutscher Musiker von Experimental-, Ambient- und Elektronikmusik. Er ist bekannt vor allem als Mitbegründer der Krautrock-Bands Cluster und Harmonia sowie für sein Mitwirken an dem Ambient-Jazz-Trio Aquarello. Überdies betätigt er sich seit Beginn seiner musikalischen Karriere auch als Schriftsteller/Poet und im Bereich bildender Kunst, als Fotograf und Filmer.

Leben und musikalisches Werk

Als Kind spielte er in UFA-Filmen wie Verklungene Melodie, Es leuchten die Sterne etc.

1968 begründete er mit dem Konzeptkünstler Conrad Schnitzler den Untergrundclub Zodiak Free Arts Lab, das Zentrum der damaligen Berliner Szene. Dort traf er auf Dieter Moebius, und die drei gründeten die Formation Kluster, nachdem er vorher Mitgründer von „Human Being“ mit Elke Lixfeld, Boris Schaak, Verena Schirz, Christoph Sievernich, Beatrix Rief und sporadisch dazustoßenden anderen Mitgliedern war, jener Gruppe, die nach Schnitzlers Weggang aus dem Zodiak dieses Arts Lab bis zu seiner Schließung im Frühjahr 1969 führte.

Schnitzler verließ „Kluster“ 1971 und startete eine lange Solo-Karriere. Roedelius und Moebius anglisierten den Bandnamen zu Cluster, vertieften ihren Stil, veröffentlichten zuerst bei Philips und wechselten dann zum Plattenlabel Brain. Ab 1973 arbeiteten sie erstmals mit dem Neu!-Gitarristen Michael Rother unter dem Namen „Harmonia“ zusammen.

Rother ermöglichte durch Verfügungstellung von Aufnahme-Equipment die Produktion des dritten Albums von „Cluster“, Zuckerzeit. Die Band wechselte damit von ihrem Avantgarde-Sound zu einem melodischeren Musikstil. Harmonia war seit Frühjahr 1973 durch Deutschland und die Niederlande getourt und entschied sich, gemeinsam ein Album aufzunehmen. Das Album „Musik von Harmonia“ wurde, begleitet von einer großen Werbekampagne der Firma Brain, veröffentlicht.

Harmonia veröffentlichte 1975 ein weiteres Album mit dem Titel Deluxe. Der britische Künstler und Musiker Brian Eno nahm als großer Fan von Cluster und Harmonia mit ihnen Kontakt auf, aus gemeinsamen Jam-Sessions entstand daraufhin das 1997 veröffentlichte Album „Tracks & Traces“.

Rother verließ Harmonia für seine Solo-Karriere und Cluster nahmen als Duo Sowiesoso auf, ihr erstes Album bei dem 1975 gegründeten Label „Sky Records“. Brian Eno, der gerade in Deutschland mit David Bowie arbeitete, ging mit Cluster in Connys Studio, um mit ihnen zwei weitere Musikalben aufzunehmen: 1977 „Cluster & Eno“ und 1978 „After the Heat“, durch das die Band große Aufmerksamkeit in der britischen Musikpresse gewann.

Auf einem weiteren Cluster-Album, „Großes Wasser“ erweiterten sie ihre Musik auf längere Stücke. Roedelius schuf 1978 sein erstes Solo-Album „Durch die Wüste“ und setzte seine Solokarriere mit dem 1979 erschienenen „Jardin au Fou“ (1979) fort. Dieses Album begründete Roedelius' zukünftigen Stil: melodisches Klavier und (imitierte) akustische Instrumente, im Zusammenspiel mit elektronischen Klanggebern.

Als Teil einer langen Selbstporträt-Serie veröffentlichte Roedelius ab 1979 neben seiner Arbeit mit Cluster und Harmonia weitere eigene Arbeiten, zu denen seine Mitmusiker nichts beigetragen haben.

