Folge 2-
OK, das wird jetzt etwas länger und es ist graue Theorie. Deswegen habe ich den Schaltplan bunt gemacht. Ihr ladet vor dem Lesen am besten die PDF herunter, die unten angehängt ist.
Wer keinen Bock auf Theorie hat, muss bis zur nächsten Folge warten.
Die Grundlage des Ganzen ist ein Fuzz-Face. Das ist ein Fuzz, den schon Jimmy Hendrix nutzte. Hier sind zwei gute Seiten dazu:
http://www.geofex.com/Article_Folders/fuzzface/fffram.htm
http://fuzzcentral.ssguitar.com/fuzzface.php
Der Fuzz-Face-Anteil der Schaltung ist hellgrün markiert. Ich habe ihn auf BC549 Transistoren angepasst. Das ist ein sehr rauscharmer Typ mit mittlerer Verstärkung, den es für 2 Cent das Stück bei jeden Elektromöller gibt. Es gibt noch verschiedene Selektionen nach der Stromverstärkung, die dann a, b und c heißen. In der Schaltung funktionieren alle drei.
C1 sorgt nur dafür, dass keine Gleichspannung aus der Schaltung in den Bass kann. Denn die Basis (B) von T1 ist etwas positiv vorgespannt. Ein NPN-Transistor funktioniert nämlich nur dann, wenn die Basis etwas positiver als der Emitter (E) ist. Der Emitter liegt bei T1 auf Masse. Das wird für T1 dadurch erreicht, dass er über R4 mit dem direkt Emitter von T2 verbunden ist. Der liegt nicht direkt auf Masse sondern R6 ist dazwischen.
Durch R6 fließt nämlich der Emitterstrom von T2 und sorgt für eine kleine positive Spannung.
Wenn diese Spannung jetzt an der Basis von T1 anliegt, fließt auch mehr Strom durch T1. Der muss sich durch R1 quälen. Dadurch wird die Spannung am Kollektor (C) von T1 kleiner. Dadurch ist die Spannung an der Basis von T2 nicht auch kleiner und dadurch wiederum wird die Spannung an R6 kleiner, dann auch die an der Basis von T1 und damit auch der Strom durch T1 und die Spannung am Kollektor steigt wieder, ebenso der Strom durch T2 usw.....
Kurz und knapp: Die beiden Transitoren regeln ihre Arbeitspunkte gegeneinander aus und die Entscheidenden Bauteile um das zu beeinflussen sind R1 und R6.
R1 bestimmt auch die Verstärkung von T1, je größer R1 desto mehr Verstärkung. Beim Probieren haben sich hier 33kOhm als passend erwiesen.
Zu kleine Werte für R6 machen die Schaltung instabil, es gibt Aussetzer und die Schaltung verschluckt sich. Wird R6 zu groß, dann gibt es ein Art Noisegateeffekt, der aber Sustain klaut. T2 sperrt dann und lässt kleine Signale dann gar nicht mehr durch. Da sich beide Transistoren gegenseitig ausregeln ist der Sweetspot für R6 aber recht breit. Ich habe BC549 aus drei Chargen und die liefen alle gut mit 1k2.
Genau hier liegt ein Problem des original Fuzz Face. Da Germanium Transistoren stark streuen, müsste an dieser Stelle eigentlich ein Trimmer sein. In der Massenfertigung hieße das, dass jedes einzelne Gerät auf einen perfekten Sound abgeglichen werden müsste. Z.Vex hat das Problem bei seiner Fuzz Factory clever gelöst. Sie haben einfach jeden Widerstand der Schaltung durch ein Poti ersetzt und überlassen das Abgleichen Anwendern und verkaufen die Potis als teure Features.
https://www.effekt-boutique.de/z-vex-fuzz-factory-vexter-series.html
Ich mag es nicht, wenn Effektpedale viele Potis haben. Ich kann mitten im Song nicht mal eben an Potis herumdrehen und schon gar nicht, wenn sie stark miteinander interagieren wie bei der Factory.
Deswegen soll ist S1 ein Fußschalter und kein Poti wie beim Original. Diese Stelle ist entscheidend in der ganzen Schaltung. Wenn der Schalter S1 schließt, überbrückt er R5. Dann ist R6 für Signalspannungen quasi inexistent, die wird nämlich über den Bypasskondensator C4 an R6 vorbeigeschleust. In diesem Zustand ist die Schaltung genau genommen kein Verzerrer mehr.
