AVS Software TestEMS SYNTHI AVS
Virtueller Nachbau des Klassikers Synthi A (Software) By Moogulator
Elektronisches Musik Studio. Das ist sinngemäß die Bedeutung von EMS. Die Instrumente der britischen Firma (http://
www.ems-synthi.demon.co.uk) waren schon in der Synthesizerfrühzeit sehr exklusive Maschinen, speziell der Synthi 100 („Wohnzimmerschrank-Monster“). Kein geringerer als Ludwig Rehberg (http://
www.ems-rehberg.de) selber, der in Deutschland EMS vertritt und damit „EMS selber“ darstellt, bietet seid einiger Zeit eine Software-Variante für den PC an.
Da es ein historisches Instrument ist, kommt der lieber Autor dieser Zeilen wieder einmal in die Verlegenheit entscheiden zu müssen, ob der Test mehr als Vergleich oder besser als eigenständiges Instrument zu zählen sei. Jüngere werden diese Frage vermutlich nicht so entscheidend finden und so gibt es erstmal einen Überblick.
Wie denn Wo denn Was denn?
Der EMS Synthi A ist wirklich ein modularer Synthesizer. Er war schon früh der kompakteste Synthesizer seiner Art, ohne auch nur ein Kabel ziehen zu müssen. Zentrum aller Modulations-Routings ist die Schiffe-versenken-artige Matrix. Sie bietet alle Module des EMS an (vertikal/horizontal jeweils Ausgänge / Eingänge) und können mit diversen Zielen durch einstecken eines Widerstands-Pins verbunden werden. Es gab seinerzeit übrigens verschiedene Widerstandswerte mit Farbcodierung, um die Stärke der Verbindung grob vorzubestimmen. In der vorliegenden Version ist das nicht so, jedoch auch nicht unbedingt notwendig. So genial die Idee ist, brach beim Original irgendwann einfach die Spannung zusammen und erzeugte ein „chaotisches“ Verhalten. Dieses ist natürlich bei der Software kein Problem. Einige User sollen dies auch als Vorteil werten. Es sei aber auch gesagt: Es müssen schon eine beträchtliche Anzahl von Verbindungen geschlossen werden, um ihn zu abnormem Verhalten zu bringen und er ein Sanatorium aufsuchen sollte, der kleine Klinik-Synthesizer. Ansonsten ist die Idee immer noch sehr übersichtlich wie genialisch.
Klanggerüchte frisch auf den Tisch
Klinik? Bevor es zu einer strukturellen Beschreibung kommt, sollte vorweg auch der Ruf des Synthi A einmal festgeklopft werden. Das Gerät ist einem Laborgerät nicht unähnlich. Russische Kraftwerke oder Lügendetektor als Vorbild? Wir wissen es nicht. Letzlich ist auch sehr gut als Signalgenerator im Labor nutzbar, da seine Regler Spindelpotis nutzen und er damit sehr feinfühlich und genau einstellbar ist. Diese Spindelpotis sind virtuell durch zwei Regler ersetzt für Grob und Fein, die langen Fahrten durch die Frequenzen sind somit sicher ein wenig anders im Spielgefühl. Er ist sehr bekannt als Klangexperimentalinstrument. Noises aller Art mit etwas „klinischem“ Klang haften ihm an, wie jene berühmten schnellen Ratterklänge in JM Jarres alten Werken. Ja, es ist wirklich in jeder Hinsicht positiv gemeint, wenn ich von Klinik-kalten Klängen schreibe. Wem Klinik auch als Bandname geläufig ist, dürfte auch gut verstehen, was hier gemeint sein könnte. Daneben auch auf zahlreichen alten Elektronik-„Scheiben“ zu begutachten. Ein frühes Werk „White Noise“ von David Voorhaus enthält Spacerock-Klänge zweier dieser Synthesizer. Brian Eno ist ein weiter alter Vertreter der User.
Strukturdebatte
Der Synthi A entstand 1972 , der auch als „the Putney“ in Holzbauweise als VCS3 bekannt wurde. Das Herz bilden drei Oszillatoren mit stufenlos wählbaren Wellenformen.
