intercorni
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Der erste Synthi
Plötzlich kam - durch die Urheberrechte der TVspots - auch viel Geld herein, und ich konnte mir auch etwas Teureres leisten. Ein Inserat von EMS London brachte mich auf den gerade noch erschwinglichen Synthi VCS-3. Anfangs 1970 wurde er geliefert und erwies sich dann als extrem spannende Wunderkiste. In einer langen Nacht, in der ich meine Familie wahrscheinlich an den Rand des Wahnsinns trieb, produzierte ich die Musik zu einer Werbeplatte für SIG-Pressluftbohrer – mit zwei Tonbandgeräten, ein paar Tonbandaufnahmen von Pressluftbohrern, dem VCS-3 und einem ersten primitiven 'Klopfgeist', einer japanischen Drum Machine.
KS-Productions
Der Traum vom eigenen Tonstudio, in dem ich selber schalten und walten und in dem ich selber unbeschränkt produzieren könnte, liess mich nicht los, und so kam es zur Gründung der KS-Productions, zusammen mit meinem Kollegen Hans Kennel. Wir fanden in Dietikon ein Studio, dessen Besitzer Serge Meyer einen Handel eingehen wollte: wir mieteten das Studio für einen festen Betrag. Er verpflichtete sich, das Studio laufend aufzurüsten – mit einem neuen Mischpult, einer Mehrkanalmaschine, die er alle selber bauen wollte. In der Praxis sah die Sache dann zwar etwas anders aus: ich arbeitete im Studio, Kennel machte nebenbei die Administration und Serge machte nicht viel – das heisst, die neue Einrichtung kam und kam nicht. Wir versuchten, mit Eigen- und Fremdproduktionen Geld zu verdienen, aber das war sehr mühsam. Immerhin konnten wir ein paar Produktionen verkaufen, vor allem an die EMI, und hatten ein paar wiederkehrende Aufnahmeaufträge. Ich konnte meine Filmmusiken ungestört und ohne allzu grossen Zeitdruck produzieren, und auch unsere "Jazz Rock Experience"-LP entstand dort. 1971 kam als dritter Partner Freddy Burger dazu, und im Uebermut der ersten Zeit bestellten wir gemeinsam einen Riesen-Synthesizer, den Synthi 100 von EMS London. Allerdings, kaum hatten wir das Ding bestellt, bekamen meine Partner kalte Füsse, und ich hatte die Wahl, vom Kauf zurückzutreten oder die Sache allein durchzustehen.
Der Synthi 100
Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.) Im August 1971 kam dann die Mitteilung, das Ding sei fertig, und ich könne es in England besichtigen. Also reiste ich nach London, nahm den Vorortszug zur Fabrik und versuchte, mir das Gerät anzuschauen und erklären zu lassen. Das war allerdings nicht so einfach, denn die ganze Belegschaft stand darum herum und probierte alle Funktionen aus, und niemand kaum auf die Idee, mir irgendetwas zu erklären. So reiste ich dann etwas unsicher wieder ab und wartete auf die Lieferung. Als dann eines morgens anfangs September der Bericht kam, am Flughafen seien zwei grosse Kisten für mich eingetroffen, wurde ich noch etwas unsicherer. Ich fuhr zuerst zum Zollamt und versuchte, den Leuten dort zu erklären, was da verzollt werden sollte. Nach langen, erfolglosen Erläuterungen meinte ich entnervt, es sei etwas wie eine elektronische Orgel. Darauf meinte der Zöllner: 'warum haben Sie das nicht vorher gesagt?', und dann lief alles am Schnürchen und ich stand allein an der Laderampe vor zwei Holzkisten von je 2 Meter Länge und über einem Meter Höhe und Tiefe. Die Leute, die darum herumstanden, zuckten die Achsel, als ich um Hilfe bat. Also besorgte ich mir einen Schraubenzieher und begann, die Kisten zu öffnen. Und, oh Wunder, kaum war ein Brett abgeschraubt, erschien schon jemand und fragte, ob er es mitnehmen dürfte. Am Schluss stand ich da mit einem Holz-Untergestell und dem Monster selbst und hatte wenigstens aushandeln können, dass mir beim Einladen ins Auto ein paar Leute halfen. In der ersten Fuhre kam das Gestell nach Schlieren, im zweiten Anlauf der Synthi, der gerade knapp Platz hatte (schliesslich hatte ich den Volvo nach Mass gekauft...) – allerdings konnte ich nicht verhindern, dass dann doch noch die hintere Scheibe des Wagens herausfiel, weil eine Kante dagegendrückte. In Schlieren fand ich auf einer Baustelle drei italienische Handwerker, die bereit waren, kurz zu helfen. Die Verständigungsschwierigkeiten führten allerdings dazu, dass im entscheidenden Moment alle losliessen und meine Frau Marianne und ich allein dastanden mit den 100 kg in der Hand. Aber am Schluss klappte es, und ich hatte das Ding am richtigen Ort. Bald zeigte sich, dass die Anleitung dazu bestenfalls rudimentär war. Vor allem der digitale Sequencer, für die damalige Zeit ein absolutes Novum, gab viele Rätsel auf. Und als ich dann doch durchblickte, kamen ein paar kuriose Mängel zum Vorschein: jede Betätigung eines Lichtschalters im Haus löschte, stoppte oder startete den Sequencer – je nach Lust und Laune. Mit dem Rat von Nick Bertschinger, der damals unser Pianist war und an der ETH studierte, besorgte ich zuerst ein Netzfilter und dann einige Kondensatoren, die ich an allen möglichern Orten anlötete. Das half – bis ich herausfand, dass ein Lichtschalter in der Nähe den Sequencer dazu brachte, rückwärts zu laufen. Also brauchte es nochmals ein paar Kondensatoren.
