Re: MUSIK: Now Playing..
Herbert Grönemeyer.
Habe ein Konzert auf ORF 1 von ihm gesehen (Sendung vom 2. Dezember), das fand ich gut in mehrerer Hinsicht. Erstens der Kontakt zum Publikum. Er ist mehrmals einfach ins Auditorium gelaufen, singend. Keine Barriere dazwischen. Keine Bodyguards die aufpassen. Ist offenbar nicht nötig, da er als Opa kein Objekt der Begierde ist. Eine schöne Sache eigentlich. Das fand ich enorm gut. Er kann (darf) das.
Dann sind noch die Texte. Wenn ich das richtig aufgeschnappt habe:
"Die Erde ist freundlich. Warum wir eigentlich nicht?"
Der war deutlich zu vernehmen, daher direkt fehlerfrei. "Warum wir eigentlich nicht" ist enorm gut, sehr poetisch. Keine Anklage, es wird kein Zwang erzeugt oder hintergründig Schuld formuliert. Kein Appell, keine Aufforderung, einfach nur eine harmlose Frage. Eine Frage, die wir uns jeden Tag stellen können. So sollen gute Texte klingen.
Und: Dann fällst du nach oben.
"Dann fällst du nach oben". Sowas von abstrakt. Vielleicht habe ich das eben nicht richtig verstanden, oder interpretiere da was rein. Falls er das wirklich gesungen hat, dann kann man nur sagen, dieser Mann ist wahrlich inspiriert.
Ein Künstler in der inspirativen Phase sagt Sachen, die sie/er eigentlich gar nicht versteht. Sachen von höherer Bedeutung. Man stelle sich nur vor, zu fallen. Loszulassen. Aber diesmal nicht nach unten in die Tiefe, in den Abgrund, gar ins Verderben oder in den Tod, nein, nach oben.
Wie gesagt, ich habe das möglicherweise nicht richtig verstanden, akustisch. Doch ich traue ihm das zu. Denn die ganze Darbietung war so was von genial, dass ein Missverständnis fast ausgeschlossen ist. Auch seine Handhabung des Mikrophons bzw. der Stimme ist einfach die eines Meisters. Ich habe zwar ein Problem mit seiner Artukilation, dieses Zack-Zack, dieses Deutsche, das kann sogar Angst machen. Aber die Poesie seiner Texte und seine echte Bescheidenheit und Dankbarkeit gegenüber dem Publikum macht diese Zackigkeit wieder versöhnlich. Dann ist es Stärke und Kraft, Kraft des Schreibers, der aus Drang seine Texte veröffentlichen muss.
Sturm und Drang ist ein Begriff aus alten Zeiten, doch hier scheint ein Poet am Werke zu sein, am Höhepunkt seiner Schaffenskraft.
Die Musik, das gebe ich zu, reisst mich nicht so sehr hin. Da ist, nur um ein Beispiel zu nennen vom vorherigen Beitrag, Joy Division schon eher mein Geschmack. Aber manchmal oder in diesem Falle spielt das nicht mehr so eine grosse Rolle. Das Publikum wurde völlig mitgenommen. In eine Reise der Träume, Hoffnungen, Begeisterung. Das ist unheimlich wertvoll bei einem Konzert. Eigentlich das wesentliche.