Ist R6 nämlich richtig eingestellt, dann ist T2 kurz vor dem Sperren, der Transistor ist quasi schon im Schaltbetrieb. Positive Halbwellen des Signals schalten den Transistor ein (1), negative aus (0). T2 verstärkt das Signal also eigentlich gar nicht, sondern wird davon getriggert. Die Signalform, die hinten rauskommt, hängt darum auch nicht mehr von der Form des Eingangssignals ab, sondern nur noch, von der Kennlinie des gewählten Transistors. Ob also ein Bass, eine Tuba, ein Fagott oder ein Sinuston angeschlossen ist, hat kaum Einfluss darauf, was aus dem Verzerrer kommt. Das ist für Fuzz-Pedale typisch. In der Praxis merkt man das daran, dass die Klangregelung des Instruments nahezu keinen Einfluss auf das hat, was heraus kommt.
Der BC549 klingt in dieser Betriebsart wie das Schließen eines Reißverschlusses. Manche lieben solchen Fuzzsounds und es gibt kommerzielle Pedale, die dafür gemacht sind. Ich mag es nicht und deswegen wird das orange markierte Netzwerk aus C5 und D1 und D2 dazugeschaltet, wenn S1 schließt. Aber dazu unten mehr.
Betrachten wir zunächst den anderen Fall: Wenn S1 offen ist, ist R6 ein Widerstand auch für das Signal. Hier fällt dann eine Gegenkopplungsspannung an, die die ganze Schaltung entzerrt und linearsiert. Beim BC549 ergibt sich nun ein sanftes harmonisches Overdrive. Ich habe also zwei Sounds in einem Pedal untergebracht und kann umschalten.
R5 hat nur die Aufgabe, C4 langsam auf zu laden. Sonst würde C4 bei jeder Betätigung von S1 umgeladen werden. Das würde knacken.
Kommen wir zum orangen Netzwerk: Es zwingt T2 die Kennlinie der beiden Dioden D1 und D2 auf. Dioden sind in einer Polung leitend und in der anderen sperren sie. der Übergang zwischen beiden Zuständen ist aber nicht abrupt und auch nicht genau bei 0V. Der sogenannte Kennlinienknick ist eher rund und etwas verschoben. Und genau das wird ausgenutzt. Das Orange Netzwerk ist nämlich auch eine Gegenkopplung, aber nur für den Teil des Signals, der unter dem Kennlinienknick der Dioden hindurch kommt. Diesen Kniff hat der Big Muff von Electro Harmonix als erstes ausgenutzt.
Zu Dioden als Verzerrer:
https://www.mikrocontroller.net/topic/185087
Hier ist eine tolle Seite zum Big Muff:
http://www.kitrae.net/music/music_big_muff.html
Zur Theorie:
http://www.kitrae.net/music/big_muff_guts.html#Circuit
Statt 1N4148 kann man für D1 und D2 auch andere Dioden nehmen und den Klang anpassen. Ich hatte 1N4001, Kapazitätsdioden und LEDs probiert. Es liege aber keine Klangwelten zwischen ihnen. Mir gefällt die olle billige 1N4148 aus dem Big Muff am besten, zumal es eh nur Nuancen sind.
C2 und C3 haben keine Funktion für den Klang, sie unterdrücken nur Einstreuungen von Handys, Neonröhren usw.
C5 hat die Aufgabe Gleichspannung von den Dioden fernzuhalten. Er ist aber mit 100nF so dimensioniert, dass er die tiefen Bässe nicht ins das Netzwerk lässt. Im Bassbereich bleibt der Klang also dynamisch und dick. Wird C5 vergrößert, dann nehmen die Bässe ab. Wir es verkleinert, dann dann werden nur noch die höheren Frequenzen ins Netzwerk geleitet. Hier lohnt es sich etwas zu probieren. Für Gitarre würde ich eine Oktave höher gehen und 47nF nehmen. Oder umgekehrt einen großen Wert (>200nF) nehmen, wenn es total komprimiert und verzerrt sein soll. Für Doom ideal. Aber der Bass gefällt mir mit 100nF am besten.
C6 blockt nur Gleichspannung. Dann geht es in die hellblau markierte Ausgangssektion. P2 ist der Volumenregler, um das Signal für die nachfolgenden Geräte einzupegeln. Ich habe R2 und R3 so geteilt, dass alles bis etwa Line-Pegel möglich ist. Man kann mit dem Verzerrer also auch direkt an die heimische Monitoranlage gehen.
R1 bildet mit C7 und C8 eine sogenannte Klangwaage. Das gibt es in alten Fender-Amps gab es aber davor auch schon in den Röhrenradios, die Leo Fender am Anfang seiner Karriere reparierte. Ich habe mich entschlossen sie hinzuzufügen, um das Pedal auf den Effekt, der dahinter kommt, anzupassen. Die Waage hat nur Einfluss auf die Höhen und ist in Mittelstellung neutral.
Fazit: Die Schaltung ist eigentlich recht einfach, aber die meisten Teile übernehmen mehrere ineinander greifende Funktionen. Darum wurde es doch etwas länger.
Viele Grüße
Martin