Poly EvolverTest: Dave Smith Evolver Keyboard
Autor: Moogulator (für amazona)
Propheten und Berge
Wie war das mit den Propheten? Wenn der Prophet 5 nicht zum Berg geht, dann kommt der Berg einfach zum Propheten? Synthesizer Alt-Vater Dave Smith erfand seinerzeit die Prophet Serie und Sequential Circuits war seine Firma, bis es mit dem Prophet 3000 Sampler zum Zerfall kam und Yamaha die Rechte an den Namen Prophet und SCI kaufte, danach war er an der Korg Wavestation maßgeblich beteiligt. Auch die Korg Wavestation hatte eine kleine Renaissance durch Legacy und Legacy digital (mit MS20/Polysix, bzw. M1 Emulation). Wir schreiben nun das Jahr 2005, der Evolver und der 19“-Poly Evolver Rack sind bereits gut bekannt, jedoch unter seinem eigenen Namen. Spätestens seit der letzten Musikmesse konnte jeder die erste Serienmaschine des Poly Evolver Keyboards testen. Kann er, was er verspricht?
Prophetenrufe: Ins Matterhorn blasen!
Rollt man Daves doppelplus-gute „Altlasten“ komplett auf, kommen wir aus dem Vintagebereich nicht so schnell hinaus. Der Evolver basiert nicht wirklich auf einem alten SCI-Produkt. Worte wie „Prophet VS“ geisterten dennoch umher. Was das zu bedeuten hat, folgt bald. Schön weiter lesen, ja?
Der Evolver hat zwei analoge und zwei digitale Oszillatoren, durch mischen der Techniken gibt es verschiedene Klangmöglichkeiten: Die analoge Seite beherrscht das anschärfen des Klanges per Oszillator-Synchronisation. Schneiden und Fräsen im Prodigy- oder DAF-Stil ist Sache für die analoge Welt. Wer Puls, Säge und Dreieck sowie eine Mischung aus Dreieck und Sägezahn zu wenig findet, kann die digitalen Oszillatoren mit Wellenformen aus dem Prophet VS nutzen. Aha? Das ist der Grund, wieso das VS-Kürzel umher schleicht. Die Wellenformen können mittels einer, für gute $49 (etwa 40.50€) erhältlichen, Software ausgetauscht und generiert werden (Windows 95, 98, 2000, ME, XP und OS X). Die Demo ist jedoch ein wenig zäh auf dem Mac, aber nutzbar. Die beiden digitalen Oszillatoren haben Frequenzmodulation (FM) und Ringmodulation anzubieten. Diese arbeiten in beide Richtungen, so bekommt man bei FM eine wundervolle Rückkopplung der Oszillatoren hin, eine modulierbare sogar. Wie kann so etwas klingen? Wie lachende Delphine, aber auch bis zu wirklich wildem Knistern, fast ein kontrolliertes Chaos-Rauschen. Natürlich sind metallische und glockigen Tonspektren mit „einseitiger“ FM bereits möglich, für den chaotischen Einfluss dreht man einfach die andere Seite etwas auf.
Propheten und Berge von A nach B?
Richtig spannend wird es für die digitalen Oszillatoren, wenn deren Wellenformen mit dem Sequenzer umgeschaltet werden. Diese digitalen Wellenformen sind mit denen der „alten“ Access Viren, PPG- und Waldorf Wave oder dem Korg MS2000 zu vergleichen und entsprechen nicht Samples, sondern einfachen Spektren, also wirklich einem einzigen Wellenformzyklus (positive und negative Halbwelle).
Der Sequenzer bietet vier unabhängige Lines, die neben der Tonhöhe jeden Parameter im Evolver modulieren können und jeweils bis zu 16 Steps lang sind.
Weshalb es noch Synthesizer ohne Step-Sequenzer gibt, könnte man sich natürlich fragen. Sie dienen „im Notfall“ auch als „LFO - Hüllkurvenersatz“, da jede Line auch eine eigene Länge hat. Sieht man ihn als „flexiblen Modulationsgenerator“, so macht er einen Synthesizer flexibler und man ist schneller am Ziel: Alles in einem Arbeitsgang aufnehmen.
Der Evolver steht sinngemäß für Klangbeweger – A nach B Teil II
Der Evolver hat eine freie Hüllkurve und vier LFOs. Auch sie können jeden Parameter modulieren. Es gibt aber stets genau ein Modulationsziel. Soll also eine Quelle noch ein weiteres Ziel modulieren, so muss man die vier Modulatoren bemühen, sie sind, was in anderen Synthesizern Modulationsmatrix heisst. Die beiden weiteren Hüllkurven sind fest dem Filter und der Lautstärke zugewiesen, selbstverständlich sind sie auch als Quelle in der Matrix erreichbar.