Bald hatte ich laufend Aufträge für Synthesizermusik, und schon kamen wieder Erweiterungspläne: ich brauchte ein richtiges Mischpult und eine Mehrspurmaschine. Beides war zu haben – bei Stephan Sulke in Biel, und zwar ein selbstgebasteltes Pult (sah fürchterlich aus, war grauenhaft wüst gelötet und verdrahtet, aber lief und klang erstaunlich gut) und eine Leevers-Rich-8-Spur-Maschine. Beides traf im März 1972 ein. Eine Woche später kam ein dringendes Telefon von Sulke: er müsse am nächsten Tag Bob Dylan in Genf aufnehmen und brauche dazu dringend die Tonbandmaschine... Er tauchte dann tatsächlich auf, lud das Ding eigenhändig auf und brachte einen Swissair-Piloten dazu, es als Handgepäck auf einem Flug nach Genf zu akzeptieren. Das Pult bewährte sich bis 1975, wo ich es durch ein nagelneues 12/16-Pult von MCI ersetzte.
http://www.computerjazz.ch/Pages/Picts.html
Plötzlich kam - durch die Urheberrechte der TVspots - auch viel Geld herein, und ich konnte mir auch etwas Teureres leisten. Ein Inserat von EMS London brachte mich auf den gerade noch erschwinglichen Synthi VCS-3. Anfangs 1970 wurde er geliefert und erwies sich dann als extrem spannende Wunderkiste. In einer langen Nacht, in der ich meine Familie wahrscheinlich an den Rand des Wahnsinns trieb, produzierte ich die Musik zu einer Werbeplatte für SIG-Pressluftbohrer – mit zwei Tonbandgeräten, ein paar Tonbandaufnahmen von Pressluftbohrern, dem VCS-3 und einem ersten primitiven 'Klopfgeist', einer japanischen Drum Machine.
KS-Productions
Der Traum vom eigenen Tonstudio, in dem ich selber schalten und walten und in dem ich selber unbeschränkt produzieren könnte, liess mich nicht los, und so kam es zur Gründung der KS-Productions, zusammen mit meinem Kollegen Hans Kennel. Wir fanden in Dietikon ein Studio, dessen Besitzer Serge Meyer einen Handel eingehen wollte: wir mieteten das Studio für einen festen Betrag. Er verpflichtete sich, das Studio laufend aufzurüsten – mit einem neuen Mischpult, einer Mehrkanalmaschine, die er alle selber bauen wollte. In der Praxis sah die Sache dann zwar etwas anders aus: ich arbeitete im Studio, Kennel machte nebenbei die Administration und Serge machte nicht viel – das heisst, die neue Einrichtung kam und kam nicht. Wir versuchten, mit Eigen- und Fremdproduktionen Geld zu verdienen, aber das war sehr mühsam. Immerhin konnten wir ein paar Produktionen verkaufen, vor allem an die EMI, und hatten ein paar wiederkehrende Aufnahmeaufträge. Ich konnte meine Filmmusiken ungestört und ohne allzu grossen Zeitdruck produzieren, und auch unsere "Jazz Rock Experience"-LP entstand dort. 1971 kam als dritter Partner Freddy Burger dazu, und im Uebermut der ersten Zeit bestellten wir gemeinsam einen Riesen-Synthesizer, den Synthi 100 von EMS London. Allerdings, kaum hatten wir das Ding bestellt, bekamen meine Partner kalte Füsse, und ich hatte die Wahl, vom Kauf zurückzutreten oder die Sache allein durchzustehen.
