Das Elend der feuilletonistischen Musikkritik

Mehrfach, am besten hört man das wohl so ab Minute 2:25 bis ca. 2:50
Da geb ich CR und Omega Minus vollkommen recht her. Das kann man nicht als 'Synkopenlauf' bezeichnen. Eine Synkope ist eine vorgezogene Betonung, nicht einfach eine Pause auf "und". Von einer vorgezogenen Betonung kann hier keine Rede sein.

Trotzdem macht der Ausdruck "Synkopenlauf" grundsätzlich Sinn. Ja, sowas gibt es! Hier ein – vielen wohl bekanntes – Beispiel:
https://invidio.us/watch?v=DtuMG02FoP4 (Human League's Version von You've Lost That Loving Feeling).
Die erst in 0:51 einsetzende Bassfigur darf man so bezeichnen. Synkopen sind wohl genug drin, und - abgesehen vielleicht von dem etwas niedrigen Tempo - ist das sicher auch ein "Lauf".

--bohor (der sich ab jetzt aus dieser Definitionsfrage eines musikwissenschaftlichen Fachausdrucks raushält, weil die Diskussion hier zwecklos ist)
 
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Gefühlsmäßig wird da nicht das Betonungsschema des Taktes aufgebrochen, dass ist für mich eine einfache Repition. Einfach mal mitzählen. Der zweite Schlag ist für mich keine vorgezogene 2, das Gefühl wird (bei mir) mitnichten etabliert.

Grüße
Omega Minus
Sprechen wir ueber die gleiche Stelle? ab 2:27, Orgelphrase, vorgezogene 4
 
Omega Minus: gutes Bespiel fuer einen synkopierten Lauf.

(Mit meiner Frage versuchte ich lediglich CR's Kommentar zum 'Synkopenlauf' zu verstehen.)
 
Da geb ich CR und Omega Minus vollkommen recht her. Das kann man nicht als 'Synkopenlauf' bezeichnen. Eine Synkope ist eine vorgezogene Betonung, nicht einfach eine Pause auf "und". Von einer vorgezogenen Betonung kann hier keine Rede sein.

Meines Wissens nach muss die Betonung nicht zwangsläufig vorgezogen sein, sondern entsteht generell durch die rhytmische Verschiebung. Dabei zählt auch, dass der erwartete Toneinsatz fehlt und auf eine andere Zählzeit verschoben wird.
 
Warum kann man nicht einfach machen was man will? Sich an anderen orientieren ist ja ok, aber zu gucken das man was eigenstendiges macht ist doch besser wie ich meine.
 
Sprechen wir ueber die gleiche Stelle? ab 2:27, Orgelphrase, vorgezogene 4

Achso, ich dachte immer, es geht um den Bass. :) Wenn ich mir die Stelle aus dem Gedächnis krame: Ja, da wird mal ein Ton vorgezogen.
g as des c (die ersten drei sind auf dem beat, das c ist vorgezogen, Rest auf dem Beat)
g as c b (as und b sind vorgezogen, RadB)
g as des c b c (die ersten drei sind auf dem beat, das c und b sind vorgezogen, das letzte c auf dem Beat)
9 drauf 5 vorgezogen ... ja, da sind Synkopen drin. Also kein Synkopenlauf, sondern bestenfalls teilweise. Als Synkopenlauf würde ich verstehen, dass da ganz viele Synkopen hintereinander kommen. Lauf im Sinne von "Abfolge". Aber "maximum run length = 2" ... da hatte Bach aber schon mehr geboten, 250 Jahre vorher. :)

Aber ich bin kein Musikwissenscahftler.

Grüße
Omega Minus
 
Meines Wissens nach muss die Betonung nicht zwangsläufig vorgezogen sein
So ist es aber. Sonst wäre die allermeiste Musik irgendwo "synkopisch".

Bitte höre den Anfang von "Ball of Confusion" (Bass und Pizzicato-Streicher):
https://invidio.us/watch?v=D5P7x4vh_ts

Solche Rhythmen gibt es zu Hauf in der Welt. Da wird, salopp gesagt, einfach der erste Schlag mit einer Art Echo versehen. Da wird nichts vorgezogen, da ist keine Synkope.

In dem Song von Kraftwerk gibt es eigentlich gar keine Synkopen! Die meisten Musiker hätten schon in den einleitenden Akkorden mindestens den letzten vorgezogen. Das wird hier genau nicht gemacht. Eben das macht ja gerade den gewünschten roboterhaften Stil aus!

Das terminologische Problem, das uns hier beschäftigt, ist einfach folgendes:

Der Jazz hat das Vorziehen des Phrasenabschlusstons, der meist auf der "Eins" liegt, zu etwas ganz Normalem gemacht. Später wurde fast immer und überall alles vorgezogen. Das gehört zum üblichen nervösen Stil (Jazz, Funk, ...) dazu. Also hat sich das Wort "Synkope" etabliert in der Bedeutung "nervös, aktiv, avantgardistisch." Und der – im journalistischen Stil schreibende – Kritiker will uns sagen, Kraftwerk sei avantgardistisch. Also verwendet er das Wort "Synkope", weil es ungefähr dieses Bedeutung hat – bei ihm und bei seinen Lesern. Das ist alles.

--bohor
 
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Offengestanden weiß ich nicht, was ich schlimmer finde: den soziologisch und psychologisch treffsicheren wiewohl musiktechnisch etwas unbedarften Musikkritiker der ELP-Besprechung - oder das rechthaberische sich im Elfenbeinturm verstolpernde Musikwissenschaftlertum hier, das komplett an der Musikrezeption in der ganzen Welt vorbeitaumelt...
 
So ist es aber. Sonst wäre die allermeiste Musik irgendwo "synkopisch".

Ich hätte diverse Literatur die sagt dass eine Synkope sich durch vorziehen, nachholen oder auslassen definiert, bzw. einige meinen letzteres wäre dann eher eine Horiskope.




Auch wenn das weniger zählt, aber bei Wikipedia wird das auch so definiert ;-)
 
Offengestanden weiß ich nicht, was ich schlimmer finde: den soziologisch und psychologisch treffsicheren wiewohl musiktechnisch etwas unbedarften Musikkritiker der ELP-Besprechung - oder das rechthaberische sich im Elfenbeinturm verstolpernde Musikwissenschaftlertum hier, das komplett an der Musikrezeption in der ganzen Welt vorbeitaumelt...

Ich kann nur von meiner Musikrezeption sprechen. Ob die abwertend aus dem Elfenbeinturm kommt oder aus der Gosse ist mir egal. Wie die Musikrezeption der ganzen Welt aussieht, weiß ich nicht. Deswegen habe ich zumindest gesprochen, wie es auf mich wirkt. Bin aber auch kein Musikwissenschaftler, sondern -praktiker. Trotzdem ist es eigentlich ganz vernünftig, wenn man sich auf Begriffe einigt, wenn man kommunizieren möchte.

Wenn das egal ist: Der Willibald ist bei Kraftwerk besonders prägnant, besonders, wenn er auf den Schrubbel nach einem Palawaum *) trifft. Tja, dann dürft ihr jetzt raten, was ich meinen könnte. Ich will das gar nicht definieren, das wäre ja zu wissenschaftlich. "Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen." :cool:

Grüße
Omega Minus

*)
"Sieben Banuze sind ein Palawaum."
Wer kennt es noch?
 
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