Es gibt in der Matrix auch einen „Festmatrix“-Mode. Die sieben festen Quellen (Standard-Controller und Envelope Follower) haben eigene Routings und ebenfalls alle Ziele aus der Modulationmatrix. Wem das zu kompliziert ist: Zusammen mit der freien Matrix macht das 11 Verbindungen, wie in einem (Semi-)Modularsystem. Die freie Modulationsmatrix bietet auch die digitalen Oszillatoren als Quelle an, wodurch auch eine FM mit den ersten beiden Oszillatoren möglich wird. Damit ist der Evolver neben dem digitalen Waldorf Q (die Älteren werden sich noch an die verschiedene Firma erinnern) in der Lage mehrere Oszillatoren in die FM mit einzubeziehen, ein Garant für komplexe FM-Sounds. Für die Fachleute: Vier-Operatoren-FM ist mit nur zwei Modulationsverbindungen möglich, sogar mit rückkoppelndem Oszillator (Feedback). Man denke allein die Nutzung des Sequenzers für je einen Oszilllator. Ein Yamaha DX7 ist natürlich nicht ganz ersetzbar, jedoch kann der Evolver weit in seinem Gebiet wildern.
Eine Vektorsteuerung á la Prophet VS gibt es zwar nicht, mittels der Modulationsquellen und der Oszillatorlautstärken als Ziel kann man jedoch schnell für ausreichend Bewegung sorgen, um bis in das Leben seiner Kindeskinder hinein noch neue Wellenkombinationen und Routings auf- und abschwellen zu lassen. Übrigens sind alle Regler am Evolver endlos, bis auf die Gesamtlautstärke. Die Hüllkurven können linear oder exponentiell verlaufen und somit knackiger oder weicher verlaufen. Auch der Sequenzer hat unterschiedliche Möglichkeiten der Weiterschaltung zum nächsten Step. Ein Drumloop am Audioeingang kann das genau so gut, wie der Finger auf der Tastatur. Durch die vielen Endlosregler, gibt es kaum Parameter, die in einem Menü editiert werden müssen. Das sind wirklich nur die Parameter, die als „Extra-Knopf“ wenig Sinn gemacht hätten (Midi Kanal und Stimmenzuweisung, etc.). Der Evolver besitzt vier Parts, die einen Sound enthalten und ist somit vier fach Multitimbral ausgelegt. Da eine Stimme durch den Sequenzer sehr vielfältig klingen kann, ist das in der Praxis auch absolut ausreichend, zumal er ja auch nur vier Stimmen hat.
Berge versetzen
Ein professioneller Prophet muss auch Berge versetzen können. Der Evolver hat für diesen Job zwei Tiefpass-Filter, die im Stereobild voneinander getrennt sind. Der Abstand zwischen den beiden Filterfrequenzen ist einstellbar und ist natürlich nicht in einem Menü versteckt. Die Resonanz geht bis zur Eigenschwingung und erinnert doch an die alten Prophets? Wieso? Der verwendete Filterchip ist doch tatsächlich eine Neuauflage der Curtis-Chips, über die Dave treffende Worte sagte, wie „sie seien verbessert gegenüber denen des Prophet 5 und für sonst keinen erhältlich als ihm selber“. Wohlwissend der Exklusivität, ist der Klang rund und mit Sägezähnen oder Rechtecken auch zu weichen Pads oder Acid-Lines überredbar. Jene wärmende Stimmung eines Fernheizkraftwerks im 4-Pol-Modus weicht auf Wunsch auch zugunsten einer schnurrenden Katze im 2-Pol Modus. Er dünnt kaum bis gar nicht aus, wenn die Resonanz aufgedreht wird. Das Filter kann als 2-Pol laufen ( mit 12 dB / Oktave, statt mit 24), jedoch kann es dann nicht mehr so besonders hohe Resonanzen erreichen und damit auch keine Eigenoszillation. Dazu gibt es ein nachgeschaltetes resonanzloses Hochpassfilter. Die Hüllkurven schnappen zu und die LFOs können auch in den Audiobereich hineinreichen. Sie sind schnell und alternativ sind sie auch auf musikalische Zeit-Werte einstellbar (relativ zur Sequenzer-Clock). Wenn es zu den Hüllkurven geht, dürfte der Evolver unterhalb eines Cwejman S1 liegen, jedoch gleichauf mit einem Roland Jupiter 8. Damit ist er in guter Gesellschaft. Dem Signalweg weiter folgend, bietet der Evolver zwei weitere spezielle Dinge neben dem Filter-Panoramaregler, der die Stereokanäle stufenlos