Auf die Gefahr hin, mich wieder einmal äußerst unbeliebt zu machen -- das interessiert mich mit zunehmendem Alter sowieso immer weniger --, gebe ich als armes Würstchen meinen unbedeutenden Senf dazu:
Was mich an dieser Veranstaltung im Speziellen und Veranstaltungen dieser Art im Allgemeinen stört, ist nicht diese szeneinterne Selbstbeweihräucherung und die zelebrierte Mittelmäßigkeit -- böse Zungen würden jetzt wahrscheinlich behaupten, daß ich mich doch dort gerade aus diesem Grunde sauwohl fühlen müßte --, denn diese Nummer kenne ich persönlich schon seit Gründung dieser Klübchen. Da hat sich nichts geändert, da wird sich auch niemals etwas ändern. Ich war vor zwei Jahren für kurze Zeit bereit, meine Meinung zu revidieren, habe es dann aber auch dabei belassen. Der Beweis, daß ich mich irrte, wurde mir nie erbracht.
Die Gründungsveranstaltung des "Schwingungenclubs" (später nur noch "Swingerclub" genannt... Einlaß nur nach Gesichtskontrolle und für Mitglieder) endete schon am Gründungstag im Debakel, weil plötzlich alle nur noch Präsi, aber keiner mehr Mineralsekretär sein wollte. Und schon gab es die Spalter, die einander auf´s Heftigste bekämpften und Sprüche klopften wie "Wer in dieser Szene etwas werden möchte, kommt an mir nicht vorbei!". Kindergeburtstag. Kaschperletheater. Wie ernst will das genommen werden? Und in sich schon fast ein wenig elitär in der Grundhaltung, "Wir bestimmen, wer hier rein darf und wer nicht und was elektronische Musik ist und was nicht." Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein Gespräch mit Ulli Rützel -- seinerzeit Betreiber des Erdenklang-Labels -- bei einer dieser Zusammenkünfte an den Externsteinen (noch unter Trenkler-WDR-Ägide), der das Ganze sinngemäß als "faschistoid anmutende Blut-und-Boden-Nummer" bezeichnete. Das fand ich damals ziemlich extrem -- ich war, um ehrlich zu sein, ziemlich erschüttert --, aber mittlerweile glaube ich zu verstehen, was er damit gemeint hat...
Nein, das ist alles Beiwerk, welches nur ein weiterer guter Grund für mich ist, dort nicht aufzukreuzen. Ich weiß schon vorher, daß ich mich ärgern werde, also lasse ich es gleich bleiben und verschwende nicht meine Zeit.
Zurück zum Thema:
Was mich bei dieser speziellen Veranstaltung vom vergangenen Wochenende äußerst befremdete, war die Tatsache, daß ebendort Winfrid Trenkler ein Preis für sein Lebenswerk überreicht werden sollte, da er sich in fast vierzig Jahren unermüdlichen journalistischen Schaffens um die Etablierung der elektronischen Musik in Deutschland und dem benachbarten Ausland so verdient gemacht hat. Wie bitte?! Höre und lese ich recht?!
Vor gut zehn Jahren fiel die gesamte deutsche Szene über Winfrid Trenkler her, wie jüngst die Presse über die Pius-Bruderschaft: "Trenkler, die alte Nazisau!" "Der hat zuhause den Völkischen Beobachter liegen." "Der abonniert NPD-Zentralorgane!" "Der hat ein Buch auf dem Tisch liegen, in welchem der Holocaust geleugnet wird!" "Faschoschwein!" "Der Klangschaftführer (es gibt sogar ein Stück auf einer der unerträglichen Klaus Schulze Boxen, welches ebenjenen Titel trägt, nebenbei bemerkt)!". "So war der schon immer!"
Hä? Diverse prominente Musiker -- und solche, die sich dafür hielten --, denen Trenkler in den Siebzigern den Steigbügel gehalten hat, distanzieren sich öffentlich von Trenkler, und ein Musikjournalist, welcher dereinst für die KEYBOARDS Tonträger rezensierte und Szeneneuigkeiten verbreitete, stieß in ein ähnliches Horn, und jetzt Laudatio? Es flog A-A aus allen Rohren auf Trenkler. Irgendwem war er wohl auf die Füße getreten, keine Ahnung, was da passiert war. Wo war denn die Szene damals? Indifferente Haltung. Duckmäusertum. Getuschel. Das zeugt von Mut und Rückgrat. Bravo! Hätte man genausogut Trenkler posthum ehren können... das hätte auch nicht allzuviel an Mut und Zivilcourage erfordert.