VCO1: Sinus und Sägezahn
VCO2: Rechteck und Dreieck/Sägezahn
VCO3: ebenfalls Rechteck und Dreieck/Sägezahn
Dabei ist die Form ebenso in ihrer Symmetrie verstellbar wie auch ihr Lautstärke-Anteil. Somit kann jeder Oszillator tatsächlich stets zwei Wellenformen derselben Frequenz wiedergeben und sind frei mischbar. Der dritte Oszillator ist in seinem Frequenzbereich als LFO gedacht und ist daher auf maximal 500Hz ausgelegt, was selbst aktuell noch sehr schnell ist. Da jeder VCO einen (oder mehrere) andere modulieren kann, sind sehr komplexe Frequenzmodulations-Klänge (FM) oder Selbstmodulation machbar und die bekannten sehr schnellen FM-Sweeps mit dem Filter mittels Modulation durch einen der VCOs sind ebenfalls kein Problem. Der VCO1 bietet im Gegensatz zu VCO2 und 3 jedoch kein Rechteck, dazu entschied man sich hier, den Symmetrieregler für den Sinus zu verwenden. Ein besonderes Problem würde ich darin aber nicht sehen wollen, den das ist immer noch flexibler als so manche Konkurrenz weit später. Durch die Lautstärkeregler ist auch gleich die doppelte „Mixersektion“ integriert.
Es gibt eine Art Kombination aus Hüllkurve und LFO, den Trapezoid-Generator. Hier gibt es die Parameter Attack und Decay im bekannten Sinne. Dazu gibt es eine Haltephase „on“, die man sicher auch als „hold“ Bezeichnen könnte. Dazu kommt noch ein „off“ Parameter. Er definiert eine Wiederholung der Hüllkurve nach einer bestimmten Zeit, was die Hüllkurve damit zu einem „LFO“ machen kann. Der Decay-Parameter ist übrigens auch in der Matrix enthalten und damit modulierbar. Die Hüllkurve ist recht schnell. Die Stärke „Env Amount“ wird mit Trapezoid bezeichnet, na ja, die Briten eben. Natürlich hat der EMS auch ein Filtersystem. Hier kommt ein 18dB / Oktave Tiefpass mit Resonanz zum Einsatz. Dieses klingt wirklich sehr eigenständig „british“ und dürfte eine gute Alternative zu der Moog- und ARPomanie sein. Er erinnert auch etwas an den später gebauten EDP WASP. Auch einen Rauschgenerator kann man verwenden, er ist stufenlos von rosa bis weiss mischbar. Auch ein Ringmodulator ist an Bord und kann frei gepatcht werden, also nicht die üblich-langweilige „VCO1 und VCO2“-Klischee-Schaltung, sondern auch anders verschaltbar, sofern man die Pins richtig setzt, denn auch der Audio-Signalweg wird damit frei bestimmt. Der EMS ist eben nicht „nur semimodular“. Die grafische Darstellung ist recht klein geraten, man sollte also nahe am TFT seine Lichtwellenempfänger aka „Augen“ nutzen. Unterhalb der Matrix können Midi Controller, der Stick oder der Zufall Eingang in den virtuellen EMS finden. Der virtuelle Joystick ist natürlich netter anzuwenden, wenn man ihn durch einen echten ersetzt. Weitere und stets nicht direkt übliche Klangmodule gibt es in Form des Spiralhalls. Auch er kann an beliebiger Stelle platziert werden.