vertauschen kann: Es gibt eine Batterie von Delays, einen regelbaren Verzerrer und eine weitere digitale Zerrstufe namens „Hack“, die eher ein „Bitcruncher“ ist in und den Klang digital verformt und digitales Rauschen mit einbringen kann. Die drei parallelen Delays haben aufgrund der generell stereophonen Natur des Evolvers auch zwei Feedback-Regler. Sie arbeiten unabhängig und sind in Feedbackstärken, Delayzeit und natürlich Gesamtstärke modulierbar. Ein Delay mit Reglern! Das bedeutet Zugriff! Spielbarkeit! Allein die Robot-Sequenzen, die entstehen können sind sicher nichts, was andere Synthesizer in dieser Weise so schnell hinbekommen. Da verzichtet es sich leicht auf Onboard-Schepper-Reverb. Die Delays können an einen schwingenden Saiten-Klang erinnern, an einen Roboter in der Waschküche oder einfach nette Dreier-Echos erzeugen. Da Phaser, Chorus und ähnliche Effekte ebenfalls aus kurzen Delays mit Feedback bestehen, lassen diese sich ebenfalls realisieren. Einen weiteren Hammer bietet ein spezielles vorgeschaltetes Delay, welches zur aktuellen Tonhöhe gestimmt wird. Es ist durch sein Feedback eine Art Resonator- (oder Kammfilter-) Klang, der metallisch-saitenhafte Rückkopplungen erzeugen kann. Ein Paradies für jede Form von Industrial oder EBM Stilistik, aber auch subtiler als Akustikinstrument oder für Anblasgeräusche eines Blasinstruments eine gute Quelle. Die Auflösung der Parameter ist oftmals 100 Schritte, beim Filter-Cutoff gibt es 165 Schritte.
Toblerone-Berge, Spannung, Spiel und blaue Licht-Schokolade?
Die Eingänge des Evolvers sind mit einem Envelope Follower ausgestattet und können somit durch ihre Amplitude jeden Parameter im Evolver steuern. Somit ist „Drumschnipsel zerhacken“ ein einfacher Sport für ihn, wo doch die meisten anderen Bewerber gespart haben. Inklusive der beiden Hauptkonkurrenten kann der Werbeslogan „Vollwert-Filterbox und Synthesizer in einem“ greifen, fehlt nur noch die Schokolade. Die gibt es dann in Form blauen LED-Lichtes. Die Gag-Abteilung hat gut gearbeitet. Der Zuhörer eines Evolver-Virtuosen kann durch vier LEDs an der Rückseite dem Status der LFOs beiwohnen. Ertragswinkel-Freunde werden sicher fragen: Ist das wirtschaftlich? Bei den Energie-Preisen? Auf der Platine im Evolver ist zu lesen „Four times the madness, Whooopeee“! Das ist, was ich an amerikanischem Humor doch sehr schätze.
Der vierstimmige Evolver kann durch Evolver-Racks oder einzelner „normaler“ Evolver über eine eigene Midi-Buchse mit der Bezeichnung „poly chain“ bis zu 20stimmig werden, dazu ist jedoch das OS 2.0 notwendig, was neuen Geräten schon innewohnt und bei Bedarf nachrüstbar ist. Der Lieferumfang des Updates sind vier Chips mit Hebelwerkzeug und können vom Nutzer selber getauscht werden. Auch können erst ab dieser Version die Knöpfe auch Controller versenden, alle älteren Varianten sind „nur“ SysEx-MIDI-Signalen hörig. Wem das nicht reicht, kann über die Zuweisung der Standard-Controller in der Fest-Matrix zum Ziel kommen, ein Modulationsrad eben mit dem Filter-Cutoff verbunden und schon ist er über normale Controller automatisierbar, selbst ohne Update.
Im Evolver ist Raum für weitere vier Stimmen, so kann man auch auf eine achtstimmige Variante hoffen, die jedoch aktuell lediglich technisch eine Option ist, sicher wollte man bei Dave Smith Instruments mit einem entsprechend höheren Preis keine sozialistischen Revolten per Schmetterlingsflügel lostreten. Es ist bisher nicht vorgesehen, jedoch bei gutem Erfolg des Keyboards sicher schnell umsetzbar. Ein solches Keyboard mit acht Stimmen direkt im Gehäuse wäre auch leichter live einzusetzen und für die wirklich schönen Pads ein echtes Plus. Vielleicht gibt es ja mal einen „Polyvolver Plus“? Ich bin sicher, man müsste Dave Smith nicht allzu lange bitten, wenn das Gerät auf gute Resonanz stößt.
