Skalen der Welt und "Beyond": Skalentheorie, Beispiele, praktischer Einsatz

T

Turing

Thou shalt not loop
Dieser Thread soll ein Ort sein, um über alles im Zusammenhang mit Skalen (jenseits der üblichen Dur- und Mollskalen) zu sprechen:
  • Skalen der Welt (Skalen aus den unterschiedlichen Kulturen, exotische Skalen)
  • darüber hinaus: konstruierte Skalen, die in keiner Kultur traditionell genutzt werden
  • Skalentheorie (alles was man wissen sollte, um solche Skalen nutzen zu können)
  • bekannte oder weniger bekannte Beispiele von Skalen
  • Beispiele für den Einsatz der Skalen
    (gerne von uns hier aus dem Forum, in Tracks/Songs von anderen, in Werken klassischer Komponisten usw.)
  • Ressourcen zu Skalen, Skalentheorie usw. im Web, Publikationen usw.
 
Zum Einstieg hier ein verschobener Beitrag, der an anderer Stelle nicht so richtig gepasst hatte:

Gäbs Interesse an einem Battle, bei dem Stücke sich weder in Dur- noch im Moll-Diatonik, auch nicht im 1. Modus von Harmonisch-/Melodisch-Moll und Pentatonik aufhalten sollen, sondern ausschließlich in exotischeren diatonischen Modi und Skalen. Modulation von einer exotischen Skala in die andere erlaubt.
Ich sehe schon. Womöglich besteht aber Interesse an einem eigenen Thread zu dem Thema, ohne Battle-Kontext? Einfach zum Posten fremder und gerne eigener Beispiele aus dem Grenzbereich im Dreieck Dur/Moll, dem Jazz (mithin auch der osteurop. Klassik) und der Zwölftonmusik. [...]
Moment, da gibts doch schon nen Thread, sogar von mir selber eröffnet. Tja, ich werd älter. https://www.sequencer.de/synthesize...ur-moll-in-gleichschwebender-stimmung.153595/
Es hatte sich dann aber gezeigt, dass es in dem von Neusiker verlinkten Thread vorrangig um das Thema Tunings geht.
Daher jetzt dieser neue Ort hier.
Die eigentliche Idee greife ich nun mal auf und verlinke hier ein paar eigene Beispiele, die ich in diversen sequencer.de-Battles oder als Demos eh schon präsentiert hatte.
Generell findet man im kostenlosen e-Buch "Scale Omnibus" eine große Sammlung von Skalen der Welt (https://midi2themax.gumroad.com/l/scale-omnibus).
Besonders im Anhang stecken (oder steckten früher) aber auch diverse Fehler. Im Zweifelsfall sollte man immer noch einmal prüfen, ob ein Skalenmuster aus dem Anhang wirklich stimmt.
Ich benutze den Scale Omnibus nicht mehr, seit ich mir vor Jahren mal am Computer alle kombinatorisch möglichen, halbwegs gutartigen Skalen ausgeneriert habe.
So habe ich eine systematische und geordnete Liste, die für mich praktischer ist als eine Ordnung z.B. nach kulturellem Ursprung.
Ich finde es sehr entspannend, eine Skala herauszupicken und (meist dann mit der Gitarre) die Möglichkeiten der Skala spontan zu erforschen und zu versuchen, mit ihr "Musik" zu machen.
Das ist, als würde ich kurz in eine unbekannte Welt eintauchen.
So kommt es auch, dass ich hier in den Battles, wenn es nicht gerade ein Remix ist, nie etwas in "normalem" Dur oder Moll einstelle.
Beispiele:

Bestimmt können andere hier auch ein paar Tracks beitragen, bei denen sie sich bewusst auf die Töne einer bestimmten Skala (außer Dur oder natürlich/harmonisch/melodisch Moll) beschränkt haben?

*Durch den Tipp von Omega Minus bin ich auch auf diesen Online Scale Finder gestoßen: https://ianring.com/musictheory/scales/finder/
Ist noch einmal bequemer als das Nachschlagen im Scale Omnibus, und man erhält sehr viele Detailinformationen, Diagramme und auch Metriken zu jeder Skala.
 
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Auf Anhieb fallen mir die Modies von Olivier Messiaen ein:


Bezüglich der Stimmung behalte ich mal im Hinterkopf evtl. ein paar Soundbeispiele zu machen. Leider unterstützen nicht alle Synthesizer Microtuning; Vital und SurgeXT haben da m. E. die Nase vorn. Neben der uns bekannten gleichstufigen Stimmung gab es früher Mitteltönig, diverse Kompromisse (z. B. Werckmeister) bis hin zur Wohltemperierung. Ein sehr spannendes Thema B-)
 
Sofern ich Zeit habe, gehe ich mal in einem Beitrag den Aufbau der Informationen zu Skalen in dem verlinkten Scale Finder durch und versuche die wichtigsten Begriffe zu erklären, die dort genutzt werden.
Das ist nur schon mal eine Ankündigung.
Da gibt es auch eine Info zur "Rotational Symmetry". Messiaen hat sich gerade für solche Skalen interessiert, die eine Rotationssymmetrie haben. D.h. die Skala hat zwei identisch gebaute Hälften, Drittel oder Viertel.
Bei den im Westen gebräuchlichen 7-tönigen Skalen ("heptatonisch") ist eine Rotationssymmetrie aber grundsätzlich nicht möglich.
Dazu muss man die 6-, 8- oder 9-tönigen Skalen anschauen (die einen gemeinsamen Teiler mit 12 haben), wie es Messiaen ja auch getan hat.

