Ob man die GX-1 so gut zuordnen kann, bin ich mir nicht sicher, weil sie eben ein Prototyp mit einzigartigem Umfang war. Die war ja noch volldiskret aufgebaut, war sie doch im Prinzip ein Technologieträger. Deshalb hat man auch Oszillatoren, Filter usw. als Module in Epoxidharzblöcke eingegossen, damit die Konkurrenz sie nicht abkupfern konnte. Auf jeder Voicecard sitzen 8 Epoxyblöcke, jede dieser Cards wiegt alleine schon ein knappes Kilo. Aber das ganze Epoxy macht die Klangerzeugung auch unempfindlicher als z. B. die offenen Schaltungen eines Minimoog.
Vom Signalweg her ist sie sowieso komisch und weicht ziemlich ab von dem, was wir von Ami-Synths kennen.
Sie war ja schon der erste halbwegs moderne Polysynth, aber bei Yamaha war man dann auch noch so dekadent, Layering einzubauen, d. h. bei 18 gleichzeitig spielbaren Noten hat sie die Hardware für 37 Stimmen; die gelayerten Sounds nennen sich dann "Tones". Solomanual, oberes und unteres haben 2, von denen einer beim Solomanual abweichend ist und ohne Presets arbeitet, Baß hat auch 2, von denen aber einer doppelt vorhanden ist für noch fetteren Baßsound.
Die Tones haben jeweils nur einen Oszi, der gibt aber 4 Wellenformen aus und hat dann auch noch einen beigelegten Rauschgenerator. Zwischen den Wellenformen kann man nicht umschalten, sondern die kann man alle mischen, also teilweise zuschalten, teilweise wie das Rauschen zuregeln. Vor Sägezahn und Puls (mit eigenem PWM-LFO) sitzt dann auch noch ein Splitter, den Puls hat man zusätzlich mit BPF, den Sägezahn mit HPF. Also 7 Signale, die vor den Filtern gemischt werden.
Dann gibt's yamahatypisch zwei 12-dB-Filter mit einem ziemlich eigenen Klang in Reihe, erst Hochpaß, dann Tiefpaß, selbe Reihenfolge wie beim CS80, auch um die charakteristischen Artefakte des Hochpaß in den Griff zu kriegen. Die Filter haben beide 100% Keyfollow, werden also nicht nach Frequenz geregelt, sondern harmonisch und gehen von 25 Hz bis 10 Oktaven darüber, also 25,6 kHz – der Frequenzgang der GX-1 wird also im Zweifel erst im Ultraschall vom Tiefpaß beschnitten.
Filterhüllkurve gibt's pro Tone nur eine, auch wenn's beim oberen und unteren Manual pro Tone 16 Hauptfilter gibt (weil 8 Stimmen). Will sagen, die Filter sind polyphon, die Filterhüllkurve ist paraphon und wird auch nicht retriggered. Hört man schön in "I Have A Dream" von ABBA. Außerdem moduliert sie immer alle Filter gleichermaßen. Dafür ist es keine ADSR-Hüllkurve, sondern wie beim CS80 eine von der Form her identische bipolare IL/AL/ADR-Hüllkurve, die einen Env-Mod-Parameter überflüssig macht, weil der Anfangs-/Endlevel und der Level am Ende vom Attack eingestellt werden und Sustain immer null ist. Schade, daß es das nicht mehr gibt. Dies zum Thema Wegsparen von Hüllkurvenparametern, Moog. Die Verstärkerhüllkurven sind aber ADSR und polyphon. Ach ja, meines Wissens hat die GX-1 immer noch von allen analogen Polysynths die schnellsten Hüllkurven, Attack geht runter bis zu einer Tausendstelsekunde, Decay und Release bis zu einer Hundertstelsekunde. Das hat sie auch bei ABBA bewiesen, wie schön sie blippen kann.
Vielleicht kann man sich das alles besser vorstellen, wenn man sich die einzige Möglichkeit zum Preset-Selbstbau anguckt, die
Settings Box (gefunden bei
Sequentix, die die GX-1 midifizieren können). By the way, die grafische Hüllkurveneditierung ist klasse.
Du hast also pro Tone und Stimme schon 4 Filter. Sollte das noch nicht reichen, gibt's im Performance-Bereich – also nachdem die Tones gemischt wurden – ein regelbares LPF, das jeweils ein ganzes Manual (nicht den Baß) dumpfer oder heller machen kann und sogar resonanzfähig ist. So gesehen verwendet jede Stimme des OM oder UM bis zu 9 Filter.
Tuning kann man übrigens auch nicht an den Oszillatoren einstellen, sondern nur für die Tones als Ganzes. Die grobe Stimmung in harmonischen Schritten wird eingestellt mittels "Over Tone" in vorgegebenen Stufen um bis zu drei Oktaven nach oben und beim kurzen Solomanual drei Oktaven nach unten. Feintuning geht einmal als Ganzes pro Manual (für individuelle Oszis muß die GX-1 geöffnet werden, aber die GX-1 ist sehr stimmstabil) und außerdem für die Zusatztones zwecks Schwebung per "Wave Motion", die man für die zwei Zusatztones im Baß separat einstellen kann. Das gehört aber nicht zu den "abspeicherbaren" Tone-Einstellungen.
Modulationen jenseits der Hüllkurven und der PWM-LFOs übrigens auch nicht. Dafür gibt's pro Manual einen LFO ("Sub Oscillator") mit sechs wählbaren Waveforms (Sinus, Dreieck, zwei Sägezähne, Rechteck, S&H) und drei regelbaren Zielen, beim OM und UM für beide Tones gleichermaßen. Dann gibt's – ich meine, für die ganze Maschine – etwas, das nennt sich heute "Slop" und bei der GX-1 "Random" und variiert zufällig Oszillatorfrequenzen, Cutoffs und/oder Lautstärken; die GX-1 läuft so stabil, daß das nötig ist, um sie wieder lebendig zu machen. Dann pro Manual eine Oszillatorhüllkurve, die einfach nur die Tonhöhe per Attack von unten ein"bendet" – nennt sich "Pitch Bend". Für die Releasephase der Verstärkerhüllkurven gibt's auch externe Regler zum Variieren und noch einiges mehr.
Am meisten Regelmöglichkeiten hat man noch beim Solomanual. Das hat zwar nur einen Tone mit Presets, aber einen zweiten, der komplett am Gerät geregelt wird und einfacher aufgebaut ist, aber eine umfangreichere Oszillatorhüllkurve hat mit Anfangs- und Endwert und zwei Zeiten. Ansonsten kann man nämlich in die Tones selbst an der GX-1 nicht eingreifen, und der Soundeigenbau erfordert eine Art analogen externen Programmer, die Settings Box, und einen Schraubendreher für Potis.
Die GX-1 ist trotzdem so kompliziert, daß die Anleitung auf Seite 12 eine Art Pre-Flight-Checkliste hat.
Schon beim SY-1 und SY-2 hat man die Struktur ungefähr auf CS80-Umfang reduziert. Auf jeden Fall haben die nicht mehr die vier Wellenformen pro Oszillator und vier Filter pro Stimme.