Andere Berge, anderen Propheten
Wie viel Konkurrenz ein solches Edelinstrument hat? Noch erhältliche Instrumente sind zwei auf der Liste der Opposition: Der Alesis Andromeda A6 mit deutlich mehr (16) Stimmen, sowie der Jomox Sunsyn, der jedoch bereits nur auf Anfrage gebaut wird. Während der Sunsyn doppelte Stimmenzahl für sich verbucht, kann er jedoch mit der Menge an Modulationsquellen nicht dienen. Lediglich die Auflösung der Parameter und die spezielle Filterkonstruktion überflügeln den Evolver, bei Anzahl von LFOs und Hüllkurven siegt der Amerikaner mit dem fetten Sequenzer an Bord um Längen. Klanglich ist der Sunsyn eher etwas rauer und aggressiver, aber auch gut 550 Euro teurer. Die weichen Pads aus dem Evolver überraschen, da man mit den vielen Zerrstufen, Delays und Digitalwellenformen schnell solches vergessen lässt. Gegen den Andromeda ist das Stimmenverhältnis schlimmer als bei jeder Bundestagswahl. Sechzehn zu vier (!), die LFOs sind jedoch deutlich langsamer und die Parameter lösen dafür bei Aleiss in 16384 Schritten auf. Dem resonanzlosen Hochpassfilter nebst Haupt-Tiefpass im Evolver hat der Andromeda zwei „Vollkornfilter mit Resonanz“ entgegenzustrecken. Auch er klingt etwas aggressiver und nicht so breit, wie der Evolver. Er hat auch keine digitalen Wellenformen, somit ist diese Konkurrenz doch recht unterschiedlich, das man getrost lange überlegen sollte, welche Richtung man einschlagen will, da die Filter im A6 Moog und Oberheim nachempfunden wurden und somit auch klanglich divergieren (plus Aggressionsschub durch Miniaturisierung). Preislich liegen sie um ca. 400€ auseinander. Wem Stimmen nicht so entscheidend wichtig sind, sollte in Sachen Klangmodulation den Evolver unbedingt antesten und -hören. Es sollte genug Zeit mitgebracht werden, denn schnell verfällt man dem „Nine-Inch-Nails“-Sound, ohne die breiten und schönen Flächen und Leads auch einmal selbst erschraubt zu haben. Das ist natürlich kein Playdoyer für weiche Sounds, aber man kommt einfach nicht so schnell drauf, wenn man die anderen (digitalen) Möglichkeiten stark nutzt. Wer das tat, darf danach entscheiden, was ich leider nicht darf: Den Evolver behalten! Je länger man ihn neben sich stehen hat, desto mehr Potential wird einem hier bewusst. Das Delay ist einzigartig und der Sound ist anstaltsmäßig? Oder nennt man das amtlich? Wer ist jetzt Minister für solche Fragen? Selber rausfinden! Denn dieser „Analogsynthesizer“ (eigentlich Hybridsynthesizer) kann eben auch feine Frickelklänge, die ein „normaler Analoger“ nicht kann. Punkt.
[EVO#5.mp3] HPF Einblendung, dann Wavesequencing per internem Sequencer, am Ende Hack (Distortion) aufgedreht. Keine Hilfmittel.
[EVO#2.mp3] Die Delays in Aktion, zuerst das tuned Delay mit Vergewaltigungen, danach die drei Delays durch Sequencer und LFOs moduliert und zum Schluss mit Swing für einen Aphex-Twin Feeling. Ohne Hilfsmittel, Nur int. Sequenzer und natürlich ebenfalls Handarbeit durch den Autor (Moogulator).
[EVO#12.mp3] Dark Ambient kann er auch.. Kaltwarme Schauer-Pads.
[analog_pack.mp3] Die Analogecke, Schöner weicher Prophet-like Synthpopklang ist möglich und klingt schön breit!
Klassischer Square-Sound und etwas mit Filtermodulation.
PLUS
+++ Delay-Konzept, 4 Oszillatoren
++ Sequenzer und Modulationskonzept
+ Klang und Analogfilter (insbesondere LPF 24 dB)
MINUS
- Stimmenanzahl
Parameterauflösung etwas niedrig in dieser Preisklasse
PREIS
VK 2490 Euro
Hersteller / Vertrieb / Bezug
www.davesmithinstruments.com