Urlaub in Bad EMS
Natürlich ist das für einen analogen Synthesizer aussergewöhnlich, denn nur der ARP2600 hat so etwas sonst noch zu bieten. In Software ist er dennoch seltsamerweise in seiner Konzeption ebenso eigenständig. Auch hier hätte man der Software sicherlich eine weitere Hüllkurve spendieren können, auch Polyphonie wäre eine Idee wert gewesen. Fakt ist: Man hielt sich bis auf die beiden Midi-Controller weitgehend an das Original. Durch die Klappleiste ist jedoch Velocity mit im Boot. Wieso diese Kritik? Ein Delay hier oder ein Feature da in der Matrix hätte sicher nicht geschadet, würde aber schon durch eine einzige Eintragung die Matrix vergrössern. Ich überlasse es daher dem Geschmack des Lesers, was-wo-wie besser oder schlechter gewesen wäre. Fakt ist aber die optisch-funktionale Authentizität. Klanglich würde ich ebenso sagen: Ich fühlte mich desöfteren an den hier virtuell dargestellten schwarzen Koffer erinnert, der mir meine Jugend insofern versüßte, da ein Freund einen solchen besaß. Auch hier gibt es hin und wieder anderes Verhalten von Hard- gegen Software. Dies erwartet man sicher angesichts der bisherigen Originaltreue auch nicht. Oder etwa doch? Wie bei jedem Hersteller von virtuellen Repliken auch, kosten die Softvarianten gut ein Zehntel und empfehlen sich Leuten, die vom Besitz des echten Originals bisher durch elende Armut™, Hartz IV oder Ähnliches abgehalten wurden.
Ja, so profan ist es bei der Bewertung bei Software gegen Original, wenn ich mir damit evtl. auch Kritik einhandeln mag, kein virtueller klingt wie das Original bietet aber stets ähnliche Vorteile, die durch ihre Computersimulation bedingt sind. Wer ein Original will, kauft bei Ludwig Rehberg das Original, wer mit Software arbeiten möchte oder vielleicht nie 3500€ zusammenbekommt, bestellt für 350€ den EMS AVS und fährt wirklich nicht übel dabei.
Konkurrenz?
Nunja, eins muss man aber auch sagen dürfen: gleich klingt es nicht, es ist eine Strukturkopie.. Das sollte man wissen.. Mit Synthedit gemacht?
Es gibt für Reaktor ein Ensemble mit ähnlichen Möglichkeiten, dieses erfordert natürlich Reaktor und ist damit ein wenig teurer. Dennoch sollte man fairerweise den doch recht hohen Preis für eine Software nennen, denn Reaktor tut ja noch andere Dinge, während der EMS nur EMS ist. Nichtsdestotrotz ist er der einzige autorisierte EMS Synthesizer, den man als Software haben kann und der Autor dieser Zeilen ist froh, das Rehberg bis heute EMS Synthesizer neu anbietet. Löst man sich von all diesen, rein theoretischen, Werten bietet der virtuelle EMS interessante Klänge und eine Flexibilität, die selbst von Software nicht immer erreicht wird mit einem recht speziellen Klang, den man schnell vermissen kann – sofern man ihn mal kennenlernen konnte. Der EMS ist vorrangig als Effekt- und Noise Synthesizer konzipiert und viele der Patches sogar für den keyboardlosen Einsatz gedacht, dennoch sind interessante spielbare Klänge ebenso möglich. Den monophonen Daseinsstatus würde ich als nicht zu gravierend ansehen, währe aber sicher interessant gewesen. Den Preis könnte man evtl. nocheinmal überdenken aufgrund dieser Tatsache. Ansonsten freue ich mich einfach frech über diesen ungewöhnlichen Synthesizer mit seinem speziellen Klinik-Klang. Als Effektmaschine zur Bearbeitung ist er übrigens auch Einsatzbar, denn er kann über sogenannte „Insert-Wege“ eingesetzt werden und so eine Einleitung von Audiosignalen ermöglichen.
Mein Wunsch wäre aber durchaus eine Version 2.0, welche 2 EMS und eine 64x64 Matrix anbieten könnte, um die Hüllkurven auf 2 zu erhöhen und die VCOs auf 6 Stück. Schließlich hat auch Herr Jarre oft zwei dieser Instrumente dabei. Aber zwei Instanzen sind selbstredend machbar. Einzig schade fand ich die Nichtanwesenheit einer Mac/OS X Version. Ansonsten wird der EMS sicher Einzug in diverse zukünftige Tracks haben. Der Preis ist jedoch extrem bedenklich! British Sound Synthesisers are indeed fine and very special.
Es grüsst der Moogulator aus dem Bundeskanzlerinnenamt™