Der Synthi 100
Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.) Im August 1971 kam dann die Mitteilung, das Ding sei fertig, und ich könne es in England besichtigen. Also reiste ich nach London, nahm den Vorortszug zur Fabrik und versuchte, mir das Gerät anzuschauen und erklären zu lassen. Das war allerdings nicht so einfach, denn die ganze Belegschaft stand darum herum und probierte alle Funktionen aus, und niemand kaum auf die Idee, mir irgendetwas zu erklären. So reiste ich dann etwas unsicher wieder ab und wartete auf die Lieferung. Als dann eines morgens anfangs September der Bericht kam, am Flughafen seien zwei grosse Kisten für mich eingetroffen, wurde ich noch etwas unsicherer. Ich fuhr zuerst zum Zollamt und versuchte, den Leuten dort zu erklären, was da verzollt werden sollte. Nach langen, erfolglosen Erläuterungen meinte ich entnervt, es sei etwas wie eine elektronische Orgel. Darauf meinte der Zöllner: 'warum haben Sie das nicht vorher gesagt?', und dann lief alles am Schnürchen und ich stand allein an der Laderampe vor zwei Holzkisten von je 2 Meter Länge und über einem Meter Höhe und Tiefe. Die Leute, die darum herumstanden, zuckten die Achsel, als ich um Hilfe bat. Also besorgte ich mir einen Schraubenzieher und begann, die Kisten zu öffnen. Und, oh Wunder, kaum war ein Brett abgeschraubt, erschien schon jemand und fragte, ob er es mitnehmen dürfte. Am Schluss stand ich da mit einem Holz-Untergestell und dem Monster selbst und hatte wenigstens aushandeln können, dass mir beim Einladen ins Auto ein paar Leute halfen. In der ersten Fuhre kam das Gestell nach Schlieren, im zweiten Anlauf der Synthi, der gerade knapp Platz hatte (schliesslich hatte ich den Volvo nach Mass gekauft...) – allerdings konnte ich nicht verhindern, dass dann doch noch die hintere Scheibe des Wagens herausfiel, weil eine Kante dagegendrückte. In Schlieren fand ich auf einer Baustelle drei italienische Handwerker, die bereit waren, kurz zu helfen. Die Verständigungsschwierigkeiten führten allerdings dazu, dass im entscheidenden Moment alle losliessen und meine Frau Marianne und ich allein dastanden mit den 100 kg in der Hand. Aber am Schluss klappte es, und ich hatte das Ding am richtigen Ort. Bald zeigte sich, dass die Anleitung dazu bestenfalls rudimentär war. Vor allem der digitale Sequencer, für die damalige Zeit ein absolutes Novum, gab viele Rätsel auf. Und als ich dann doch durchblickte, kamen ein paar kuriose Mängel zum Vorschein: jede Betätigung eines Lichtschalters im Haus löschte, stoppte oder startete den Sequencer – je nach Lust und Laune. Mit dem Rat von Nick Bertschinger, der damals unser Pianist war und an der ETH studierte, besorgte ich zuerst ein Netzfilter und dann einige Kondensatoren, die ich an allen möglichern Orten anlötete. Das half – bis ich herausfand, dass ein Lichtschalter in der Nähe den Sequencer dazu brachte, rückwärts zu laufen. Also brauchte es nochmals ein paar Kondensatoren.
Bald hatte ich laufend Aufträge für Synthesizermusik, und schon kamen wieder Erweiterungspläne: ich brauchte ein richtiges Mischpult und eine Mehrspurmaschine. Beides war zu haben – bei Stephan Sulke in Biel, und zwar ein selbstgebasteltes Pult (sah fürchterlich aus, war grauenhaft wüst gelötet und verdrahtet, aber lief und klang erstaunlich gut) und eine Leevers-Rich-8-Spur-Maschine. Beides traf im März 1972 ein. Eine Woche später kam ein dringendes Telefon von Sulke: er müsse am nächsten Tag Bob Dylan in Genf aufnehmen und brauche dazu dringend die Tonbandmaschine... Er tauchte dann tatsächlich auf, lud das Ding eigenhändig auf und brachte einen Swissair-Piloten dazu, es als Handgepäck auf einem Flug nach Genf zu akzeptieren. Das Pult bewährte sich bis 1975, wo ich es durch ein nagelneues 12/16-Pult von MCI ersetzte.
http://www.computerjazz.ch/Pages/Picts.html