Roedelius verließ 1982 Sky. Als er danach bei Virgins Sub-Label Venture unter Vertrag ging, verdichteten sich seine Arbeiten immer mehr zu seinem ganz eigenen Stil. Während dieser Periode entstand sein meistverkauftes Soloalbum „Geschenk des Augenblicks – Gift of the Moment“.

Die Zusammenarbeit mit Venture endete 1989 und er veröffentlichte anschließend bei verschiedenen kleinen Labels, etwa Multimood Records und Prudence. In dieser Zeit bewegte er sich auf das Gebiet des sich gerade entwickelnden Techno – ohne zu realisieren, dass er damit eventuell irgendeine gerade entstehende Musikrichtung mitbeeinflusste, erstmals mit seinem 1991er-Album Der Ohrenspiegel, dessen 25-minütiges Eröffnungsstück „Reflectorum“ bereits bezeichnende Züge seiner späteren Serie Sinfonia Contempora zeigte.

1994 war Roedelius' Stil ein verwegener Mix aus Elektronik und manchmal klischeehaft klingendem Ambient-Jazz. Theatreworks, das in diesem Jahr entstand, wurde von The Wire, einem Magazin für experimentelle Musik, als Album des Monats ausgezeichnet.

Ein bedeutender Wendepunkt in Roedelius' Karriere war die Veröffentlichung der Sinfonia Contempora No. 1: Von Zeit zu Zeit im Jahr 1994. Roedelius dazu: „Seit dem Beginn meiner Karriere war nichts wichtiger, als meine eigene musikalische Sprache zu finden und ich habe sie, so glaube ich, gefunden.“ Das Album besteht aus zufällig entstandenen, im Prozess des Improvisierens aneinander angepassten Bandfragmenten (Klang-Puzzleteilen aus vielen verschiedenen Sessions zwischen Mitte der Achtziger- und Mitte der Neunzigerjahre), die mehrspurig übereinander gelegt einen scheinbar unzusammenhängenden und eigentümlichen Sound ergeben.

Die „Sinfonia Contempora No. 2: La Nordica (Salz des Nordens)“ wurde 1996 veröffentlicht und klang finsterer und trüber als der Vorgänger. Ebenfalls aus dieser Periode stammt das „Selbstportrait VI: The Diary of the Unforgotten“, das erste der neueren Selbstporträts. Anstatt Bänder aus den siebziger Jahren nur technisch zu überarbeiten (Remastering), ergänzte sie Roedelius mit Zuspielungen. Die Klangmontage „Homage à Forst“ verarbeitete viele Stücke von Harmonia und Cluster zu einer neuen Mischung.

In der Zwischenzeit formierte sich Cluster neu. Mit dem 1990er-Album „Apropos Cluster“ erneuerte sich die Band und begab sich in einem Stil nicht unähnlich dem von „Großes Wasser“ auf neue Wege in Richtung Techno. 1996 ging Cluster auf eine Tournee nach Japan und eine nach Amerika. Beide Tourneen flossen in die Live-Alben der folgenden Jahre ein. Clusters neuer Sound profitierte von Roedelius' „Sinfonia Contempora“ und Moebius' unverwechselbarem Stil.

Das Jahr vor der Jahrtausendwende wurde Roedelius produktivstes Jahr: Zwischen 2000 und 2001 veröffentlichte er ganze acht Alben. Als Roedelius sich 2000 das siebente Mal dem Thema Selbstporträt zuwandte, komponierte er für das entstehende Album „Selfportrait VII: dem Wind voran – ahead of the wind“ erstmals auch ganz neue Stücke. Im neuen Jahrtausend begann Roedelius außerdem mit anderen Musikern zu arbeiten, die meist jünger waren als jene, mit denen er in den späten achtziger Jahren zusammengewirkt hatte.

