Hallo Markus,
also, das neue Mellotron soll wohl zu bekommen sein, allerdings hat der Erbauer wohl eine ewig lange Warteliste, weil jeder Progrock-Dödel so´n Ding haben will, seit The Musical Box damit auf der Bühne rumstehen
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Ganz im Ernst: Ich habe den Prototypen vor ein paar Jahren mal gespielt, und wenn der nicht von Grund auf verbessert wurde, was Justage von Tonköpfen, Bandführung und Kompatibilität mit originalem M400-Bandsätzen angeht, dann sollte man da tunlichst die Finger von lassen. Die Tonköpfe waren -- nicht, wie beim M400 -- auf einer Schiene festmontiert und konnten nicht nachjustiert werden, was Azimuth und Spurlage angeht. Die scharfkantigen Bandführungen neigten dazu, die Ränder der Bänder anzuknicken, und originale M400-Tapes ließen sich nur mit großen Abstrichen einlegen und abspielen, dito die neuen, von Streetly nachgefertigten Bandrahmen. Klanglich war es zwar auf wesentlich höherem Niveau angesiedelt, weil bessere Verstärker drinsteckten, aber ich dudele eine olle 78er Schellackplatte ja auch nicht über einen Transrotor mit Hafler-Monoblöcken und Duntech Sovereigns. Das gibt die Qualität des Ausgangsmaterials einfach nicht her. Und was kostet das gute Stück? Irgendwas ab 4.500 Euro, glaube ich. Das ist doch albern, wenn man das Gebotene mal ohne Nostalgie oder Sentiment betrachtet.
Dasselbe gilt auch für das originale M400. Zum einen sind die Preise hier in Deutschland und europäischem Niveau durch diverse Umtriebe einiger weniger grundlegend ruiniert worden, sodaß es unmöglich ist, ein einigermaßen funktionstüchtiges M400 noch unter 2.000 Euro zu bekommen. Selbst völlig verranzte M400 gehen mittlerweile für ein Heidengeld weg. Jeder weitere Bandsatz mit drei weiteren Klängen kostet ein Vermögen, wenn man sich einen von Streetly in England herstellen läßt, die Fertigungsqualität und die Toleranzen, was Tuning, Spurlage und Mischbarkeit der Klänge angeht, sind ziemlich bedenklich, und, wie gesagt, für drei neue (alte) Klänge um die tausend Euro auf den Tisch des Herren legen? Ich weiß nicht, ob da die Liebhaberei und der Fetisch nicht etwas zu doll auf die Spitze getrieben worden sind.
Ferner sollte man nicht vergessen, daß sämtliche originalen Bandsätze aus den 70ern entweder von Streetly Birmingham oder Mellotronics London gefertigt wurden, sodaß untereinander schon enorme Toleranzen, was Spurlagen und Mischbarkeit anging, bestehen. Außerdem brauche ich wohl nichts über alte Tonbänder zu sagen, die seit 35 Jahren immer wieder an derselben Stelle abgenudelt werden bzw. wo die Qualität des verwendeten Materials nicht immer gleichbleibend ist oder wo die Aufnahmen zu einem späteren Zeitpunkt nochmals neu equalised oder sogar ge-aphexed wurden, sodaß Ersatztapes, die mal infolge von Verschleiß später mal eingesetzt werden mußten, für ein völlig unausgewogenes Klangbild sorgten.
Was das Memotron angeht, so ist meine Meinung stark subjektiv durchgefärbt und mehr von den Dingen hinter den Kulissen beeinflußt als von der Praktikabilität des Gerätes selbst. Das bitte ich beim Lesen des Folgenden zu bedenken:
Memotron = Beutelschneiderei. Ich möchte einem alten Freund und Melltrongefährten nicht in den Rücken fallen, aber in allererster Linie ist dieses Ding Geldmacherei mit den Aufhängern "Jeder soll irgendwas da stehen haben, das weitestgehend wie ein Mellotron aussieht" und "Ich habe nur dieses eine Ding, und das melke ich bis zum Umfallen". Wie schon ganz richtig gesagt, sind eine gute Sample Library (Masterbits) oder das M-Tron (GMedia) ganz hervorragende Alternativen, zumal die Sounds auf diesen CDs bzw. im M-Tron von genau demselben Herren kompiliert wurden wie die Sounds im Memotron. Er hat dort für sich eine Marktlücke entdeckt, und da er als Realschul-Lehrer ja hart am Rande des Existenzminimums vor sich hin existiert, bewahren ihn diese Projekte vor dem Abrutschen ins Prekariat oder wie sich das nennt. Meine Ironie und mein Hohn sind deutlich herauszuhören, nicht wahr? Das Memotron ist m. E. ein weiteres Projekt im Sinne von "Ich krieg´ den Hals nicht voll"... ich habe da im Laufe der Jahre ein paar Geschichten erlebt, die ich damals glaubte, lustig finden zu müssen, heute -- mit ein bißchen Abstand -- jedoch nur noch ärgerlich und ungezogen finden kann.
Ein Sampler bis zur Oberkante mit gescheiten Mellotron-Sounds vollgestopft sieht nicht annähernd so schick aus wie ein Memotron, das ist wahr. Aber auch aus dem Sampler lassen sich -- vor allem in Kombination mit einem ollen Bandecho und/oder einem analogem Hall (es muß nicht immer EMT 140 sein) -- ganz authentische Klänge mit Patina rausholen. Der Rest ist nur noch ein Rechenexempel: Ein Emu schlägt mit 400 bis 600 Euro zu Buche, die Mellotron-CD-ROM mit 25, ein kleines Masterkeyboard mit 200, und für den Rest lasse ich mir vom Schreiner meiner Wahl ein nettes weißes Holzgehäuse zimmern... das kostet immer noch weniger als ein Memotron, ist wesentlich flexibler, was die Klangauswahl angeht, und ist nicht so ein "Duplack". Wer ein M-Tron auf´m Laptop installiert hat, kommt mit noch weniger Geld und mehr Tragbarkeit aus und hat genau dasselbe Prinzip. Entschuldigung, ich möchte hier niemandem auf die Füße treten, aber -- wie gesagt -- ich sehe meinen Blick getrübt durch ein paar Geschichtelchen hinter den Kulissen. Die wären abendfüllend und was für "´nen lecker Fläschken" schottischen Malts.
Ich schätze den Charakter eines Mellotrons über alle Maßen und habe meine erste CD vor einigen Jahren bis zum Kragen mit dem M400 und dem Mark 5 vollgestopft, aber mittlerweile ist der Klang -- durch die Profitgier einiger weniger -- dermaßen zu einem Allgemeinplatz verkommen, daß ich um diese Klänge einen weiten Bogen mache (das ist fast übler als Werkssounds aus Korg M1, Roland D50, Yamaha DX7 oder Korg Wavestation). Gerade in der Abteilung, aus der ich ursprünglich komme, wird allenthalben eifrig mellotronaniert, und Edgar Froese 1975 ist die Leit(d)figur der ganzen Bewegung. Als gäbe es nichts anderes und dürfe es auch nichts anderes geben... schrecklich!
Was man sich schlußendlich holt, ist da wohl jedem selbst überlassen. Aber ein Memotron nur für diesen einen Zweck zu kaufen (oder den zweiten, Posing), ist ungefähr so, als würde man sich einen Lamborghini zum Brötchenholen hinstellen, nämlich irgendwie völliger Quatsch. Aber, wie gesagt, meine Meinung ist weder objektiv, noch unemotional. Das nur für die Anwälte und diejenigen, die sich auf den Schlips getreten fühlen...
Stephen.