Entweder, die Szene hat ein sehr schlechtes -- oder sehr selektives -- Gedächtnis, oder hier handelt es sich im Nachhinein um eine verspätete Wiedergutmachung des Schadens, den das Ansehen Trenklers in der Öffentlichkeit genommen hat. Ich möchte hier keine Lanze für Herrn Trenkler brechen, im Gegenteil: Ich persönlich fand seine indifferente Stillhaltetaktik äußerst befremdlich, denn wenn mir jemand ans Bein pißt, muß er damit rechnen, sich mit meinen Anwälten herumschlagen zu dürfen -- und notfalls auch mit mir persönlich. So nicht bei Trenkler. Er schwieg, und in diesem Falle war sein Schweigen für alle, die ihm am Zeug flicken wollten, Wasser auf ihre Mühlen. Kein Schweigen eines weisen Mannes, sondern für die, die ihm übel gesonnen waren, äußerst beredt.
Und jetzt ist alles vergeben und vergessen? Unter den Teppich gekehrt? Wo ist die Entschuldigung? "Winfrid, wir haben Dir sehr übel mitgespielt, es tut uns leid." Oder ist dies die Gnade des Vergessens? Oder etwa das Suchen nach Helden, die diese Szene sowieso nicht zu bieten hat? Da nimmt man, was man kriegen kann? Leute... wenn ich Bigotterie beschreiben müßte, dann würde ich es mit diesem Paradebeispiel tun.
Ich kenne Trenkler etwas näher (aber nicht gut genug, um mir ein Urteil erlauben zu wollen), hatte das Vergnügen, mit ihm diverse sehr intelligente -- was manche Leute bei mir sicherlich nicht voraussetzen würden! -- und tiefschürfende Gespräche führen zu können, als er noch öfters in Duisburg weilte. Über politische Weltanschauungen haben wir nicht diskutiert, und ehrlich gesagt, interessieren sie mich auch nicht, solange die Leute mir damit nicht auf die Nerven gehen (da bin ich ganz Niederländer... het moet achter de deur blijven!). Ich habe damals Winfrid gegenüber den Standpunkt in dubio pro reo vertreten -- ich habe das große Latrinum! --, und der Beweis für all die Anschuldigungen wurde nie erbracht.
Das Einzige, was ich Trenkler immer übelgenommen habe, war seine äußerst indifferente Haltung gegenüber Musik, die ich persönlich als den Untergang elektronischer Musik -- oder dem, was ich mir darunter vorstelle -- empfunden habe. Mit Dennis Hart und Ralph Lundsten hat er Maßstäbe gesetzt, die heute noch geschmäcklerisch das Eichmaß der elektronischen Musik innerhalb dieser Szene darstellen. Zelebriertes Stümpertum. James Last auf elektronischen Instrumenten. Tut niemandem weh, überfordert niemanden, ist harmlos, mittelmäßig, ungefährlich, leicht zu ignorieren. Erbärmlich also nach meinen Maßstäben (die hier, Gottseidank, keine Rolle spielen). Trenkler hat ein enormes musikjournalistisches Hintergrundwissen, und das für diesen mediokren Mist einzutauschen... das fand ich immer sehr bedauerlich, fast schon schändlich. Aber er wird seine Gründe gehabt haben.
Was die oben diskutierten Resultate der Wahl angeht... wie ernst soll man eine Wahl nehmen, wo jeder im Internet ein Formular nach Belieben anklicken kann? Bei dem jeder Freunde und Bekannte anspitzen kann, auf ebenjener Website ein Häkchen an der richtigen Stelle -- nämlich der eigenen -- zu machen? Das ist genauso indiskutabel und genauso wenig ernstzunehmen wie seinerzeit die "Schwingungenwahlen" im WDR... da war es ein offenes Geheimnis, daß der TD-Fanclub seine Mitglieder anspitzte, bloß für TD in allen möglichen Kategorien zu stimmen, und jeder, der einen Rest Ehrlichkeit im Leib hat und seinerzeit Mitglied in diesem Verein war, wird sich vielleicht noch daran erinnern können. Wenn nicht auch hier der weiche Mantel des Vergessenes um die Vergangenheit gehüllt wurde. Soviel zum Thema, wie ernst man diese Wahlen nehmen kann. Jeder, der sich auf das Ergebnis etwas einbildet und es als Eichmaß für die Qualität des eigenen Schaffens bemühen muß, wird schon wissen, warum er das tut. Er wird es brauchen.
Ich will hier niemanden der Unehrenhaftigkeit bezichtigen -- ich kenne die meisten von Euch noch nicht einmal -- oder Eure musikalisch-künstlerischen Leistungen infragestellen -- ich kenne einen Großteil der Musik noch nicht einmal und glaube auch nicht, daß ich es möchte --, aber diese selbstgefällige Überbewertung der eigenen Leistung funktioniert nur innerhalb solch enggesteckter Szenegrenzen. Wie ernst werden diese Gewinner wohl außerhalb genommen, welche Relevanz haben sie dort? Da werden sie an ihren tatsächlich erbrachten Leistungen gemessen, und das dürfte interessant werden.
Stephen (dessen Ruf innerhalb dieser Szene dermaßen ruiniert ist, daß er sich hier ganz ungeniert zu äußern traut).