Eine 1995 begonnene andere Serie ist „Lieder vom Steinfeld“. Roedelius spricht darin – meist in seiner Muttersprache – Gedichte zu den Musikstücken. 2001 arbeitete er seit 1971 erstmals wieder mit Conrad Schnitzler, wodurch das später beim japanischen Label Captain Trip Records erschienene Projektalbum „Acon 2000/1“ entstand.

Roedelius wurde zunehmend berühmter seit die Gruppe Cluster 1996 wieder auf Tour ging. Er wird oft von Musikern des Elektronik Genres zitiert und veröffentlicht mehrere Alben pro Jahr, viele davon sind Zusammenarbeiten mit zeitgenössischen Musikern, die seine Fans sind. Ein Höhepunkte war das von Cluster bestrittene Eröffnungskonzert der documenta12 2007 in Kassel.[1] Roedelius arbeitete intensiv mit dem Komponisten Tim Story zusammen, 2009 erschien das Album Fibre mit den Musikern Jez Coad, Martin Barker und George Taylor. Es erreichte den dreizehnten Platz auf „the Third Uncut Playlist of 2009“ der britischen Musikzeitschrift Uncut, noch vor Bruce Springsteens Working on a Dream.

Im November 2010 wurde die dritte Trennung von Cluster bekannt gegeben. Offiziell wurde mitgeteilt, die Trennung bestünde darin, dass Dieter Moebius die Gruppe verlasse. Im Zuge des öffentlichen Interesses an dieser Meldung kündigte Roedelius an, als Nachfolge der Bands Cluster und Kluster ein neues Projekt namens Qluster zu beginnen. Diese Musikgruppe besteht aus Roedelius ergänzt um den Elektronik-Musiker und Tontechniker Onnen Bock und brachte 2011 eine Trilogie heraus: „Rufen“, „Fragen“ und „Antworten“, gefolgt vom Mitschnitt eines Live-Auftritts „Lauschen“ beim CTM-Festival in Berlin. Zwei weitere Werke sind für die Veröffentlichung 2015 vorgesehen. Eines davon, Onnen Bock/Armin Metz und Roedelius gemeinsam an drei Flügeln, betitelt „Tasten“ und ein weiteres, rein elektronisches mit dem Arbeitstitel „Echtzeit“.


Ich hoffe, Roedelius schreibt eine Autobiographie, denn wenn er eines Tages geht als Zeitzeuge, geht sehr viel Wissen verloren.

Alles Gute, Hajo, bleib gesund und bei fittem Verstand -- und bleib noch lange bei uns.

Hoch die Tassen!

Stephen
 
Zuletzt bearbeitet:
Das müßte Dieter Moebius gewesen sein (der leider seit gut zehn Jahren nicht mehr hier ist).

Stephen
 
Danke @ppg360 für die Zusammenfassung!
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich mein Interesse für die elektronische Musik wieder entdeckte und mein Fokus sehr schnell auf die Zeit der Berliner Schule schwenkte. Damals war ich von Apple noch ein gute Stück entfernt, entdeckte aber Cluster im iTunes Store. Ich bat einen Freund dann, mir zwei der Alben zu kaufen und habe die bis heute in meinem Fundus. Grandioses Schaffen!
Beste Glückwünsche zum Geburtstag!
 
Ich hoffe, Roedelius schreibt eine Autobiographie, denn wenn er eines Tages geht als Zeitzeuge, geht sehr viel Wissen verloren.
das hoffe ich auch.
sein wirken in den 70ern und 80ern hat mich sehr animiert, selbst musik zu machen.
"After the heat" ist für mich eines der besten elektronik-alben.

auch von mir alles gute zum 90sten!
 
Noch nie von dem Herrn gehört, aber sieht nett aus.
Das sieht nach sterilem Seniorenheim Zimmer aus. Immerhin kann er dort noch lächeln. Das kann nicht jeder.
 