@Sarah-Rafaela:
Beiträge zu Microtuning oder abweichenden Stimmungs-Systemen sollten idealerweise hierhin:
Habe das Skalen-Thema gerade aus dem anderen Thread herausgelöst, damit es hier vorrangig um die Skalen gehen kann (obwohl andere Kulturen natürlich auch eigene Stimmungen nutzen) und in dem anderen Thread vorrangig um die abweichenden Tunings.
 
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Töne E F F# G# A B D
Töne einer Tonleiter werden eigentlich so bezeichnet, dass jeder einen eigenen Buchstaben kriegt: E F Gb Ab Bbb Cb D E. Bbb macht mich da aber selber unsicher, weil wenn dann noch unterwegs weiter runteralteriert wird ... irgendwann muss man halt doch umdeuten.
 
Das bezog sich ja auf die aeoloptische Skala oben.

Ich hatte bei dieser die Notennamen umgedeutet, um die Skala besser lesbar zu machen, und weil ich die eigentlich korrekte Schreibweise hier zweifelhaft finde.
Bei den ganzen komplizierteren Skalen muss man sowieso ständig enharmonisch verwechseln.
Je nach Kontext kann das F zu einem E# umgedeutet werden, das sich zum F# auflöst.
Oder eben es ist ein F und fallender Leitton zum E.
Oder das G# kann zu einem Ab umgedeutet werden und B zu einem Cb, um über der Skala einen verminderten Dreiklang über F schreiben zu können.
Diese Skala mit fortlaufenden Notennamen als E F Gb Ab Bbb Cb D zu schreiben, ist zwar möglich und technisch gesehen sicherlich korrekt, aber lebensfern. So hört diese Skala niemand.
Ich bin mir sicher, dass jeder z.B. den Dreiklang über dem Skalengrundton als E - G# - H hört und nicht ein E - Ab - Cb (mit verminderter Quarte und verminderter Sexte).
Und niemand würde sagen, der Stufendreiklang über E ist hier aber in Wirklichkeit E - Gb - Bbb (materiell identisch zu E - F# - A) und Du hast das jetzt als einen Dreiklang über E mit verminderter Terz und doppelt verminderter Quinte zu hören.

Bei der oben auch schon genannten alterierten Skala ist das spannender. Ich denke, da kann man die verminderte Quarte schon als solche hören und nicht als große Terz, wenn das so in Szene gesetzt wird.
Die alterierte Skala hat sowieso eine Doppelnatur. Man kann sie betrachten als eine lokrische Skala, bei der neben der Quinte dann auch noch die Quarte vermindert wird. In diesem Zusammenhang wird sie auch "Superlocrian" genannt. In dieser Weise habe ich auch versucht, sie in meinem Beispiel zu verwenden.
Die Töne sind dann mit (im obigen Beispiel) D Eb F Gb Ab Bb C korrekt bezeichnet.
Im Jazz wird die alterierte Skala aber auch gerne genutzt, um über alterierten Dominanten zu solieren.
D.h. man deutet die verminderte Quarte Gb dann als große Terz F# um (ist ja vom klingenden Ergebnis her in der gleichstufigen Stimmung derselbe Ton).
Für die Dominante braucht man auch die kleine Septime (C).
Dann fügt man alle möglichen Alterationen dazu: b9 (Eb), #9 (E#), #11 (G#), #5 (A#).
Daher der Name der Skala.
Die alterierte Skala wird in diesem Fall gedeutet als D Eb E# F# G# A# C.
Solche enharmonischen Verwechslungen sind also immer möglich - und sie ändern hier auch den Charakter der Skala in eine alterierte Dominant-Skala um (Akkordbestandteil ist nun die große Terz und das F wird zu einer übermäßigen None E# von D umgedeutet. Sie existiert in der Skala gleichzeitig zur ebenfalls vorhandenen kleinen None Eb).
Bei der anderen Deutung dagegen hatten wir die alterierte Skala als eine Skala über einem halbverminderten Akkord (Dm7b5) mit verminderter Quarte gehört.

Das siebentönige System der Notenbezeichnungen ist ein Korsett, wie man hier sieht, bei Skalen mit z.B. 6 oder 8 Tönen funktioniert es sowieso nicht mehr.
Wie das Alteriert-Beispiel zeigt, kann man (wenn man Sachverhalte in Noten aufschreibt) aber immer noch durch die Notennamen und enharmonische Verwechslung zum Ausdruck bringen, wie man die Skalentöne in diesem Moment gerade betrachtet bzw. welche Logik sie haben (Akkordzusammenhänge, Leittöne u.ä.).
 
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