Happy Birthday
Zuletzt 2022 in Köln Stadtgarten gesehen und gehört
Kurz über conny plank gesprochen ein sehr netter .
+ Autogramm
 

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Ich durfte ihn 1995 (glaub ich) auf der KlangArt in Osnabrück erleben, in der Kunsthalle Dominikanerkirche.
Selten so ein entspanntes Konzert erlebt.
Danke!

Schöne Grüße
Bert
 
Er ist übrigens auch gerade auf Tour.
Berlin, München, Rüsselsheim, Karlsruhe

 
Das sieht nach sterilem Seniorenheim Zimmer aus. Immerhin kann er dort noch lächeln. Das kann nicht jeder.
Das ist wohl das Caritas Haus in Baden bei Wien (siehe Impressumsadresse auf seiner Webseite). Nach steril sieht das nicht aus. Und mit 90 ist es durchaus verständlich, dass man lieber im betreuten Wohnen wohnt. So Dinge wie Wäsche waschen, Wohnung putzen, Essen einkaufen kann man sich irgendwann "sparen". Und wenn irgendwann Pflege notwendig sein wird, dann wird man da gepflegt, wo man sich inzwischen zu Hause fühlt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch nie von dem Herrn gehört, aber sieht nett aus.
Das sieht nach sterilem Seniorenheim Zimmer aus. Immerhin kann er dort noch lächeln. Das kann nicht jeder.

Zumindest laut Spotify sieht es aus als wäre er noch ziemlich aktiv!

Ein Album "90" mit 50 Tracks! Und Sein Track "VÍK I" von 2023 gefällt mir sogar recht gut.
 

Wie komponieren Sie denn dann?

Ich bereite mir zwischen 50 und 100 Klangquellen vor, Soundlandschaften, Vogelzwitschern, Wasserrauschen, Samples, eine Pianofigur. Ich sitze am Keyboard, die Klänge liegen vor mir auf dem Bildschirm, ich habe einen Laptop und zwei iPads. Jetzt habe ich die Wahl: Womit fange ich an? Das ist bestimmt vom Publikum, von der Atmosphäre im Raum, der Bereitschaft, zuzuhören. Dann lasse ich es kommen. Ich bin so drin, dass ich überhaupt nicht mehr merke, was läuft. Martha ist manchmal völlig geplättet, mit wie viel Stille ich manchmal arbeite.



In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, am Anfang Ihrer musikalischen Arbeit seien Sie "krank geworden von meinen eigenen Tönen".

Ich habe so herumexperimentiert, dass ich mich selbst beschädigt habe. Monatelang hatte ich Bauchschmerzen, als ich mit dem MS-20 experimentiert habe, ein analoger Synthesizer, mit dem man in die tiefsten Tiefen der Hölle gehen kann. Da musste ich rein. Dann habe ich mich eines Tages von dem Ding abgewendet und Klavier gespielt - und von Stund an ging es besser.“
 
Ich war gestern abend im Konzert. Er begann mit einem Gedichtvortrag, dann etwa vierzig Minuten Improvisation am Flügel. Musikalisch "nett", harmonisch großteils seeeehr eingängig, zwanzig Minuten hätten mir persönlich von dem einen Stück genügt, dann hätte ich gerne noch ein etwas anderes Klavierstück gehört. Danach gab es ein "elektronisches" Stück. Defacto Abfeuern von Samples im iPad von irgendwelchen irgendwie synthetisierten Klänge, meist eher Abteilung Effekt-Klang. Ganz selten mal was tonales dazwischen. Das "Stück" dauerte etwa eine Viertel Stunde, und wurde von ihm relativ rüde beendet. Da war er offensichtlich mit sich selbst nicht zufrieden.
Zum gesamten Auftritt lief ein Video in dem ein "Thing Ballet" (Hände hantieren mit einem Holzkästchen) in vielfachen Kacheln lief, zum Teil mit Video-Delay, Farb-Invertierung, Spiegelungen. Das hat mir gut gefallen. Leider gab es keinen Hinweis, von wem das Video stammt.
 


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